GregMcKennas filmtheoretische Spinnereien

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    Es gibt 125 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von daria.

      Die Sichtweise spielt natürlich eine Rolle. Aus der Sicht des Bösen ist das, was er tut wahrscheinlich nicht böse. Er hat ja Gründe dafür, die aus seiner Sicht völlig in Ordnung sind. Und in den Gründen/Motiven liegt für mich auch der Knackpunkt. Luke Skywalker und Superman wurden als Beispiele genannt. Was die tun ist auch manchmal böse, aber sie tun es um sich selbst oder anderen zu helfen, und wenn es sich vermeiden lässt, schaden sie keinem Unschuldigen. Deshalb werden sie trotzdem als "Gute" angesehen. Genauso wie ein Rächer (zumindest im Film), der ja nur eine Art von Gerechtigkeit herstellen will. Dagegen haben "richtige" Bösewichte egoistische Gründe. Sie wollen Geld, Macht oder iwelche egoistischen Bedürfnisse befriedigen, und wem sie damit schaden, ist ihnen so ziemlich egal.

      daria schrieb:

      Sie wollen Geld, Macht oder iwelche egoistischen Bedürfnisse befriedigen, und wem sie damit schaden, ist ihnen so ziemlich egal.

      Walter White will Geld. Frank Underwood will Macht. Beides sind egoistische Bedürfnisse. Eigentlich dürften sie also nicht die Guten sein, oder? Der Imperator will Ordnung in seinem Imperium, um den Frieden zu sichern. General Zod wollte nur sein Volk retten und den Krypton-Bewohnern eine Zukunft ermöglichen. Also eigentlich müssten sie doch die Guten sein, oder? Immerhin sind das relativ selbstlose Absichten.

      "You're fighting a war you've already lost."
      "Well, I'm known for that."
      Walter White und Frank Underwood würde ich auch nicht als gut bezeichnen. White fängt als Guter an, da das Geld für ihn Mittel zum Zweck ist, um für seine Familie zu sorgen. Durch seine "Arbeit" verändert er sich aber hin zum Bösen. Die Menschen, mit denen er zu tun hat, das Geld und die Gefahr lassen ihn immer mehr abstumpfen und skrupelloser werden. Als völlig böse sehe ich ihn deshalb aber nicht, er ist eher in einer Grauzone, ich hab allerdings die letzte Staffel noch nicht gesehen.

      Underwood dagegen würde ich eher als Bösen bezeichnen, eben weil er auf Macht aus ist und dafür andere Menschen rücksichtslos benutzt und über Leichen geht. Diese Rücksichtslosigkeit ist für mich auch ein Merkmal für das egoistische Motiv. In meinem ersten Post hatte ich das ja schon ein bisschen angedeutet. Der Gute legt sich selbst Beschränkungen auf, zB keine Unschuldigen töten, eben weil er ja im Grunde gut ist und anderen nicht schaden will. Er ordnet seine eigenen Motive also zT den Interessen anderer unter. Deshalb würde ich auch den Imperator nicht als Guten sehen. Er will Frieden, weil der seinen Interessen dient und letztlich ist auch er auf Macht aus und darauf, seine Interessen durchzusetzen. Bei General Zod würde ich was ähnliches vermuten, aber ich kenn mich mit Superman zu wenig aus.

      daria schrieb:

      Underwood dagegen würde ich eher als Bösen bezeichnen, eben weil er auf Macht aus ist und dafür andere Menschen rücksichtslos benutzt und über Leichen geht.

      Aber Frank tut das alles, um in der "Pyramide der Macht" weiter nach oben zu klettern und mehr bewirken zu können. Und was er tut, ist ja durchaus ehrenhaft bzw. mit guten Absichten verknüpft, wenn man sich mal seine politische Agenda so anschaut. Er betrachtet wohl eher seine Handlungen durch diesen Zweck als gerechtfertigt - was deiner Aussage nach auch auf Walter White zutrifft.

      daria schrieb:

      Der Gute legt sich selbst Beschränkungen auf, zB keine Unschuldigen töten, eben weil er ja im Grunde gut ist und anderen nicht schaden will.

      Warum tötet Luke dann Millionen unschuldiger Sturmtruppler, die nur in Frieden leben wollten? Auf einem Todesstern lebt ja nicht nur der Imperator sondern auch Köche, Wookies, etc. pp. Luke geht - um mal deine Worte zu Frank wieder rauszukramen - über Leichen. Das tun aber alle "Guten".

      Worauf ich hinaus will ist dies: Kein Mensch ist per se gut oder böse. Er ist einfach nur und sein Handeln wird entweder als Gut oder Böse interpretiert. Wie es interpretiert wird kommt immer auf denjenigen an, der über ihn urteilt bzw. (und das ist wichtig in diesem Zusammenhang) was man über ihn weiß. Die Tatsache, dass Luke mit der Zerstörung des Todessterns Millionen Lebewesen ausgelöscht hat, wird einfach in "Star Wars" nicht genannt und bleibt dem Zuschauer damit nicht präsent. Im Gegensatz zur Sprengung von Alderaan, wo betont wird, wieviele Leben das Imperium damit vernichtet hat. Die Macher präsentieren uns also damit eine vorgefertigte Meinung zu den Charakteren bzw. legen damit fest, wer in dieser Geschichte der Gute und der Böse ist. Würde man diese Geschichten anders erzählen, kann sich diese Konstellation mitunter komplett umdrehen.

      Wie fragil die Problematik "Wie wird man Gut/Böse bzw. Protagonist/Antagonist?" ist, lässt sich an "Rush" ganz gut ersichtlich machen. Hier wird nicht zwischen Gut und Böse bzw. Protagonist und Antagonist unterschieden. Beide Charaktere werden nebeneinander gestellt - gleichermaßen mit Schwächen und Stärken und guten Absichten ausgestattet, von denen wir auch rundherum erfahren - und dann in einen Wettstreit geschickt.

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      GregMcKenna schrieb:

      Aber Frank tut das alles, um in der "Pyramide der Macht" weiter nach oben zu klettern und mehr bewirken zu können. Und was er tut, ist ja durchaus ehrenhaft bzw. mit guten Absichten verknüpft, wenn man sich mal seine politische Agenda so anschaut. Er betrachtet wohl eher seine Handlungen durch diesen Zweck als gerechtfertigt - was deiner Aussage nach auch auf Walter White zutrifft.


      Natürlich sieht auch White seine Handlungen durch seinen Zweck gerechtfertigt - wie wohl die meisten. Und ich bestreite ja auch gar nicht, dass Frank nicht auch gutes tut. Ich halte nur sein Motiv für egoistisch. Ich denke, er wird angetrieben von Machtgier. Er will etwas bewirken, weil er etwas bewirken will, nicht weil er anderen helfen will. Deshalb kann natürlich trotzdem was gutes für andere dabei rumkommen.


      GregMcKenna schrieb:

      Warum tötet Luke dann Millionen unschuldiger Sturmtruppler, die nur in Frieden leben wollten? Auf einem Todesstern lebt ja nicht nur der Imperator sondern auch Köche, Wookies, etc. pp. Luke geht - um mal deine Worte zu Frank wieder rauszukramen - über Leichen. Das tun aber alle "Guten".


      Natürlich gehen auch die Guten über Leichen. Nur tun sie das eben in der Regel weniger leichtfertig und mit mehr Skrupeln. Das Ergebnis ist natürlich das gleiche, aber sie gehen normalerweise anders damit um. Mit den Beschränkungen meinte ich nicht, dass sie nichts böses tun, sondern nur, dass sie sich selbst Regeln setzen und versuchen, den Schaden für andere gering zu halten. In der Praxis funktioniert das aber nicht immer.

      GregMcKenna schrieb:

      Worauf ich hinaus will ist dies: Kein Mensch ist per se gut oder böse. Er ist einfach nur und sein Handeln wird entweder als Gut oder Böse interpretiert. Wie es interpretiert wird kommt immer auf denjenigen an, der über ihn urteilt bzw. (und das ist wichtig in diesem Zusammenhang) was man über ihn weiß. Die Tatsache, dass Luke mit der Zerstörung des Todessterns Millionen Lebewesen ausgelöscht hat, wird einfach in "Star Wars" nicht genannt und bleibt dem Zuschauer damit nicht präsent. Im Gegensatz zur Sprengung von Alderaan, wo betont wird, wieviele Leben das Imperium damit vernichtet hat. Die Macher präsentieren uns also damit eine vorgefertigte Meinung zu den Charakteren bzw. legen damit fest, wer in dieser Geschichte der Gute und der Böse ist. Würde man diese Geschichten anders erzählen, kann sich diese Konstellation mitunter komplett umdrehen.


      Im Großen und Ganzen bin ich da deiner Meinung. Dass ich zB Frank als Bösen einstufe, ist nur meine Interpretation. Anders ist es ja auch gar nicht möglich, da Gut und Böse nun mal vom Menschen geschaffene Begriffe sind.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „daria“ ()

      daria schrieb:

      Natürlich sieht auch White seine Handlungen durch seinen Zweck gerechtfertigt - wie wohl die meisten. Und ich bestreite ja auch gar nicht, dass Frank nicht auch gutes tut. Ich halte nur sein Motiv für egoistisch. Ich denke, er wird angetrieben von Machtgier. Er will etwas bewirken, weil er etwas bewirken will, nicht weil er anderen helfen will. Deshalb kann natürlich trotzdem was gutes für andere dabei rumkommen.

      Da sind wir schon bei einem Kernpunkt: Der Rechtfertigung vor sich selbst, der Motivation. Eine Motivation kann genau wie eine Gesinnung per se nicht böse oder gut sein. Sie wird erst in ein Wertesystem eingeordnet und dann interpretiert. Franks Motive wirken auf dich egoistisch - okay. Es gibt aber Gegenbeispiele, bei denen er geradezu selbstlos handelt (Schutz von Freddy in Staffel 2 zB, obwohl er sich auch einfach distanzieren könnte). Er überlässt alte, reiche, weiße Männer dem politischen Tod - ja. Sie sind auch finanziell gut abgesichert. Aber alte, arme, schwarze Männer will er beschützen und ihnen helfen. Was sagt das über seine Figur aus?

      daria schrieb:

      Natürlich gehen auch die Guten über Leichen. Nur tun sie das eben in der Regel weniger leichtfertig und mit mehr Skrupeln. Das Ergebnis ist natürlich das gleiche, aber sie gehen normalerweise anders damit um. Mit den Beschränkungen meinte ich nicht, dass sie nichts böses tun, sondern nur, dass sie sich selbst Regeln setzen und versuchen, den Schaden für andere gering zu halten. In der Praxis funktioniert das aber nicht immer.

      Das ist insofern eine bequeme Rechtfertigung, weil sie aufs gleiche hinausläuft, etwas nicht Nachprüfbares behauptet und einen Unterschied in Theorie und Praxis ausmacht. In "Kill Bill" bringt die Braut mehr Menschen um als der namensgebende Bill. Hit-Girl bringt deutlich mehr Kerle um als der Bösewicht in "Kick-Ass" (erster Teil). Gerade Rachefilme lassen ihre Protagonisten wahllos Leute abschnarzen. Das kann man lange so weitermachen: John McClane, Bryan Mills, James Bond, Jack Bauer, Jason Bourne, etc. pp. - allesamt Figuren, die höhere Bodycounts verursachen als ihre bösen Gegner, die oftmals deutlich gezielter vorgehen.

      Oder um auf "Star Wars" zurückzukommen: Das Imperium sprengt einen Planeten und tötet Millionen. Keine Reaktion. Die Rebellion sprengt den Todesstern und tötet Millionen - Siegesfeier und Medaillen werden überreicht. So ernst nehmen sie ihre (theoretische) moralische Verpflichtung offenbar dann nicht.

      "You're fighting a war you've already lost."
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      Auf Filme/Serie/Comics usw. bezogen ist die Sache doch eigentlich ganz einfach: in der Mehrheit sehen wir denjenigen als Guten oder Bösen an, der vom Macher dafür konzipiert ist. Die Rebellen bei Star Wars sind deshalb die Guten, weil sie von den Machern als Helden der Geschichte gewählt wurden. Oder wie du schon geschrieben hast:

      GregMcKenna schrieb:

      Die Macher präsentieren uns also damit eine vorgefertigte Meinung zu den Charakteren bzw. legen damit fest, wer in dieser Geschichte der Gute und der Böse ist. Würde man diese Geschichten anders erzählen, kann sich diese Konstellation mitunter komplett umdrehen.


      Der Zuschauer kann ja nur nach dem gehen, was ihm von den Machern präsentiert wird und ordnet das nach seinem eigenen Wertesystem ein (was wiederum von vielen Faktoren beeinflusst wird, auch von den Filmen selbst). Dabei spielen dann natürlich auch die persönlichen Sympathien eine Rolle und mit welchen Motiven, Rechtfertigungen und Zielen der Zuschauer sich eher identifizieren kann. Es kommt aber auch darauf an, wo ich mit der Einteilung in Gut und Böse ansetze. Interpretiere ich die Handlung als solche, unabhängig vom Motiv und den Folgen? Oder interpretiere ich nur die Folgen, also Hauptsache, das Ergebnis stimmt, egal wie es zustande gekommen ist. Oder interpretiere ich das Motiv, also der Zweck heiligt jedes Mittel. Wenn ich die Sache alleine vom Ergebnis her betrachte, scheint's tatsächlich kaum einen Unterschied zwischen Guten und Bösen zu geben. Offenbar tun das aber die meisten Menschen nicht, sonst würden wir James Bond, McClane etc als Böse einstufen. In dem, was wir durch die Macher über sie erfahren, sehen wir also etwas, was sie von den Bösen unterscheidet. Da es die Handlungen nicht sind, könnten es noch die Charaktere selbst, oder ihre Motive oder ihre Ziele sein. Einen wirklichen Unterschied zwischen Gut und Böse muss es dabei aber eigentlich gar nicht geben. Ich als Zuschauer kann da genauso gut etwas reininterpretieren, so nach dem Muster: "Das ist der Gute, was der getan hat, KANN also gar nicht wirklich böse sein, sonst hätte er es ja nicht getan".

      daria schrieb:

      "Das ist der Gute, was der getan hat, KANN also gar nicht wirklich böse sein, sonst hätte er es ja nicht getan".

      Die Folgerung ist richtig, aber falsch herum. Es müsste doch viel eher heißen: "Was er tut, ist gut. Und daher sympathisieren wir mit ihm." Wir sympathisieren mit Menschen, deren Beweggründe wir kennen. Wenn ich weiß, warum Walter White sein Geld braucht und warum Frank Underwood aufsteigen will, akzeptiere ich sie, da ich ihre Beweggründe verstehe. Es gibt auch Filme, die die Beweggründe eines Mörders zeigen und ihn damit sympatisch und zum Protagonisten machen ("Hannibal Rising"). Und du hast ja recht: Die Macher von Filmen und Serien manipulieren uns so, dass wir als gut und böse sehen, was sie gerne so gesehen haben wollen. Wie ich weiter oben schon schrieb: Es kommt darauf an, wessen Beweggründe man nachvollziehbarer und besser erklärt und zeigt. Vaders Weg zum Darth zB wurde durch die Prequel-Filme sehr nachvollziehbar dargestellt.

      "You're fighting a war you've already lost."
      "Well, I'm known for that."
      Ich glaube, die Diskussion "was ist "das Böse"?" nimmt zwar ganz lustige Formen hier an, führt aber zu nichts. Dazu sind wir zu sehr Laien, um eine solche komplexe Frage auch nur ansatzweise adäquat beantworten zu können. Was haben wir bisher, auf das wir uns einigen können:

      1. Zum "Bösesein" gehört eine gewisse intellektuelle Ausprägung bzw. eine gewisse kognitive Reife.
      2. Es ist schwer, wirklich Definitionen für "böse" zu finden, ohne irgendeinen bestimmten Blickwinkel einzunehmen bzw. den Kontext der Figur/Tat zu berücksichtigen.
      3. Man kann jedoch sich dem annähern, indem man "für Gesellschaftsform X im Jahr Y geltendes Recht gebrochen" bzw. ein "gewisses für uns geltendes moralisches Empfinden verletzt" verwendet anstatt des semantisch diffusen "böse".

      Dahergehend kann man auch die "Fazination am Bösen" klar verstehen: Sie ist eine spezielle Form der Schadenfreude! :D

      Denn 1. kann UNS als Zuschauer schonmal nichts passieren. Egal, ob wir einen Mörder, einen Drogendealer oder einen korrupten Politiker im Film toll finden, diese Figur kann UNS und denen, um die wir uns sogen, nichts anhaben. Sie sind nur fiktive Figuren. Der wichtigere und für unsere Diskussion ausschlaggebende Punkt ist aber

      2. Jeder kennt Menschen, denen wir irgendetwas neiden. Sei es die "ach so perfekte Beziehung" oder die "ach so tolle Familie" oder den "ach so protzigen Sportwagen". Speziell zur Polizei haben wir ein ambivalentes Verhältnis: Grundsätzlich wissen wir, dass es ohne nicht geht und dass viele dieser tapferen Beamten ihre Energie und Unversehrtheit dafür einsetzen, dass wir sicher sind. Andererseits, z.B. in einer Radarkontrolle, sind das dann gaaaanz schreckliche Gesellen. Die Figuren des Mörders, des Dealers und des korrupten Politikers wischen zumeist solchen Leuten eins aus: Dexter tötet einen fiesen Drecksack. Hannibal einen gelackten Geldsack. Walter White legt die Cops rein und besorgt neureichen Idioten ihren Stoff usw.

      Nur selten empfinden wir Sympathie für einen, der Menschen umbringt, die so sind wir wir bzw. wie wir uns selbst gerne sehen: einfache, sympathische Leute, die zwar Fehler haben, die dadurch aber auch liebenswert sind. Mördern solcher Figuren wird selten ein Denkmal errichtet. Bringt der Mörder Leute um, die reiche Geldsäcke sind, die ihre Frau betrügen, die ihre Kinder schlagen oder die aus Gier die ärmste Sau der Firma rausschmeißen, dann finden wir das klasse!

      Man spricht da auch von einer "Reinigung" - einer Form von Askese. Den Nachbarn, der immer seinen Hund auf unser Grundstück sch***en lässt, schlagen wir nicht zusammen und drücken sein Gesicht in den Hundehaufen - aber wenn wir sehen, wie einer im Film das macht, fühlen wir uns gut dabei. Wir selbst sind nicht (Geisteskranke ausgenommen) in der Lage, dem schmierigen Bankboss, den Typen, der immer seine Frau schlägt oder dem pöbelnden Schläger in der U-Bahn entgegenzutreten und in die Schranken zu weisen - der Filmtyp kann! Wir selbst wissen, es ist nicht "gut", wenn wir dem "ach so glücklichen Pärchen von nebenan" durch ein paar gezielte Intrigen und Gerüchten das Leben erschweren ... würden es aber manchmal gerne machen. Der Filmtyp kann!

      Die "Bösen" im Film, auch die "Rächer", die mit Gewalt aufräumen, sind quasi unsere "Ersatz-Ichs", die da auf die Pauke hauen, wo wir durch Anstand oder Gesetz daran gehindert werden. Aber - und das ist wieder schwer in einer Laienrunde zu philosophieren - wir haben alle

      1. so einen kleinen Schweinehund in uns, der aufgrund von Neid und Missgunst anderen gerne mal ein paar Knüppel zwischen die Beine werfen würde und
      2. einen edlen Rächer, der für sich und andere gerne stark und tapfer einstehen würde, aber es "außen" an Kraft und Mut fehlt.

      Da ist es doch klasse, dass es mit solchen "bösen" Archetypen ein Ventil gibt, diesen inneren Druck abzubauen und sich somit wieder "zu reinigen". Ein Hoch auf das Kino!

      ;)

      GregMcKenna schrieb:

      daria schrieb:
      "Das ist der Gute, was der getan hat, KANN also gar nicht wirklich böse sein, sonst hätte er es ja nicht getan".


      Die Folgerung ist richtig, aber falsch herum. Es müsste doch viel eher heißen: "Was er tut, ist gut. Und daher sympathisieren wir mit ihm." Wir sympathisieren mit Menschen, deren Beweggründe wir kennen. Wenn ich weiß, warum Walter White sein Geld braucht und warum Frank Underwood aufsteigen will, akzeptiere ich sie, da ich ihre Beweggründe verstehe.


      Seh ich nicht ganz so, es kann so laufen, muss aber nicht. Ich denke, es ist schwer, sich von einer ein Mal getroffenen Beurteilung zu lösen. Wen man einmal in die Schublade "gut" gepackt hat, dem verzeiht man auch eher böse Dinge und versucht sie zu rechtfertigen, und umgekehrt genauso. Mir geht es zB so mit White. Ich finde ihn erst sympathisch, weil er so ein netter Kerl ist, und stufe ihn deshalb als "gut" ein, auch als er was böses tut, denn dafür hat er ja mMn gute Gründe. Dann tut er wieder was böses, wofür seine Gründe in meinen Augen nicht mehr so gut sind, trotzdem fällt es mir schwer, ihn als böse zu bezeichnen.

      Außerdem sehe ich für mich einen großen Unterschied zwischen "verstehen" und "sympathisieren". Manchmal kommt beides zusammen, zB bei White, zumindest am Anfang. Aber bei Underwood etwa versteh ich zwar seine Beweggründe, sympathisiere deshalb aber noch lange nicht mit ihm. Und sicher gibt es auch Beispiele für Figuren, mit denen ich sympathisiere, obwohl ich ihre Beweggründe nicht versteh, aber mir fällt gerade keine ein.
      Klar werden wir dahingehend manipuliert, was unser "mögen" oder "nicht mögen" von Charaktern betrifft, die gegen das Gesetz oder gegen die vorherrschende Moral agieren. Das ist die Aufgabe von Autoren. Man kann neben den Punkten

      1. persönliche Sicherheit und
      2. Schadenfreude (nähere Erläuterung im Post über Dir, Daria)

      sicher noch den 3. Punkt der "Schwierigkeit, seinen Standpunkt zu ändern" (eine Form von "Sturheit") hinzufügen. Manipuliert vom Autoren legen wir z.B. fest, Charakter A ist ein netter Kerl. Wenn der dann gegen das Gesetz bzw. gegen die Moral verstößt, sind wir gerne bereit, darüber hinwegzusehen und zig Begründungen zu finden, dass das "irgendwie doch OK ist". Das sind nämlich dann die Punkte 1 und 2: Auch wir würden gerne mal alle Konventionen über Bord werfen, fürchten aber a) die Bestrafung durch das Gesetz und/oder b) dass wir am Ende doch weich werden und es uns dann schrecklich leid tut. Doch indem wir uns mit dem Filmcharakter identifizieren (bewusst oder unbewusst), können wir "böse sein, ohne Sanktionen zu befürchten". Und eben die Schadenfreude, dass der Filmcharakter es anderen mal so richtig zeigt, denen wir es auch mal zeigen wollen würden. Im echten Leben arbeiten wir mit der Polizei, unserem Freund und Helfer, natürlich zusammen - im Film können wir die mal richtig reinlegen.

      Und dass es schwer ist, einen festgelegten Standpunkt oder eine mal gebildete Meinung zu ändern, kennen wir aus vielen andeen Bereichen des Lebens. Manchmal wissen wir, dass der Gegenüber recht hat, beharren aber auf unserem Irrtum ... rein aus Prinzip!
      Keiner eine Meinung dazu? Vielleicht liege ich ja total falsch. Vielleicht ist der Sicherheitsaspekt, die Schadenfreude und das Festhalten an einmal festgelegten Meinungen/Gefühlen falsch und gar nicht der Punkt bei der "Faszination von dem Bösen" ... Vielleicht trifft es aber auch genau den Punkt ...

      ... Wie sieht's aus?
      Es ist sicher richtig, dass man mit Filmen seine Fantasien und auch Gefühle wie Freude, Wut und Angst ausleben kann, ohne selber verletzt zu werden oder jemand anderen zu verletzen. Wie man sich mit einem Charakter identifiziert, liegt auch ein Stück mit dem persönlichen Umfeld und der Erziehung zusammen. Wenn ich zB meinem Großvater erzählen würde, dass Captain America gegen Nazis kämpft und diese teilweise sogar charismatisch dargestellt werden, würde er wohl gelinde gesagt mit dem Kopf schütteln.

      Ist natürlich ein extremes Beispiel jetzt.


      "Actually, it's gonna be super easy, barely an inconvenience."
      Zur Faszination des Bösen gehört sicher auch noch der Machtfaktor. Der Böse hat nicht nur größere Freiheit, weil er gegen Gesetze/Konventionen/Moral verstößt. Das gibt ihm auch Macht über andere. Er ist nicht hilflos und nicht auf das Wohlwollen anderer angewiesen, sondern andere haben Respekt oder sogar Angst vor ihm und er kann ein bisschen Gott spielen.

      Hulk schrieb:

      Die "Bösen" im Film, auch die "Rächer", die mit Gewalt aufräumen, sind quasi unsere "Ersatz-Ichs", die da auf die Pauke hauen, wo wir durch Anstand oder Gesetz daran gehindert werden. Aber - und das ist wieder schwer in einer Laienrunde zu philosophieren - wir haben alle
      1. so einen kleinen Schweinehund in uns, der aufgrund von Neid und Missgunst anderen gerne mal ein paar Knüppel zwischen die Beine werfen würde und
      2. einen edlen Rächer, der für sich und andere gerne stark und tapfer einstehen würde, aber es "außen" an Kraft und Mut fehlt.
      Da ist es doch klasse, dass es mit solchen "bösen" Archetypen ein Ventil gibt, diesen inneren Druck abzubauen und sich somit wieder "zu reinigen". Ein Hoch auf das Kino!

      Jetzt wurde so viel geschrieben, dass ich gar nicht auf alles eingehen kann. Ich versuchs aber hiermit, denn du sprichst einen nicht unwesentlichen Punkt an: Das Böse bzw. der Böse ist meist eine Form von "Spiegel-Ich" gegenüber dem Protagonisten. So wird es zB auch in allerlei Drehbuchkursen gelehrt. Der Erzböse ist eine Art böses Spiegelbild des Protagonisten. Sein fieser Schatten. Sein Negativ. Und da man sich mit Protagonisten zumeist identifizieren soll, sollte man sich von diesem Spigelbild abgestoßen fühlen. Soweit, so wenig überraschend.

      Ich glaube durchaus, dass du ein Stück weit recht hast. Diese Bösewichter sind eine Form bzw. ein Aspekt unserer Persönlichkeit. Die (manchmal gar nicht so kleine) Portion Neid, Gier oder Missgunst. Indem der Protagonist sich aber am Ende des Films über diesen Bösewicht hinwegsetzt (zumeist tötet), erteilen wir auch für uns selbst diesem Bösen eine Absage und setzen uns darüber hinweg. Deswegen gehe ich davon aus, dass ein Bösewicht immer einen bestimmten Aspekt in uns bzw. in unserem Alltag verkörpern sollte. Und damit wiederum kommen wir nun zurück zu meiner Ausgangsthese: Das Joker und Loki deswegen so populär sind, weil sie das Chaos verkörpern. Die Unübersichtlichkeit. Und gerade dieses Chaos und diese Unübersichtlichkeit sind zwei Dinge, die uns in unserem alltäglichen Leben Angst machen. Mit dem symbolischen Sieg von Batman/den Avengern/Thor über diese Widersacher fühlen auch wir uns etwas sicherer - denn wir haben ja unserem Aspekt des Chaos gerade ein ganz klein wenig den Mittelfinger gezeigt. Symbolisch, versteht sich.

      "You're fighting a war you've already lost."
      "Well, I'm known for that."

      GregMcKenna schrieb:

      denn wir haben ja unserem Aspekt des Chaos gerade ein ganz klein wenig den Mittelfinger gezeigt. Symbolisch, versteht sich.


      Warum muss ich gerade an das Donnerlied aus Ted denken? ;)

      GregMcKenna schrieb:

      Indem der Protagonist sich aber am Ende des Films über diesen Bösewicht hinwegsetzt (zumeist tötet), erteilen wir auch für uns selbst diesem Bösen eine Absage und setzen uns darüber hinweg.


      Wie du selber schreibst möchte das Publikum letztlich das das Gute über das Böse triumphiert. Deshalb das Happy End in den meisten Filmen. Man kann durch den Film seine eigene dunkle Seite ausleben ohne selber schuldig zu werden aber am Schluss ist man doch froh wenn der Böse nicht ungeschoren davon kommt sondern seine gerechte Strafe bekommt. Das gibt uns dann das Gefühl das es Gerechtigkeit gibt. Wie oft sehen wir Ungerechtigkeiten im echten Leben. Im Film ist man letztlich doch froh das es einen Cop, einen Jedi einen Superhelden etc. gibt der den Bösen so richtig in den Arsch tritt.

      GregMcKenna schrieb:

      ... Der Inhalt ist aber der gleiche: Hier kann über Filmtheorien gesponnen werden, wie ihr lustig seid ...


      Ich hoffe, dass Greg da jetzt nicht böse ist, aber ich hätte da eine "Spinnerei", die vielleicht hier gut aufgehoben wäre.

      Gestern Abend habe ich lange mit einem Freund geredet und über den neuen Gozzi kamen wir auf den Punkt/die Punkte, ob "Darsteller mit einem ernsten Gesicht eine gewisse Klasse vortäuschen" können. Denn genau betrachtet, ist außer Brian Cranstons Rolle keine andere im Film vorkommende Figur gut geschrieben. Watanabe guckt bloß ernst und gibt Theorien von sich, von denen nichts im Film darauf schließen lässt, wie er denn darauf kommt. Kick Ass als Sohn kriegt ebenfalls kein Profil, mit der tollen Vorlage seiner Kindheitstragödie setzt er sich nicht auseinander. Er guckt nur ernst und betroffen und spult den Soldier ab. Seine Frau, sein kleines Kind, die Assis von Watanabe, der Admiral ... keiner von denen hat wirklich einen Hintergrund oder bekommt soweit einen Charakter, dass er es ermöglicht, mit den Figuren mitzufühlen.

      Jetzt die These auf der anderen Seite der Medallie: Kann "ein bestimmter Ruf eines Regisseurs den Zuschauer dazu bringen, eigentlich ordentlich geschriebene Charaktere für dumm zu empfinden"? Da nehme ich dann man Emmerichs Gozilla. OK, der sieht anders aus, das ist vielen aufgestoßen. Jedoch sind die Handlung und die vielen Charaktere liebevoll geschrieben und eigentlich alle bekommen soweit einen Hintergrund/Eigenschaften angeschrieben, dass man ihre Ansichten versteht und mit ihnen mitfühlt. Es ist aber keine Darstellerelite, die da spielt, (fast) keine großen Stars. Broderick ist generell ein blasser Typ, aber seine Rolle erwartet genau das - und er bekommt Background. Animal, der Kameramann, der Bürgermeister und sein Assi, der General und sein Assi, die Forscherkollegen, der Anchorman, Jean Reno und seine Jungs ... sie alle haben charakteristische Eigenschaften, die ihre Filmfiguren auszeichnen. Und mit denen man in ihren Szenen mitfühlt bzw. ihnen die Blamage gönnt. Die Blonde Tussi ist natürlich nervig ... aber sie ist genauso so geschrieben, das ist ihre Rolle. Der Emmerich-Gozzi ist eine rasante Achterbahnfahrt, die (mit dem Nicht-Fantasy-Kaiju-Action-und-Humor-Auge zugedrückt) einfach nur Spaß macht.

      Und trotzdem: das dünne Drehbuch mit kaum individuell ausgearbeiteten Charakteren 2014 wird von der Masse für einen Geniestreich gehalten, das vor individuellen, tollen Charakteren nur so strotzende Drehbuch von Emmerich wird für dümmlichen Käse gehalten. Und warum? Wegen seines Rufs. Und zugegeben, die Handlung verläuft geradelinig, es gibt keine großen Überraschungen. Aber das ist bei Edwards genauso: Nur mit dem Unterschied, dass es bei Edwards keinen Humor gibt und es verboten ist, auch nur ansatzweise mal ein Lächeln zu zeigen. Und das Nicht-Zeigen von Gozzi wird auch von Werbung und Kritikern als tolle Einfall verkauft. Jedoch ist Godzilla NICHT der weiße Hai ...

      Das gleiche Spiel bei Inception: Betrachtet man den Film näher, fällt er vor undurchdachten und gar richtig dummen Szenen und Dialogen wie ein aufgeblähtes Nichts zusammen. Aber: fast keiner merkt es! Denn der Film ist ja von Nolan und die Darsteller gucken so ernst ... das MUSS was Kluges sein!

      Und auf der Gegenseite: 2012. Auch kleine Nebenrollen werden mit Leben gefüllt. Eine interessante Story mit Hintergrund wird geboten ... aber dadurch, dass alles mit dem Mittel eines Actionfilms vermittelt wird, ist sie gleich wieder blöd.

      Es werden (mir) durch Kritikerpäpste und Internet-Shitstürme zu viele Meinungen kreiert, die undurchdacht, aber durch einen gewissen Anstrich als seriös und unumstößlich verkauft werden. Der Zuschauer muss gar nicht mehr nachdenken. Auch, wenn man sich amüsiert hat, reiht man sich ein in die Reihe der öffentlichen Meinung. Emmerich hat ein schlechter Autor zu sein, also behaupte ich das dann mal. Auch, wenn seine Charaktere oftmals durchdachter, mit individuellen Eigenschaften versehen und tiefer sind als von so manchem "Intellektuellen". Abschlußbeispiel TDK: von vielen als superkluger Geniestreich gefeiert. Dabei enthält er so manchen Facepalm, der einfach nicht gesehen werden will. Ist denn ein Politiker wirklich wählbar (oder kann er bei Bruce Wayne wirklich Begeisterung auslösen, so dass er eine Wahlkampfparty für ihn schmeißt), wenn er sagt:"Entweder man stirbt als Held oder bleibt so lange dabei, bis man der Böse wird"? Der Schwachsinn wird einfach nicht gesehen, weil man darin den Geniestreich vermutet "Hey, der wird doch Two-Face und hier legt er bereits den ersten Hinweis! Genial!" Dabei ist dieser Hint so platt wie er nur sein kann. Autsch! Und da gibt es unzählige Beispiele ...

      Dieser immer weiter umsichgreifende Trend finde ich arg bedenklich ... Traut Euch mehr, selbst Entscheidungen zu treffen und geistig weniger abhängig von anderen zu sein. Auch mal auf sein eigenes Bachgefühl hören, auch wenn das heißt, gegen den Strom zu schwimmen. Einfach mehr Spaß am Kino zulassen ... und bedenken: "düster" und "ernst gucken" allein macht noch keinen klugen Gedanken. Und schon gar keinen "überlegenen" Film

      ;)
      Ich finde diese These irgendwie gewagt... Die meisten hier, wenn nicht sogar alle, werden wohl in der Lage sein, einen Film unabhängig von anderen Meinungen einzuschätzen und zu bewerten. Mir kommt es eher so vor, als würdest du hier gerne nochmal deine Abneigung gegen Godzilla (2014), Inception und The Dark Knight kundtun bzw. deinen Geschmack als eine Art absolute Meinung verkaufen wollen.

      Und ja, ich liebe düstere Atmosphären und "ernst guckende" Typen, aber blenden lasse ich mich davon mit Sicherheit nicht.

      Zum Thema "Gegen den Strom schwimmen": Ich finde "The Avengers" stinklangweilig und werde nie verstehen, warum der so gnadenlos gefeiert wird.

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