goodspeed schrieb:
Da ich gerne über Filme im Allgemeinen nachdenke und versuche ihr Geheimnis zu ergründen, dachte ich mir ich starte mal einen Thread, vielleicht dient die eine oder andere um eine Diskussion zu starten.
Mit den gut gealterten Worte von goodspeed will ich diesen Thread eröffnen. Denn auch wenn es der gleiche Inhalt ist: Für das, was ich hier schreibe, soll goodspeeds guter Name nun nicht im Threadtitel herhalten müssen. Der Inhalt ist aber der gleiche: Hier kann über Filmtheorien gesponnen werden, wie ihr lustig seid. Ich werde meinerseits "nur" ein paar kleine Texte und Thesen verfassen und vielleicht eine Diskussion dazu antreiben. Vielleicht hab ich mit einigen Dingen recht. Vielleicht widerlegt ihr mich. Am Ende sollen aber ein paar Gedanken zu Filmen und auch dem Fernsehen stehen. Ohne lange Umschweife will ich aber auch direkt starten.
Loki und der Joker - typische Post-9/11-Schurken oder Geniestreiche?
Zu den genannten Bösewichtern muss ich wohl kaum noch jemandem was erzählen. Loki und der Joker sind die Posterboys der Comicverfilmungsbösewichter der letzten Jahre bzw. des letzten Jahrzehnts. Sie sind beliebt, bekannt und in der Popkultur mittlerweile fest verankert. Zudem sind sie als Schurken innerhalb ihrer Filme sehr beim Publikum beliebt. Fans des Jokers ließen sich sein Antlitz tätowieren und Tom Hiddleston hat in "Thor"-Filmen fast mehr Screentime als der namensgebende Held. Inklusive des Bonmots, dass er die Avenger zusammenbringen durfte. Eigentlich dürften der mottige Terrorclown und der missverstandene Adoptivprinz aus Asgard wenig gemeinsam haben.
Bis auf ihre Motivation: Chaos säen.
Ein guter Bösewicht braucht eine anständige und im besten Fall sogar nachvollziehbare Motivation, damit er funktioniert. Ein Bösewicht, der einfach nur böse ist - der wirkt nicht menschlich und nachvollziehbar. Es tut auch niemand von uns etwas in dem Wissen, dass das was er tut böse ist. So bekommen auch die Darsteller von Bösewichtern Zugang zu diesen: Sich die positiven Aspekte heraussuchen. Stephen Lang sagte über Colonel Quaritch in "Avatar" mal, dass er eigentlich nur ein einfacher Soldat sei, der seine Befehle strikt befolgen würde. Und wenn man sich den Film ansieht, funktioniert diese Ansicht. Denn da ist zB Worthingtons Jake Sully derjenige, der desertiert und seine Kameraden im Stich lässt. Der Film ergreift Partei für ihn und damit ist Quaritch der Bösewicht. Aber er bleibt nachvollziehbar.
Was hats mit dem Joker und Loki zu tun? Viel. Beide handeln ohne einen wirklich nachvollziehbaren Grund. Der Joker will laut Alfred "die Welt einfach nur brennen sehen" und Loki ist immerhin der Gott des Chaos, der Verwirrung und des Unheils, der einfach gerne Unfug macht. Was das gleiche wie beim Joker ist, nur freundlicher umschrieben. Beide fallen nach dem Erzählschema von Joseph Campbell übrigens in das Raster des "Tricksters". Also einer Figur, die Unheil stiftet und dabei auch die Seiten wechselt - auf jeden Fall trickreich und gerissen agiert. Also eigentlich gar nicht der klassische Bösewicht (das wäre der "Villain"). Die beiden sind also recht untypisch und säen Chaos. Soweit sind wir schon mal.
Die Nemesis unserer kulturellen Hemisphäre ist das Chaos. Gerade nach 9/11 leben wir in einer zusehends unübersichtlicheren Welt, in der sich Gut und Böse nicht mehr immer klar trennen lassen und alles im Grau verschwimmt. Wir werden mit Krisen und Problemen in allen Ecken und Enden der Welt überlastet, müssen viel wissen und sogar Nachts noch E-Mails empfangen. Wir müssen alles können, zu allem eine Meinung haben und das sogar ratzfatz. In so einer chaotischen und unübersichtlichen Welt suchen Menschen dann klare, einfache Muster. Festhalten sollten wir aber, dass dieses Chaos uns unter Druck setzt und ängstigt. Jederzeit kann ein Terroranschlag überall stattfinden, wir sehen unsere Feinde nicht mehr und unser Computer kann dauernd von einer anonymen Gruppe gehackt werden. Angst und Chaos lauern überall.
Meine These ist nun:
"Der Joker und Loki sind die Verkörperungen dieses Chaos und daher als Bösewichter des 21. Jahrhunderts so erfolgreich. Weil sie auf unseren alltäglichen, instinktiven Ängsten der Unübersichtlichkeit, der Unsicherheit und des Chaos basieren und ihnen ein Gesicht geben - sie also so verkörpern und metaphorisch greifbar machen."
Was denkt ihr? Gabs vorher schon andere, ähnlich erfolgreiche Charaktere? Hat der Erfolg der beiden doch nur etwas mit ihren überaus talentierten Darstellern zu tun? Oder hat Greg einfach nen Stein an die Schläfe bekommen? Legt los.
"You're fighting a war you've already lost."
"Well, I'm known for that."