I'm a Cyborg, But That's OK

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  • Einleitung


    Nach seiner abgründigen Rache-Trilogie war es für Regisseur und Drehbuchautor Park Chan-wook an der Zeit sich von den düsteren Themen zu lösen und etwas Licht zu tanken. Laut dem Regisseur selbst war es für ihn nötig einen bunten Film wie I'm a Cyborg, But That's OK zu drehen, um neue Energie zu sammeln. Nachdem mit Sympathy for Mr. Vengeance, Oldboy und Lady Vengeance eine Ära in der Karriere des Ausnahmeregisseurs zu Ende ging, brach er mit seiner dramatischen Komödie aus der brutalen Welt der Rache aus, ohne dabei allerdings große Themen zu vernachlässigen.

    I'm a Cyborg, But That's OK dreht sich dabei um eine junge Frau, die nach jahrelanger stumpfer Arbeit in einer Fabrik zu der Überzeugung kommt, dass sie ein Cyborg ist. Folglich meint sie, dass Essen und Trinken für sie als Energiequelle nicht mehr von Nöten sind. Die Einweisung in eine psychiatrische Klinik ist somit fast schon unausweichlich. Dort versucht ein kleptomanischer Patient, der die Störungen der Insassen stiehlt, die jungen Frau vor dem Hungertod zu bewahren.

    In den Hauptrollen sind Lim Soo-jung (A Tale of two Sisters) und Jung Ji-hoon (Ninja Assassin) zu sehen. Letzterer ist auch als Sänger Rain bekannt und feierte mit I'm a Cyborg, But That's OK sein Schauspieldebüt.

    © 2018 Capelight Pictures

    Kritik


    Mit der farbenfrohen und hellen Darstellung und seinen absurd komischen Figuren vermittelt I'm a Cyborg, But That's OK gleich das Bild einer Komödie, obwohl das Setting eher das einer Tragödie ist. So amüsant die Leiden der einzelnen Charaktere in der psychiatrischen Klinik sind, so ernst nimmt der Regisseur und Drehbuchautor dennoch deren Probleme. Zwar sprüht das Werk nur vor wahnwitzigen Ideen und die Inszenierung ist stets eine heitere, doch schwingen die ernsten Untertöne stets mit. Wenn beispielsweise die Hauptfigur Young-goon, toll verkörpert von Lim Soo-jung, beginnt mit dem falschen Gebiss ihrer Großmutter im Mund an Batterien zu lecken, anstatt echte Nahrung zu sich zu nehmen, ist das lustig mit anzusehen, so wird aber durch die Figur von Co-Star Jung Ji-hoon immer wieder das Problem des Hungerns präsent gehalten.

    Trotz der humorvollen Inszenierung ist Parks bisher einziger jugendfreier Film nicht frei von anspruchsvollen und wichtigen Themen wie Suizid, Anorexie, Verlust und die Kraft des gegenseitigen Verständnisses. Obwohl die dramatische Komödie auf den ersten Blick verspielt und leichtfüßig daherkommt, ist sie trotzdem das vermutlich am schwersten zu greifende Werk in der Filmographie des Südkoreaners. Denn gerade sein Spiel mit Realität und Fiktion macht es teilweise schwer den Gedanken des Filmemachers zu folgen. Visuell beeindruckend springt er stets zwischen der tatsächlichen Welt und den Wahnvorstellungen der Insassen hin und her und lässt beide Welten parallel existieren. Dabei sind gerade die Phantasien der Patienten beeindruckend vielseitig umgesetzt. Dass diese von den psychisch Erkrankten streckenweise sogar miteinander geteilt werden und sie gemeinsam an ihnen teilhaben, macht es für den Zuschauer nur noch schwerer der Handlungen zu folgen. Allerdings zeigt Park auch eine Welt, wie die Leiden vielleicht nicht gänzlich geheilt, aber durchaus vermindert werden. Denn die Insassen respektieren gegenseitig ihren Wahn und lernen so die Leiden des anderen ernsthaft kennen, wodurch eine gewissen Linderung der Qualen möglich ist.

    © 2018 Capelight Pictures


    Jungs Figur Il-sun agiert dabei als derjenige, der diese heilende Wirkung greifbar macht. Wenn der als Dieb deklarierte, sich nicht nur materieller Dinge bedient, sondern auch den Patienten teilweise ihrer Leiden beraubt, zeigt sich die beeindruckende Wirkung eines Charakters, der innerhalb der Wahnvorstellungen der Einzelnen agiert. So wird der Mann, der symbolisch selbstgebastelte Hasenmasken trägt, trotz seiner kriminellen Veranlagung zum kleinen Helden der Geschichte. Dabei ist die Symbolik der Hasenmasken ebenso einfallsreich wie simpel. Laut einer koreanischen Legende lebt ein Hase auf dem Mond und stellt dort Reiskuchen her, der wiederum in seinen verschiedenen Formen für Gutes in der Zukunft steht. Somit wird der Hase mit etwas Reinem verbunden.

    Die Begegnungen zwischen Young-goon und Il-sun erzählen davon, wie letztendlich nicht die Ärzte, sondern die Beziehungen der Insassen untereinander heilen. Dabei nimmt das wahrscheinlich menschlichste aller Gefühle immer mehr Raum ein, ohne dass es jemals benannt wird - die Liebe. Young versucht zwar stets die menschlichen Gefühle abzustellen und sie als Todsünden zu bezeichnen, kann sich dennoch dieser emotionalen Reaktionen kaum entziehen. Ihren Höhepunkt erreicht die Beziehung der beiden Hauptfiguren in einer der schönsten und gleichzeitig absurdesten romantischen Szenen der Filmgeschichte, wenn Il-sun Young-goon in einem Heizungskeller, umgeben von riesigen Rohren, ein Gerät in den Rücken einsetzt. Die fast schon spielend kindliche Szene, zeigt einmal mehr welch eine Wirkung erzielt werden kann, wenn man die Leiden ernst nimmt und sich dem Wahn der Person in gewissem Grade hingibt. So scheint Il-sun der einzige zu sein, der Young-goons Unwillen zu Essen nicht als das Problem ansieht, sondern als Symptom. Indem er sich auf die eigentliche Probleme einlässt, gelingt es ihm Hilfe zu leisten.
    Jung bietet dabei durchgehend eine eindrucksvolle Debütleistung.

    © 2018 Capelight Pictures


    Park inszeniert bewusst das Leben in der Psychiatrie heller, fröhlicher und vor allem lebendiger, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Damit unterstreicht er einmal mehr den surrealen Stil, den er für seine Komödie gewählt hat. Gemeinsam mit seinem Stammkameramann Chung Chung-hoon beweist der Regisseur einmal mehr, welch immense visuelle Kraft er entfalten kann. Dabei stechen nicht nur einzelne Bilder heraus, sondern, wie beispielsweise die Szene im Heizungsraum, ganze Sequenzen. Ähnlich wie schon in Oldboy, als er Hauptdarsteller Choi Min-sik sich ohne szenischen Schnitt durch einen ganzen Flur voll mit Widersachern kämpfen ließ, erreicht ein Vergeltungsschlag von Young-goon gegen die Weißkittel, in einem spektakulär aus der Vogelperspektive gefilmten One-Shot seinen Höhepunkt. Aber nicht nur visuell hinterlassen einige Szenen einen nachhaltigen Eindruck, sondern auch emotional. Ob es Young-goons erster richtiger Versuch zu Essen ist, oder das wunderschöne Finale, Park weiß auch erzählerisch zu berühren.

    Begleitet werden die beeindruckenden Augenblicke einmal mehr von Jo Yeong-wooks traumhaften Kompositionen. Auch wenn die Melodien nicht ganz an die Wirkung von seinen Arbeiten an Oldboy, Lady Vengeance oder Die Taschendiebin heranreichen, so hinterlassen sie dennoch einen bleibenden Eindruck.

    © 2018 Capelight Pictures


    Doch bei all dem Lob und der philosophischen Wucht von I'm a Cyborg, But That's OK schleichen sich dennoch Schwächen ein. So ist gerade der Mittelteil etwas langatmig geworden, da man nicht genau weiß, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Die anfänglichen absurd genialen Einfälle können spätestens nach 30 bis 40 Minuten nicht mehr allein die Aufmerksamkeit an die Handlung binden. Dazu kommt mit Youngs gewöhnungsbedürftigem Äußeren durch ihr falsches Gebiss, die blonden Augenbrauen und der wuchernden Frisur eine optisch etwas herausfordernde Hauptfigur, was den Zugang zusätzlich erschwert.
    Durch die etwas befremdlichen Wege, die Park einschlägt, ist I'm a Cyborg, But That's OK schwer zu greifen. Wer es dennoch schafft, sich den skurrilen Ideen des Regisseurs hinzugeben, der erfährt hier eine beeindruckende Reise. Für alle anderen ist es schwer dem Film zu folgen.

    Fazit


    Park Chan-wook gelingt es mit I'm a Cyborg, But That's OK einmal mehr ein optisch berauschendes Werk abzuliefern. Der Spagat zwischen Komödie und Tragödie erschwert durch den befremdlichen Stil des Regisseurs den Zugang merklich. Wer sich auf den amüsanten, surrealen und philosophischen Trip einlassen kann, der wird mit dem humorvollen Drama allerdings verzaubert.


    8/10

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    Infos
    Originaltitel:
    싸이보그지만 괜찮아 (Ssaibogeujiman Gwaenchanha) / I'm a Cyborg, But That's Ok
    Land:
    Südkorea
    Jahr:
    2006
    Studio/Verleih:
    CJ Entertainment / Capelight Pictures
    Regie:
    Park Chan-wook
    Produzent(en):
    Park Chan-wook, Lee Tae-hun, Lee Chun-yeong, Miky Lee, June Lee
    Drehbuch:
    Park Chan-wook, Jeong Seo-kyeong
    Kamera:
    Chung Chung-hoon
    Musik:
    Jo Yeong-wook
    Genre:
    Drama, Komödie
    Darsteller:
    Lim Soo-jung, Jung Ji-hoon
    Inhalt:
    "I'm a Cyborg, But That's OK" dreht sich um eine junge Frau, die nach jahrelanger stumpfer Arbeit in einer Fabrik zu der Überzeugung kommt, dass sie ein Cyborg ist. Folglich meint sie, dass Essen und Trinken für sie als Energiequelle nicht mehr von Nöten sind. Die Einweisung in eine psychiatrische Klinik ist somit fast schon unausweichlich. Dort versucht ein kleptomanischer Patient, der die Störungen der Insassen stiehlt, die jungen Frau vor dem Hungertod zu bewahren.
    Start (DE):
    17.01.2008
    Laufzeit:
    105 Minuten
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Links
    Webseite:
    http://www.capelight.de/im-a-cyborg-but-thats-ok

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