Übersicht
Einleitung
Das Genre des Tierhorrorfilms wird überflutet von zahlreichen qualitativ extrem schwachen Günstigproduktionen. Dennoch finden hin und wieder auch ordentlich produzierte Werke ihren Weg ins Kino. Doch liegt mit The Shallows der letzte Kinobeitrag in Deutschland mittlerweile auch drei Jahre zurück. Mit Crawl bleibt man dem Wasser treu, auch wenn es dieses Mal Alligatoren sind, die ihr Unwesen treiben. Für die Inszenierung konnte Alexandre Aja verpflichtet werden, der neben einigen eindrucksvollen Horrorfilmen auch den überaus unterhaltsamen Piranha 3D verantwortete. Darüber hinaus steht Tanz der Teufel-Schöpfer Sam Raimi als Produzent hinter Crawl.
Im Zentrum von Crawl steht eine junge Frau, die nach einem Hurrikan mit ihrem Vater in einem überfluteten Haus gefangen ist. Doch ist ihr größtes Problem ihre ergänzende Gesellschaft: Alligatoren
Als Vater-Tochter-Gespann konnten Kaya Scodelario (Fluch der Karibik: Salazars Rache) und Barry Pepper (The Green Mile) verpflichtet werden.

© 2019 Paramount Pictures
Kritik
Fans von Tierhorrorfilmen können sich leider nicht allzu häufig über hochwertig produzierte Werke freuen. Crawl gehört glücklicherweise aber genau dazu. Bereits in den ersten Minuten wird deutlich, dass man sich optisch auf für Genreverhältnisse hohem Niveau bewegt. Regisseur Alexandre Aja gehört nach eindrucksvollen Werken wie High Tension oder dem Remake von Wes Cravens The Hills Have Eyes aber auch fraglos zu den talentiertesten Filmemachern seines Fachs. Nach dem Tierhorrorspaß Piranha 3D kehrte er zwar wieder zu bedrohlichen Raubtieren zurück, allerdings kommt Crawl gänzlich ohne Humor aus. Und den braucht er eigentlich auch nicht. Denn gerade zu Beginn kreiert Aja eine wunderbar bedrohliche Atmosphäre. Ob es der Hurrikan ist oder die beengten Räumlichkeiten unter dem Haus sind, in denen die Protagonistin Haley ihren Vater sucht, Aja erschafft eine unheilvolle Stimmung, noch bevor der erste Alligator ins Bild tritt. Aber auch der lässt nicht lange auf sich warten. Mit einem gekonnten Jump Scare, und eine Handvoll gelungener sollen noch folgen, wird relativ zeitig das größte Problem, was Haley und ihr verwundeter Vater unter dem Haus zu bewältigen haben, offenbart. Auch wenn es Aja verpasst dem Zuschauer ein ungefähre Orientierung unter dem Haus zu ermöglichen, so schießt die Spannung spürbar schnell in die Höhe. Die durchweg hervorragend animierten und erstklassig in Szene gesetzten Alligatoren unterstützen den mitreißenden Eindruck.
Leider deklassiert sich Crawl im weiteren Verlauf durch einige nicht nachvollziehbare Handlungen der Protagonisten, die sich mit dem Voranschreiten des Films weiter häufen, und zahlreichen fragwürdigen Gegebenheiten selbst. Wenn sich Haley beispielsweise aus einem geschützten Bereich begibt, sich währenddessen aber lautstark mit ihrem Vater unterhält, beraubt es der Situation nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern, was noch viel schlimmer ist, an Bedrohlichkeit. Mit diesem Augenblick beginnen sich solch fragwürdige Handlungen zu mehren. Aber auch das kaum vorhandene Schmerzempfinden der Hauptfiguren nagt spürbar am Sehvergnügen. Wenn eine der Personen nach Bissen eines ausgewachsenen Alligators in Bein, Arm und Schulter noch munter durch die Gegend schwimmt und sich mit beiden Armen in einer reißenden Strömung noch festhalten kann, dann kann der Zuschauer das Gesehene nur noch schwer ernstnehmen. Natürlich kann man einiges mit dem vorhandenen Adrenalinschub erklären, doch auch der stößt irgendwann an seine Grenzen.

© 2019 Paramount Pictures
Trotz der haarsträubenden Logiklöcher gelingt es Aja durchweg Szenenhighlights zu bieten. Immer wieder werden mit gelungenen Kameraeinstellungen und kleinen Einzelsituationen starke Augenblicke geboten. Und auch der Gore-Gehalt kann sich durchaus sehen lassen. Zwar werden hier keine Blutfluten geboten, wie noch in Piranha, doch können die Gewaltmomente durchaus schockieren. Generell sind die kleinen eingeschobenen und vor allem hervorragend inszenierten Jagdszenen der Alligatoren großartige Szenen, die den Unterhaltungswert deutlich steigern.
Grundsätzlich kann man dem Werk vor allem visuell keine Vorwürfe machen. Aja findet immer wieder eindrucksvolle Motive und die bereits erwähnten Effekte wissen zu überzeugen (mit Ausnahme einer Spinnnenszene, die aber dennoch unangenehm ist).
Auch darstellerisch ist Crawl souverän gespielt. Kaya Scodelario und Barry Pepper harmonieren gut und wissen den Film zu tragen.
Dennoch ziehen die teils sinnentleerten Handlungen wie dramaturgischen Entscheidungen dem Film ebenso den Boden unter den Füßen weg, wie die fast vollständige Abwesenheit des Schmerzempfindens der Protagonisten. Unabhängig von dem dadurch entstehenden Kopfschütteln des Zuschauers, ist das größte Problem daran, dass die eigentlich bedrohliche Atmosphäre fast vollständig abhanden kommt.

© 2019 Paramount Pictures
Fazit
Obwohl Crawl visuell durchweg stark ist und mit einigen eindrucksvollen Szenenhighlights überzeugen kann, funktioniert das Werk im Gesamtbild dank zahlreicher realitätsferner dramaturgischer Entscheidungen nur spärlich.
5/10










Zweitmeinung
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