Übersicht
Einleitung
'DC Comics' und 'Warner' haben es nach wie vor nicht leicht, von der breiten Masse und vor allem von den Kritikern akzeptiert zu werden. Das DCEU ist fürs erste gescheitert und so hat man sich in der obersten Etage dazu entschieden, neue Wege zu gehen und den Comichelden erstmal einzelne Abenteuer zu spendieren, ohne die ganz großen Geschütze aufzufahren. Ob der Joker dabei den richtigen Weg einschlägt?

Kritik
Während ein R-rating lange Zeit als wirtschaftliches Risiko eher gemieden, mit "Deadpool" und "Logan" aber das Gegenteil bewiesen wurde, müssen sich 'Warner' und 'DC' aber ausgerechnet bei der Konkurrenz bedanken. Denn ohne diese Filme wäre man wohl niemals das Wagnis eingegangen, einen harten Joker zu drehen, der dieser faszinierenden und völlig verrückten Figur aber nur gerecht wird. Denn eines ist von der ersten Sekunde an völlig klar: Joker bricht mit allen anderen Comicverfilmungen und präsentiert sich nahezu als Arthouse-Movie im Superheldengewand.
Wer hier ein Actionfeuerwerk erwartet, wird bitter enttäuscht werden. Regisseur Todd Phillips, der bisher eher Komödien wie "Hangover" oder "Road Trip" gedreht hat, legt den Fokus voll und ganz auf den größten Widersacher Batmans und geht Wege, die im Vorfeld so nicht zu erwarten waren. Dass der Film mit dem Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig ausgezeichnet wurde, ließ schon mal aufhorchen. Eine Comicverfilmung, die gegen andere anspruchsvolle Werke in Venedig antritt? Und dann auch noch den ersten Platz belegt und somit als Sieger hervorgeht? Spätestens jetzt sollte jedem klar sein, um was für eine Art von Film es sich beim Joker handelt.
Schon die erste Einstellung lässt erahnen, welche Richtung hier eingeschlagen wird. Und nach einer weiteren kurzen Szene spricht dann der Joker. Er erzählt von seinem Befinden – und das in einem sehr ruhigen, nachdenklichen Ton, die Kamera bewegt sich dabei fast überhaupt nicht. Und genau dieser Grundtenor wird sich in den nächsten gut 120 Minuten auch nicht mehr ändern. Todd Phillips nimmt den Fuß vom Gaspedal und zeichnet eine Charakterstudie auf die Leinwand, bei der die Hauptfigur dem Zuschauer näher gebracht wird und man die Beweggründe sogar nachvollziehen kann, auch wenn man die Entwicklung mitsamt der grausamen Taten nicht unbedingt gutheißen muss. Als Beobachter fühlt man dennoch eine gewisse Empathie, die den meisten Figuren in Gotham aber leider abhanden gekommen ist. Und doch ist es lediglich ein Spiegelbild der Gesellschaft, das selbst heute noch omnipräsent zu sein scheint. Wir leben in einer Welt aus Egoismen und es tut gut, wenn ein Film zum Nachdenken anregt und eben diese Dinge unterschwellig anspricht. Einzig die Glorifizierung des Jokers kommt etwas plötzlich daher, weil der Film sich so sehr auf seine Hauptfigur konzentriert, dass er das Drumherum und somit das große Ganze ein klein wenig zu viel vernachlässigt.
Natürlich funktioniert ein Drama nur, wenn die Figuren genug Background spendiert bekommen und man die Hintergründe erfährt. Es ist klar, dass hierfür der Joker ein wenig entmystifiziert werden muss, Details der Vorlage hinzugedichtet werden und es einen neuen Interpretationsansatz gibt. Aber all diese Dinge sind nicht störend, im Gegenteil: Sie machen das Geschehen greifbarer. Christopher Nolan ist ein ähnliches Kunststück gelungen, jedoch in einer anderen Form und mit einer völlig anderen Art von Film. Die beiden Werke "The Dark Knight" und Joker unterscheiden sich in Gänze, selbst die Darstellung des Jokers ist ein komplett neuer Ansatz.
Joaquin Phoenix verleiht dem Antagonisten genau die Tiefe und Emotionen, die nötig sind – und mehr noch: Während Jared Letos Joker in "Suicide Squad" eher so wirkte, als würde ein durchgeknallter Drogendealer dem Joker nachahmen, hat man bei Phoenix durchgehend das Gefühl, diesmal den echten Joker zu Gesicht zu bekommen. Und seine ausgeleuchtete Hintergrundgeschichte stört zu keinem Zeitpunkt; sie ist sogar sehr spannend, weil man selbst nicht weiß, worauf der Film letztendlich hinaus will und welche Wege die Geschichte beschreiten wird. Todd Phillips spielt mit den Erwartungen der Zuschauer, streut hier und da noch einen Mini-Twist ein und erschafft äußerst unterhaltsame zwei Stunden, in denen die Stimmung, die der Film vermittelt, ständig aufs Gemüt drückt. Der Score des Isländers Hildur Guðnadóttir ("Chernobyl") untermalt das Geschehen nahezu perfekt, ohne sich jedoch in den Vordergrund drängen zu wollen. Und die bedrückende Atmosphäre sowie die realistische Entwicklung sorgen dann für den letzten Punch in die Magengrube, wenn es expliziter wird und der Joker seine wahre Fratze zeigen darf. Aber auch hier bleibt der Film eher zurückhaltend. Ja, die Kamera hält drauf und ja, eine Handvoll Szenen sind ziemlich brutal. Aber das geschieht bis auf eine Ausnahme nie zum Selbstzweck und in einem sehr geringen Ausmaß. Dennoch sitzt der Schock jedesmal tief und erzeugt dabei eine Stille im Kinosaal, bei der man sogar das Atmen des Sitznachbarn hören dürfte.

Fazit
Es ist interessant zu sehen, welches Resultat die Kinos erreicht, bei all der Skeptik, die im Vorfeld herrschte. Aber es verdient höchsten Respekt, dass Joker in dieser Form produziert wurde. Wohin der Weg von 'DC' und 'Warner' als nächstes geht, steht vor allem nach dem bunten Trailer zu "Birds of Prey" in den Sternen. Eines lässt sich aber sicher sagen: Joker wird einige Fans enttäuschen – und zwar diejenigen, die mit anderen, ja fast schon falschen Erwartungen in den Film rennen werden, dann aber ein Arthouse-Drama mit einer tollen Kameraarbeit vor die Nase gesetzt bekommen, das sie vielleicht sogar überfordern wird. Wir hingegen können nur hoffen, dass sich künftige Projekte am Joker orientieren und sie sich dadurch vom Einheitsbrei abheben. Verdient hätten es wir alle: die Zuschauer, die Studios und die Comicfiguren, die nur darauf warten, angemessen auf der großen Leinwand präsentiert zu werden.
9/10










- Text von patri-x
35.036 mal gelesen
KingKong -
Killing Joke: Man nehme krass gefilmter Realismus, inspiriert von den sozialkritischen US-Filmen der 70er Jahre, paare diesen mit einer düsteren Comicwelt, wodurch der Realismus wieder bis ins Abstrakte hinein überspitzt wird, schütte eine kleine Dosis Realitätsrelativismus hinzu, in Form einer Brise „Fight Club“ und einer Messerspitze „Birdman“, und heraus kommt der Film „Joker“ mit Joaquin Phoenix, ein Film also, mit genügen Erkennungsmerkmalen, dass er es tatsächlich schafft, die Massen ins Kino zu locken. Zugegeben: ein mutiger Film. Zugegeben: keine gängige Hollywood-Mainstream-Ware, sondern viel eher ein Film, den man durchaus auch im Arthouse-Bereich verorten könnte; der ohne aufzufallen auch ausschließlich in lediglich ausgewählten Programmkinos laufen könnte, und nur eine Handvoll cult-followers zu begeistern wüsste, denen es selbst so vorkommt, als seien sie die einzigen Menschen auf der Welt, die im Stande sind, den Film in seiner ganzen Tiefe zu verstehen. Könnte durchaus sein, dass das immer noch so ist. Könnte durchaus sein, dass dieser Film nur deshalb die Massen ins Kino lockt, weil er gerade irgendwie „in“, en vogue, also angesagt ist, oder was sonst die Gründe sein mögen, weshalb etwas plötzlich überraschend im Mainstream funktioniert. Ohne Frage: es ist ein sehenswerter Film, gerade weil er das, was man in einem Comicfilm erwartet, eben nicht bedient. Allerdings bleibt, zumindest bei mir, dennoch ein fader Beigeschmack zurück. Denn der Mainstream hat es schon immer verstanden, sich genau anzusehen, was im Underground so entstanden ist, d.h. Unterhalb des Radars der Leute mit durchschnittlichen Geschmäckern, dies aufzugreifen, sich gezielt seiner Erkennungsmerkmale zu bedienen, diese einem breiten Publikum zugänglich, also Publik zu machen, es anschließend kommerziell bis zum Erbrechen auszuschlachten, es so immer weiter zu verwässern, es, wenn es schließlich keinen Menschen mehr interessiert, wieder auszuspucken und am Ende nichts weiter als ein oberflächliches Klischee zu hinterlassen, von dem jeder „irgendwie mal was von gehört hat“. Nichtsdestotrotz lohnt sich hier ein Kinobesuch allemal. Der Film ist zu empfehlen. Wie aber die Langzeitwirkung des Erfolgs des Films aussehen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Aber hoffen wir einfach mal, dass eine weitere kommerzielle Ausschlachtung des innovativen Arthouse-Genres, zumindest so, wie es oben beschrieben wurde, ausbleiben wird.