Dem Horizont so nah

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

  • Einleitung


    Jaja, wir sind ein wenig spät dran mit einer Kritik zu Dem Horizont so nah, doch wir möchten sie euch auf keinen Fall vorenthalten. Das Drama wird als Romanze beworben, die eher das junge Publikum anspricht, bietet jedoch so viel mehr, dass wir euch gerne darauf aufmerksam machen möchten. Wir sprechen über den Film, vergleichen ihn mit der Buchvorlage (Immerhin ein Bestseller mit über 300.000 verkauften Einheiten) und gehen etwas näher auf die Geschichte ein, die wirklich ein Schlag in die Magengrube ist.

    Kritik


    Sommer 1999: An ihrem 18. Geburtstag geht Jessica mit ihren Freundinnen auf den Rummel, hat eine Begegnung mit Danny und es scheinen die Funken zu sprühen. Er jedoch möchte sich nicht auf Jessica einlassen, da er in einer Beziehung keinen Sinn sehe. „Mein Leben ist in Wirklichkeit eine richtige Katastrophe – und wenn du schlau bist, dann läufst du einfach ganz schnell weg.“ Doch Jessica möchte davon nichts wissen und entwickelt immer mehr Gefühle für den Kampfsportler und das Model, der sie zum Essen ausführt, Eichendorff zitiert und ein wahrer Gentleman ist. Doch nach und nach muss sie erkennen, dass Danny etwas verbirgt. Narben auf seinem Rücken, die Distanz, die er zwischen ihnen aufbaut. Im Gespräch erzählt ihr Danny schließlich, dass er HIV-positiv ist. Trotzdem bleibt Jessica bei ihm und es entwickelt sich eine außergewöhnliche Liebesgeschichte, die nicht nur zum Scheitern verurteilt ist, sondern auf ihrem Weg noch einige Schicksalsschläge bereithält.




    Dem Horizont so nah klingt im ersten Moment nach einem normalen Liebesfilm, auch der Trailer suggeriert, dass er nicht viel mehr ist, als eine einfache Nicholas Sparks Imitation, doch der Film nach einem Roman von Jessica Koch basiert nicht nur auf einer wahren Geschichte, sondern behandelt auch, trotz ruhigem Erzählstil, einige drastische Themen. Was das Paar durchmachen muss und wie Danny zu seiner HIV-Infektion gekommen ist, ist nur sehr schwer zu verdauen, denn
    Spoiler anzeigen
    Danny wurde im Alter von elf Jahren von seinem Vater nicht nur brutal misshandelt, sondern auch über Jahre vergewaltigt, wodurch er zu seiner Erkrankung und dem gestörten Verhältnis zur Nähe kam.
    Die Szene, in der Danny Jessica über seine Vergangenheit und Krankheit aufklärt ist so intensiv, mit keinerlei Sound unterlegt und hervorragend gespielt, dass sie direkt unter die Haut geht.

    Natürlich darf der romantische Teil hier nicht fehlen. Dieser ist den ganzen Film über präsent, wirkt aber nicht so aufgesetzt wie in vielen anderen Genrevertretern. Nicht nur das Schicksal ist gegen diese Liebe, sondern auch Familie und Freunde von Jessica. Besonders in der ersten Hälfte des Films wird sich hierfür sehr viel Zeit genommen.

    Dass der Film streckenweise an Dramatik kaum zu übertreffen ist, macht das Zusehen in einigen Passagen sehr schwer und man fragt sich, wie böse das Leben mit nur einem Menschen spielen kann. Danny ist ein so tragischer Charakter, der jedoch nie seinen Lebensmut verliert, bis zu einem einschneidenden Ereignis nach gut zwei Dritteln des Films. Tina, seine beste Freundin und Mitbewohnerin, hat ähnliches wie er erlebt und sich mit Drogen und Prostitution gerettet, Danny half ihr aus dem Sumpf heraus. Als
    Spoiler anzeigen
    ihr Vater wegen guter Führung aus dem Gefängnis kommt, greift sie wieder zu Drogen und stirbt sie an verunreinigten Heroin.
    Nach diesem Moment ist für Danny nichts mehr so, wie es war und der Film nimmt eine Wendung, die man als Zuschauer zwar erwartet hat, jedoch nicht den Weg dahin.

    Dass das Gefühl von bedingungsloser Liebe, der Tragik rund um die Themen Krankheit, Drogen und Verlust so gut zur Geltung kommt, ist nicht zuletzt den hervorragenden Schauspielern zu verdanken. Luna Wedler ("Das schönste Mädchen der Welt"), der schöne Shootingstar aus der Schweiz, spielt Jessica nicht, sie ist Jessica. Sie spielt ihre Rolle so überzeugend, dass man zu jeder Sekunde mit ihr mitfiebert und mitfühlt. Jannik Schümann ("LenaLove", "Die Mitte der Welt", "Charité") als Danny ist ein absoluter Glücksgriff. Für diese Rolle hat der 27-jährige alles gegeben, sechs Monate trainiert und seine Ernährung komplett umgestellt, doch auch abgesehen von seinem blendenden Äußeren überzeugt er besonders in den dramatischen Szenen. Wenn er Jessica von seiner Vergangenheit erzählt, dürfte kein Auge trocken bleiben, großartig gespielt und 1:1 aus dem Buch übernommen.

    Luise Befort ("Der Club der roten Bänder") spielt Tina, Dannys Mitbewohnerin. Die beiden verbindet eine besondere Beziehung. Anfangs ist sie nur schwer zu greifen, doch nach und nach wird immer klarer, welches Band die beiden zusammenschweißt. Ihr Charakter ist vielschichtig und Befort spielt ihn unglaublich überzeugend. Der tragische Charakter hat jedoch in der Buchvorlage viel mehr Spielraum, zehn Minuten mehr Spielzeit hätten ihrem Charakter noch mehr Tiefe verleihen können. Dennoch spielt sie Tina sehr authentisch.

    Die Nebenrollen sind mit Frederick Lau, Denis Moschitto, Victoria Mayer und Stephan Kampwirth ebenfalls gut besetzt und haben allesamt ihre Momente. So freut es, dass besonders den Eltern mehr Raum gelassen wird als noch im Roman. Insgesamt gibt es mehr Szenen, die abseits des Dreiergespanns spielen, als in der Buchvorlage, was die ernste Thematik hier und da ein wenig auffrischen kann.

    Die Reise in die USA gegen Ende des Films bietet auch noch einige hochdramatische Szenen, die jedoch so nicht im Buch vorgekommen sind. Hier hat sich der Film von Tim Trachte einige Freiheiten genommen und es passt vollkommen, bevor es zum etwas übereilten Finale kommt. Im Vorfeld wurde das Ende kritisiert, das vielen zu überhastet vorkam, doch es ist genau so wie im Buch. Es kommt mit einem Schlag ins Gesicht. In zwei Vorstellungen sind spätestens bei der letzten Szene die Dämme bei (fast) allen Zuschauern gebrochen.

    Für eine rein deutsche Produktion ist der Film ausgesprochen schön gefilmt, hat tolle Szenenbilder und Schauplätze, bietet zudem einen erstklassigen Score von Michael Kamm, der in ruhigen Momenten dezent plaziert ist oder einfach komplett weggelassen wurde, aber immer passt und die Szene perfekt untermalt. Der Film bietet unter anderem mit "Close your Eyes" von Rhodes, "Civilian" von Why Oak und "I Want To Know What Love Is" von Foreigner ebenfalls einen tollen Soundtrack, der jedoch in manchen Momenten etwas zu laut und lang ausgefallen ist und die Szenen etwas überschattet.

    Der Film regt zum nachdenken an, da er zeigt, was wirklich wichtig im Leben ist. Dennoch fehlen im Abspann einige Information, die das Ende des Buches hergibt. Mit dem HI-Virus kann man heutzutage leben, Kinder bekommen und sogar alt werden, jedoch sind Therapien und Medikamente dafür notwendig. Das war Ende der 90er Jahre, in denen der Film spielt, noch Wunschdenken. Eine Aufklärung für die Zuschauer, die nun einmal zum großen Teil aus jüngeren Menschen besteht, wäre hier wünschenswert gewesen.



    Fazit


    Dem Horizont so nah ist ein hochdramatischer Film, der mit seiner ruhigen Erzählweise und der ernsten Thematik so viel mehr ist, als eine einfache Romanze mit ein bisschen Drama. Es ist ein Film, der zeigt, wie schlimm das Leben mit einem spielen kann, ohne dass man den Mut verlieren muss. Es ist ein Film über eine bedingungslose Liebe, der jedoch einige heikle Themen aufgreift und zeitweise schwer zu verdauen ist, aber nicht frei von Klischees ist. Zwar wurden im Film viele Dinge geändert, weggelassen oder gekürzt, dennoch fängt er hervorragend den Sinn des Romans ein und ist somit eine Empfehlung für jeden, der mit diesem Genre etwas anfangen kann, ob Kenner des Buches oder nicht… oder einfach an alle, die mal wieder zwei Stunden eine Achterbahn der Gefühle erleben möchten.

    7,5/10
    :stern: :stern: :stern: :stern: :stern: :stern: :stern: :halbstern: :stern2: :stern2:
    Infos
    Originaltitel:
    Dem Horizont so nah
    Land:
    Deutschland
    Jahr:
    2019
    Studio/Verleih:
    Studiocanal Deutschland
    Regie:
    Tim Trachte
    Produzent(en):
    STUDIOCANAL Film, Pantaleon Films, SevenPictures Film
    Drehbuch:
    Ariane Schröder nach einer Romanvorlage von Jessica Koch
    Kamera:
    Fabian Rösler
    Musik:
    Michael Kamm
    Genre:
    Drama, Liebesfilm
    Darsteller:
    Luna Wedler
    Jannik Schümann
    Luise Befort
    Frederick Lau
    Denis Moschitto
    Victoria Mayer
    Stephan Kampwirth
    Inhalt:
    Jessica (18) ist jung, liebt das Leben und hat Aussichten auf eine vielversprechende Zukunft, als sie sich eines Tages Hals über Kopf in Danny (20) verliebt. Er ist gutaussehend, charmant und selbstbewusst, doch hinter der perfekten Fassade liegt ein dunkles Geheimnis. Jessica muss einsehen, dass es die gemeinsame Zukunft, von der sie geträumt hat, so nicht geben wird, aber eins ist für sie klar: Sie glaubt an diese Liebe und an Danny und sie wird für ihn und diese Liebe kämpfen, denn es kommt nicht darauf an, wie lange man geliebt hat, sondern wie tief.
    Start (DE):
    10. Oktober 2019
    Start (USA):
    -
    Laufzeit:
    113 Minuten
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Links
    Webseite:
    http://www.studiocanal.de/kino/dem_horizont_so_nah

    32.043 mal gelesen