Übersicht
Einleitung
In Übersee erschien der neue Film von "Carol" und "Vergiftete Wahrheit"-Regisseur Todd Haynes direkt auf 'Netflix', während ihm hierzulande ein Kinostart spendiert wird. Wie in seinen vorherigen Filmen und Serien, widmet sich der Kalifornier erneut einem ernsten Thema, welches leider einen jeden Menschen betreffen könnte.
In den 90er Jahren war die Affäre der damals 36-jährigen Gracie (Julianne Moore) und des 13-jährigen Joe (Charles Melton) ein handfester Skandal und ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Mehr als 20 Jahre später führen die Beiden ein scheinbar perfektes Vorstadtleben mit netter Nachbarschaft, gepflegtem Garten und drei fast erwachsenen Kindern. Doch ihr häusliches Glück wird gestört, als die berühmte und beliebte Hollywood-Schauspielerin Elizabeth (Natalie Portman) ankommt, um vor Ort für ihre bevorstehende Hauptrolle in einem Film über Gracie zu recherchieren. Während Elizabeth sich in das Alltagsleben von Gracie und Joe einschleicht, kommen die schmerzlichen Fakten der damaligen Ereignisse ans Licht und lassen verschüttete Gefühle wieder aufleben.
Kritik
Durch die Augen der Schauspielerin Elizabeth, dargestellt von Natalie Portman, bekommen wir die skurrile Lebenssituation der ehemaligen Lehrerin Gracie, dargestellt von Julianne Moore, präsentiert, welche in ihren Lehrjahren eine Beziehung zu einem ihrer minderjährigen Schüler anfing und diesen später heiratete und nun mit ihm eine Beziehung im gemeinsamen Heim führt. Dies soll verfilmt werden und Elizabeth verbringt einige Tage mit der ungewöhnlichen Familie um sich ein Bild für ihre Rolle als Gracie zu machen.
Dass hier einiges im Argen liegt, ist von Beginn an spürbar und mit jeder weiteren Minute Laufzeit, kann das Publikum immer mehr hinter die fröhliche Fassade von Gracie blicken und erahnen, was damals in ihrer eigenen Kindheit geschehen sein muss, um eine solche Situation überhaupt erst entstehen zu lassen. Gerade Julianne Moore spielt ihre Rolle hervorragend und kann mit kleinsten Nuancen einiges vermitteln. So wird ein einfaches Familienessen samt eingeladener Schauspielerin schnell zum ungewollten Seelenstriptease, ohne dass dabei viele Worte verloren werden müssen. May December geht hier meist äußerst feinfühlig vor, stürzt sich nie auf die Tatsachen, die zwischen den Zeilen erzählt werden und lässt diese dort zur freien Interpretation - auch wenn die meisten recht eindeutig sind.
Doch leider geht der Titel an anderer Stelle dann doch zu stark in diverse Klischees, gerade eines zu Beginn des letzten Drittels ist wohl das offensichtlichste und wird in solch einer Thematik fast schon als Standard vorausgesetzt. Das ist schade, denn May December hat dies eigentlich nicht nötig, da er eigentlich mit einer gelungenen Erzählung punkten kann und sich nicht auf solche Dinge einlassen müsste. An dieser Stelle kommt dann auch die Frage auf, ob der Film nicht mit einer kürzeren Laufzeit besser gewesen wäre - ohne diese Szene. Und auch ohne den Leerlauf, der sich zuweilen einzuschleichen vermag, während May December grundsätzlich schon eine langsame Erzählart aufweist.
Fazit
So bleibt am Ende ein durchaus sehenswerter Film, der sich hier und da allerdings dann doch gerne mal in Nebensächlichkeiten und Klischees verstrickt, welche das Gesamtbild etwas hinunterziehen und es dem Titel schwerer machen, als er es eigentlich hätte haben müssen.
6,5/10
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