Übersicht
Einleitung
Ende der 60er lebte der Ausdruck der freien Liebe wieder auf und wurde zum Slogan einer sexuellen Revolution. Dass die Verfilmung des ersten Romans der Emmanuelle-Reihe von Emmanuelle Arsan (ein Pseudonym von Marayat Rollet-Andriane) in den frühen 70ern, die auf Themen wie Eifersucht, Monogamie, und sexuelle Tabus einen kritischen Blick wirft und dabei sehr offen wie positiv mit dem einvernehmlichen Ausleben von Sexualität umgeht, ein großer Erfolg werden würde, war dann fast schon eine logische Konsequenz. Es entstand am Ende eine Filmreihe mit ganzen 13 Fortsetzungen. Wenig verwunderlich gehört so das Emmanuelle-Franchise zu den wegweisendsten Erotikfilmen der Filmgeschichte. Nun wurde die Reihe wiederbelebt. Dafür holte man sich nicht nur mit der Französin Noémie Merlant ("Porträt einer jungen Frau in Flammen") eine vielgelobte Darstellerin für die Titelrolle ins Boot, auch die Regisseurin lässt auf eine vielschichte Adaption des Stoffes hoffen. Audrey Diwan konnte vor allem mit ihrem Filmdrama "Das Ereignis", der in Deutschland das „Prädikat besonders wertvoll“ erhielt, bei einigen internationalen Preisverleihung als Gewinner hervortreten.
In der Neuauflage begibt sich die Titelfigur auf eine Geschäftsreise nach Hongkong, wo sie ihren mit neuen Erfahrungen und sinnlichen Abenteuern in Berührung kommt.
Neben Merlant sind unter anderem noch Naomie Watts ("King Kong"), Will Sharpe ("Sherlock"), Jamie Campbell Bower ("Stranger Things") und Isabella Wei ("1899") zu sehen.

© 2025 Leonine
Kritik
Bereits mit der Eingangssequenz stellt Regisseurin und Drehbuchautorin Audrey Diwan die Weichen für den weiteren Verlauf des Films, bei dem gerade Kennern des Originals deutlich wird, dass man in der Neuverfilmung von Emmanuelle inszenatorisch wie inhaltlich andere Wege gehen wird. Im Angesicht der mehreren Jahrzehnte, die zwischen den Filmen liegen und dem sich logischerweise wandelnden Blick auf Sexualität, der über die Zeitspanne geschah, war das nicht nur klar, sondern auch unausweichlich, um dem Stoff eine gewisse zeitgemäße Relevanz zu verleihen. Ästhetisch ohne Frage, dennoch deutlich dezenter und feinfühliger setzt Diwan so die berühmte Flugzeugtoilettensequenz in Szene. Ein spannender Ansatz, dem man aber im weiteren Verlauf nur bedingt folgen kann. Das liegt vor allem daran, dass man durch die interessanten dramaturgischen Türen, die man immer wieder aufmacht, nur zu selten hindurchschreitet. Zwar werden immer wieder Gedankenanstöße geliefert, den Mut, mit einer klaren Haltung damit umzugehen, beweist das Werk allerdings nahezu nie wirklich. Viel lieber watet man ziellos um die Themen herum, scheut sich vor selbstbestimmten Rollenbilder, wodurch ein sicherer Umgang mit Sexualität nicht gefördert wird. Wenn sich dann noch wenig überzeugende Schauspielleistungen dazugesellen, wirkt das Gesehene, von unsicherer Hand geführt. Gerade Hauptdarstellerin Noémie Merlant, die unter anderem in dem fantastischen "Porträt einer jungen Frau in Flammen" bereits zeigte, dass sie ihr Handwerk durchaus beherrscht, enttäuscht mit einem überraschend unsicheren Auftreten, was erheblich an der Faszination ihrer Figur nagt. Wo beispielsweise eine Sharon Stone in den 90ern in "Basic Instinct" mit einer überwältigenden Selbstverständlichkeit bewies, welch eine Macht das weibliche Geschlecht über Männer haben kann, wirkt Merlant teilweise schon mitleiderregend verloren in dieser Welt von unverbindlichen Bekanntschaften – und das in keiner emotional vielschichtigen Art und Weise. Viel mehr wird Emmanuelle dadurch als Frau unnötig degradiert und das Frauenbild auch wenig positiv gestärkt. Verstärkt wird dies noch durch einen komplett fehlbesetzten Will Sharpe, der auf Emmanuelle eine einnehmende Faszination ausüben soll, die aber durch seine uncharismatische ebenfalls wenig selbstbewusste Darstellung in keinem Augenblick nachzuvollziehen ist. So erscheint Emmanuelle erschreckend mickrig, wenn sie dem fast schon lächerlich auf mysteriös getrimmten Sharpe hinterherschmachtet.
Der eher in einer Nebenrolle auftretende Jamie Campbell Bower wirkt dann sogar noch kontraproduktiv, obwohl er darstellerisch der einzige Lichtblick in diesem Werk ist. In seinen wenigen Auftritten zeigt Bower auf, wie man gekonnt Charisma entfalten kann, sodass Scharpe nur noch weniger überzeugend wirkt.
Zumindest ästhetisch kann Diwan überzeugen. Das Luxushotel in der Metropole Hongkong weiß sie stets visuell einnehmend einzufangen. Die teils endlosen Gänge, die durchstilisierten Zimmer mit ihren beeindruckenden Ausblicken auf die Stadt, all das fängt die Filmemacherin auf eine stets atmosphärische Weise ein, sodass sie zumindest hier ihrem eingangs etablierten Ton treu bleibt. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass die Regisseurin und Drehbuchautorin stets mit angezogener Handbremse fährt. So richtig in Schwung mag das Werk dadurch nie kommen, sodass sich auch die visuelle Ästhetik zu schnell abnutzt. Die gefühlte Mutlosigkeit bei Inszenierung wie Dramaturgie verleiht Emmanuelle dadurch noch einen weichgespülten Touch, der dem Ganzen leider eine gewisse Belanglosigkeit zuspricht.

© 2025 Leonine
Fazit
Was ein spannender und vielschichtiger neuer Blick auf Sexualität hätte werden können, verkommt zu einem wenig selbstbewussten und mutlosen filmischen Auftritt der Neuinterpretation von Emmanuelle, der weder darstellerisch noch dramaturgisch zu überzeugen weiß. Eine emotionale Vielschichtigkeit wird dabei viel zu oft bereits begraben, bevor sie überhaupt zum Tragen kommen kann. Neben wenigen durchaus interessanten Türen, die geöffnet werden und ein wenig zum Nachdenken anregen, kann Audrey Diwans Werk lediglich visuell überzeugen.
4/10










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