Übersicht
Einleitung
In einer Zeit, in der Disneys Live Action Remakes eine nahezu sichere Bank am Box Office waren, stach ein Titel wenig überraschend besonders hervor, denn für viele gilt das Zeichentrickoriginal als der beste Zeichentrickfilm aus dem Hause von Walt Disney: "Der König der Löwen". So kam am Ende der Kinoauswertung des Remakes weltweit ein Einspielergebnis von sensationellen 1,6 Milliarden Dollar zustande, was zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten machte. Wenig verwunderlich wollte man hier noch einmal ansetzen. Anstatt aber ein Remake der direkt für den Heimkinomarkt produzierten Zeichentrickfortsetzung auf den Weg zu schicken, entschied man eine noch unbekannte Geschichte zu erzählen: die von Simbas Vater Mufasa und seines Onkels Scar.
Darin offenbart der weise Affe Rafiki der jungen Kiara, Tochter von Simba und Nala (Protagonistin von Teil 2 des Zeichentrickklassikers), wie aus Mufasa unerwartet der so respektierte König wurde. Denn Mufasa war einst ein verwaistes Junges, das auf sich allein gestellt war, bis er einen sympathischen Löwen namens Taka trifft – den Erben einer königlichen Blutlinie. Das zufällige Treffen setzt die ausgedehnte Reise einer außergewöhnlichen Gruppe von Außenseitern auf der Suche nach ihrem Schicksal in Gang, bei der sie sich einem tödlichen Feind stellen müssen.
Oscarpreisträger Barry Jenkins ("Moonlight") inszenierte Mufasa: Der König der Löwen nach einem Drehbuch von Jeff Nathanson, der bereits für das Drehbuch des Vorgängers verantwortlich war.

© 2024 Disney
Kritik
Das Unterfangen die Vorgeschichte der überlebensgroßen Figuren Mufasa und Scar zu erzählen, war im Grunde von vornherein zu Scheitern verurteilt, da man den immensen Erwartungen niemals gerecht werden konnte. Schließlich bildet Mufasa nahezu das Idealbild eines Königs sowie Vaters und sein Bruder Scar gehört bis heute zu den stärksten Bösewichten der Filmgeschichte. Und doch gelingt es am Ende mit Mufasa: Der König der Löwen eine überraschend gelungene Ergänzung zum "Der König der Löwen"-Mythos – sofern man seine Erwartungshaltung etwas zurückschraubt. Denn Regisseur Barry Jenkins zaubert hier nicht nur tolle Bilder auf die Leinwand, sondern erzählt auch die berührende Geschichte von zwei Brüdern, deren Entwicklung am Ende nicht unterschiedlicher hätte sein können. Gleichzeitig gelingt es Jenkins dabei auch noch wundervolle kleine Verbeugungen vor den Zeichentrickfilmen – ja, Mehrzahl - zu integrieren. Denn nicht nur gibt es reichlich Bezüge auf den Kinomeilenstein (und auch dementsprechend auf das Live Action Remake), sondern auch auf den viel unterschätzten zweiten Zeichentrickfilm sowie dem leichtfüßigen dritten Teil. Beginnend mit dem kurzen, aber so treffend gewählten und im gleichen Zuge berührenden Offtext von Mufasas verstorbenen Originalsprecher James Earl Jones, dessen einnehmende Stimme in den Originalversionen des Zeichentrickklassikers wie dem Live Action Remake aus dem Jahr 2019 der Figur eine ganz besondere Note verlieh, bis hin zu Kamerafahrten und -einstellungen, die einige Schlüsselmomente des gefeierten Originals gelungen wieder aufleben lassen. Jenkins gelingt es diese Augenblick gekonnt einzuweben, sodass sie das Gesehene stets bereichern und nie wie billige Nostalgie-Effekte wirken. Fast schon den Höhepunkt dazu liefert aber Komponist Dave Metzger ("Wish"), der die ikonischen, oscarprämierten Melodien von Hans Zimmer nicht einfach kopierte, sondern sie geschickt in seine eigenen, starken Kompositionen einarbeitete und sie im gleichen Zuge ein wenig neuinterpretierte. In Zusammenarbeit mit Lebo M., der das prägende Intro von „Der ewige Kreis“ sang und in allen Sprachversionen zu hören war, erschuf Metzger so einige tolle Musikstücke und setzte genau zu den richtigen Zeitpunkten die Melodien von Zimmer ein, mit denen er dann noch einmal für besondere Gänsehaut sorgt. Ein Unterfangen, was alles andere als leicht ist und woran beispielsweise sein Kollege Harry Gregson-Williams bei "Gladiator II" ein paar Wochen vorher scheiterte.
Abgesehen von den Bezügen zu den Originalen reichert Jenkins sein Prequel aber ebenso mit einigen schönen neuen Ideen an. So werden Mufasas außergewöhnliche Fähigkeiten als König und Vater hervorragend mit seiner Stellung in seinem neuen Rudel erklärt. Als Außenseiter in ein unbekanntes Rudel aufgenommen, in dem er vom Anführer nicht anerkannt wird und so dazu verdonnert wird, mit den Weibchen zu leben und nicht mit den hochnäsigen wie faulen Männchen, ermöglicht ihm zu lernen, wie man jagt, Fährten aufnimmt, Gefahren erkennt und alle Seiten des Löwendaseins zu erleben. Erfahrungen, die ihm in den kommenden Jahren zu großem Respekt verhelfen sollen.
Beliebte Figuren wie Rafiki, Zazu oder Sarabi werden ebenfalls auf schlüssige und vor allem schöne Weise integriert und erhalten noch ein wenig mehr Hintergrundgeschichte, die ihre Figuren in Der König der Löwen wahrlich bereichern. Besonders das Verhältnis zwischen Rafiki und Mufasa bekommt so noch einmal eine neue Tiefe. Ähnlich gut gelöst haben die Verantwortlichen am Ende dann auch, wie Taka zu seinem ikonischen Namen Scar kommt.
Selbst beim neuen Bösewicht hat man mit Kiros eine schön beängstigende Figur zum Leben erweckt. Sein komplett weißes Erscheinungsbild sowie seine massige Statur entfalten definitiv ihre Wirkung. Wenn dann im Original noch Mads Mikkelsens ("Hannibal") Stimme ertönt, läuft es einem durchaus mal kalt den Rücken hinunter, denn der dänische Schauspieler verleiht der Figur eine faszinierende Düsternis, wenn auch seine Figur charakterlich relativ blass bleibt.

© 2024 Disney
Aber auch technisch kann man Mufasa: Der König der Löwen absolut nichts vorwerfen. Die Effekte sind teilweise atemberaubend detailreich, in den Panoramen kann man sich trotz Computergeneration teilweise verlieren und die Actionszenen sind häufig mit verspielten Kameraeinstellungen garniert, sodass sie eine fantastische Dynamik entwickelt. Aber generell lässt sich Regisseur Jenkins immer wieder großartige Bildkompositionen einfallen, sodass das Zuschauen immer wieder ein Genuss ist.
Was hingegen Mufasa: Der König der Löwen immer wieder den Boden unter den Füßen wegreißt, sind die merklich erzwungenen Einschübe von den Publikumslieblingen Timon und Pumbaa. Zwar wird damit teils mit angenehm bissigen Metakommentaren dem dritte Zeichentrickfilm Tribut gezollt, aber wirklich organisch fühlen sich diese Einschübe nicht an. Viel mehr reißen sie einen immer wieder aus dem Geschehen, um der eigentlich berührenden Geschichte ein paar Lacher zu ermöglichen. Allerdings hätte dahingehend der herrlich quirlige Zazu völlig ausgereicht, dessen Herkunft hier ebenfalls auf schöne Weise im Abenteuer von Mufasa integriert wird.
Und der andere große Schwachpunkt des Dinsey-Films sind die belanglosen wenig eingängigen, fast schon ein wenig unfreiwillig komischen Songs von Lin-Manuel Miranda ("Encanto"). Ihm gelingt es hier nicht einen Song auf die Beine zu stellen, der auf positive Weise im Gedächtnis bleibt, geschweige denn den selbst heute noch fantastischen Songs von Elton John aus dem Zeichentrick-Meilenstein von 1994 das Wasser reicht. Ja, selbst der zweite Teil bot mit Titeln wie „Wir sind eins“, „Verbannung“, „Upendi“ oder dem starken „Er lebt in dir“ einige äußerst kraftvolle Titel. Miranda hingegen verpasst es hier bei wirklich jedem Song Akzente zu setzen. Selbst, wenn hin und wieder gute Ansätze zu erkennen sind, werden diese von merkwürdigen stilistischen Entscheidungen untergraben, die sich leider dann auch noch meist in den Refrains wiederfinden.
Grundsätzlich ist Mufasa: Der König der Löwen eine überraschend schöne Ergänzung zum "Der König der Löwen"-Mythos, auch wenn er seinen beiden Hauptfiguren (natürlich) nicht ganz gerecht werden kann. Auf diesem Niveau kann es aber gerne weitergehen, sofern man bei den Songs wieder kreativer vorgeht. Damit hat man das Prequel leider unnötig degradiert.

© 2024 Disney
Fazit
Barry Jenkins' Prequel Mufasa: Der König der Löwen erweitert in vielen Punkten die Vorlage um einige gelungene Einfälle, wenn auch die beiden Hauptfiguren etwas entmystifiziert werden und man ihnen vor allem nicht gänzlich gerecht wird. Dennoch ist das Werk ein berührendes wie temporeiches Abenteuer geworden, dem man technisch absolut keinen Vorwurf machen kann. Lediglich die schwachen Songs sowie die unpassenden Einschübe von Timon und Pumbaa werten das Werk spürbar ab.
7/10










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