Speak No Evil (Remake, Special)

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  • KURZINHALT


    Kurzversion:

    Eine amerikanische Familie möchte ein erholsames Wochenende im Landhaus ihrer britischen Freunde verbringen, die sie kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hat. Doch was als traumhafter Kurztrip geplant war, gerät schon bald in Schieflage und wird zu einem verstörenden Albtraum. Mit SPEAK NO EVIL gelingt Regisseur und Drehbuchautor James Watkins (Eden Lake) ein meisterhafter Balanceakt zwischen Thriller und Horror.




    Langversion:


    Eine amerikanische Familie möchte ein erholsames Wochenende im Landhaus ihrer britischen Freunde verbringen, die sie kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hat. Doch was als traumhafter Kurztrip geplant war, gerät schon bald in Schieflage und wird zu einem verstörenden Albtraum.

    Mit SPEAK NO EVIL gelingt Regisseur und Drehbuchautor James Watkins (Eden Lake) ein meisterhafter Balanceakt zwischen Thriller und Horror.

    SPEAK NO EVIL ist eine nervenaufreibende psychologische Achterbahnfahrt aus dem Hause Blumhouse Productions (The Black Phone, Get Out, Der Unsichtbare), die dem Publikum mit einer Fülle überraschender Wendungen ein ums andere Mal den Atem stocken lässt. BAFTA Preisträger James McAvoy (Split, Glass) begeistert mit seiner fesselnden Darstellung als charismatischer Gastgeber Paddy, dessen Gastfreundschaft von einem perfiden Geheimnis überschattet wird. Mackenzie Davis (Halt and Catch Fire) und SAG-Preisträger Scoot McNairy (Argo) schlüpfen in die Rolle des amerikanischen Ehepaares Louise und Ben Dalton, die gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter Agnes (Alix West Lefler, The Good Nurse) der Einladung von Paddy und seiner Frau Ciara (Aisling Franciosi, Die letzte Fahrt der Demeter) folgen. Newcomer Dan Hough verkörpert Ant, den geheimnisvollen stummen Sohn von Paddy und Ciara. Weitere Darsteller sind Kris Hitchen (Sorry We Missed You), Motaz Malhees (The Journey of the Others) und Jakob Højlev Jørgensen (Die Jagd).

    Geschrieben und inszeniert wurde SPEAK NO EVIL von James Watkins, Drehbuchautor und Regisseur des Horror-Thrillers Eden Lake sowie der preisgekrönten düsteren Geistergeschichte Die Frau in Schwarz. Watkins’ Drehbuch ist eine Adaption des Skripts zur dänischen Horrorsensation Speak No Evil (Original: Gæsterne) von Christian Tafdrup und Mads Tafdrup aus dem Jahr 2022.

    Produziert wurde SPEAK NO EVIL von Jason Blum (Five Nights at Freddy’s, M3GAN) für Blumhouse und Paul Ritchie (McMafia, Slumdog Millionär). Die ausführende Produktion übernahmen Beatriz Sequeira (Der Unsichtbare) für Blumhouse sowie Jacob Jarek (Holy Spider) und Christian Tafdrup. Die Co-Produzenten waren Jon Romano und Jennifer Scudder Trent.

    Hinter der Kamera stand Tim Maurice-Jones (Die Frau in Schwarz, Black Mirror), für das Produktionsdesign zeichnete Oscar®-Gewinner James Price (Poor Things, The Iron Claw) verantwortlich. Den Schnitt übernahm der Oscar®-nominierte Editor Jon Harris (127 Hours, Kingsman: The Secret Service). Die Musik stammt vom Emmy-nominierten Team Danny Bensi (Fear the Walking Dead, Ozark) und Saunder Juriaans (Fear the Walking Dead, Ozark). Lucy Bright (Tár, The Iron Claw) wirkte als Music Supervisor mit. Für das Casting waren Terri Taylor (Five Nights at Freddy’s, M3GAN), Ally Conover (M3GAN, The Black Phone) und Heather Basten (Dreaming Whilst Black, Queen Cleopatra) zuständig. Das Kostümdesign stammt von Keith Madden (Die Frau in Schwarz, Patrick Melrose), das Haar- und Make-Up-Design von Nicole Stafford (The Death of Stalin, 45 Years). Als Stuntkoordinator fungierte Jimmy O’Dee (A Haunting in Venice, Belfast). SFX Supervisor war Steve Paton (Cash Truck, Liaison).




    ÜBER DIE PRODUKTION


    Die Hintergrundgeschichte


    Mit neuen Perspektiven auf paranormale Phänomene und alle nur erdenklichen Formen des Bösen begeistern die Filme von Blumhouse seit fast zwei Jahrzehnten das Publikum – und ängstigen es zugleich zu Tode. Darüber hinaus hat die Filmproduktionsgesellschaft den Horizont des Horrorgenres mit Filmen erweitert, die die Spannungsfelder und Routinen des alltäglichen Lebens auf provokante, hochaktuelle und bisweilen bösartig-komische Weise in den Mittelpunkt stellen: etwa mit Get Out, Jordan Peeles genial abgedrehter Fabel über den Rassismus in Amerika, oder auch der brachialen Gesellschaftssatire der The Purge-Reihe. Nun präsentiert Drehbuchautor und Regisseur James Watkins eine verquere Interpretation eines britischen Konversationsstücks, in der der Ausflug einer Familie aufs Land zu neuen Freunden auf schreckliche Weise schiefgeht. Der Trip entwickelt sich von einer unangenehmen sozialen Erfahrung, die ihre Vorstellungen von Höflichkeit infrage stellt, zu einem schockierenden Albtraum, in dem die Familienmitglieder alle Regeln des Anstands aufgeben und um ihr Überleben kämpfen müssen.

    SPEAK NO EVIL basiert auf dem Drehbuch des dänischen Thrillers Gæsterne („Die Gäste“) aus dem Jahr 2022. „Vor ein paar Jahren rief mich ein Manager von Universal an. Er hatte gerade einen Film auf dem Sundance Festival gesehen, der ihm extrem unter die Haut ging“, erzählt Produzent Jason Blum. „Ich freue mich immer, wenn mich die Leute anrufen, wenn sie etwas Beunruhigendes gesehen haben. Nach dem Motto: ‚Hey, wenn es dir den Tag verdirbt, dann lass es mich wissen!‘. Also besorgte ich mir den Film – und ich war überwältigt. Immer wieder hauten mich die unerwarteten Wendungen um, und als er zu Ende war, bekam ich ihn nicht mehr aus dem Kopf. Ich war sicher, dass eine englischsprachige Neuinterpretation in den richtigen Händen ein sehr einprägsamer, sehr aufwühlender, sehr besonderer Film sein könnte.“

    Dafür brauchte es allerdings den passenden Filmemacher. Da Blum ein großer Fan der Filme Eden Lake und Die Frau in Schwarz war, hielt er Watkins für die ideale Besetzung. Und er behielt Recht. Als Watkins den dänischen Film sah, fühlte er sich sofort mit dem Stoff verbunden und sah in einer Adaption großes Potenzial. „Ich mochte die raffinierte und glaubhafte Grundidee: Menschen, die im Urlaub sind, stellen den Verlauf ihres Lebens infrage und freunden sich mit einem Paar an, von dem sie glauben, dass es die Antworten kennt“, sagt Watkins. „Der Film hat mich auch auf thematischer Ebene überzeugt. Er zeigt auf, wie die moderne Gesellschaft uns mit Regeln fesselt – und wie wir versuchen, diese Regeln zu umgehen.“

    Es war also genau die Art von Film, die Watkins’ Intellekt und Fantasie beflügelte. „Ich habe meine Karriere mit einem Horror-Thriller namens Eden Lake begonnen“, sagt Watkins. „Man könnte ihn vielleicht als ‚sozialen Horror‘ bezeichnen, dabei geht es um Generationenkonflikte, Klassenängste und Gewaltzyklen in der Gesellschaft. Ich wollte zu dieser Überschneidung zwischen Genre und Ideen zurückkehren. Diese Geschichte hat genau diese Art intelligenter Unterhaltung ermöglicht.“

    Watkins’ Drehbuch fand bei den Produzenten nicht nur auf filmischer Ebene Anklang. „James hat ein großartiges Gespür für Geschichten und Erzählweisen“, sagt Produzent Paul Ritchie, der mit Watkins schon vor fast 20 Jahren bei Eden Lake zusammengearbeitet hat. „Er kennt die Figuren in- und auswendig. Sein perfektes Gefühl für Timing und sein Verständnis für die Wahrnehmung des Publikums machen ihn zum idealen Regisseur für einen Film dieser Art.“ Watkins’ Drehbuch nutzt die universelle, alltägliche Glaubwürdigkeit der Geschichte. „James war die perfekte Wahl, um SPEAK NO EVIL zu schreiben und zu inszenieren. Er ist hervorragend darin, geerdete Horrorgeschichten zu erzählen, die im Prinzip jedem passieren können“, sagt die ausführende Produzentin Beatriz Sequeira, die die Produktion des Films im Auftrag von Blumhouse betreute. „Wir alle waren große Fans von Eden Lake und sehr beeindruckt von seiner Fähigkeit, Beziehungen zwischen den Charakteren zu entwickeln und selbst die unschuldigsten häuslichen Szenen wie die angespannteste Situation zu gestalten, in der man sich jemals befunden hat. Als ich James’ Drehbuch zum ersten Mal las, erinnerte ich mich an diese Freunde, die ich im Urlaub auf den Fidschi-Inseln getroffen hatte. Sie stammten aus Neuseeland, wo sie auf einer Rinderfarm lebten. Ich dachte immer, es würde sicher Spaß machen, sie dort zu besuchen und sie besser kennenzulernen. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, war mein erster Gedanke, dass ich das wohl lieber bleiben lassen sollte. So sehr hat es mich verängstigt.“

    Im Mittelpunkt von Watkins’ Drehbuch stehen Ben und Louise Dalton, Amerikaner, die in England leben, die beide mit Identitätskrisen zu kämpfen haben und sich immer weiter voneinander entfernen. Obwohl es ihnen finanziell gut geht, sind sie unglücklich. Dennoch halten sie an ihrer schwierigen Ehe fest, um ihre Tochter Agnes gemeinsam großzuziehen, ein ängstliches Mädchen, das keinen Schritt ohne das inoffizielle vierte Familienmitglied „Hoppy“ tut, ihr Kuscheltier und „Trosthäschen“.

    Das triste Leben der Daltons nimmt eine Wendung, als sie im Urlaub in der Toskana Paddy, eine bodenständige, charismatische Naturgewalt, seine liebevolle Frau Ciara und ihren Sohn Ant kennenlernen. Ben und Louise sind von Paddys aufgeschlossenen Persönlichkeit und Ciaras Herzlichkeit bezaubert. Als die Freundschaft zwischen den Familien aufblüht, beginnen die Daltons (und vor allem Ben), ihre freizügigen neuen Freunde als mögliche Vorbilder zu sehen, durch die ihre Ehe gerettet werden könnte.

    Und so kommt es, dass Paddy und Ciara die Daltons wenige Wochen später zu einem langen Aufenthalt auf ihrer Farm in der englischen Provinz einladen. Ben überredet Louise, das Angebot anzunehmen. Bens Meinung nach „könnte das gut für uns sein“, so erklärt er ihr. Es könnte im wahrsten Sinne des Wortes ein frischer Wind sein. Das raue Leben auf dem Land – jagen, wandern, Landarbeit verrichten – könnte ihnen die Chance bieten, den Kopf freizubekommen und neu zu starten. Und für Ben bietet sich dadurch die Chance, in eine andere Rolle zu schlüpfen und eine Art supermaskuline, extrem freiheitsorientierte Fantasie auszuleben. Doch auf Paddys und Ciaras abgelegenem Landhaus, weit weg von allem und jedem, den sie kennen, stellen Ben, Louise und Agnes fest, dass die neuen Freunde im Urlaub ganz anders sind als zu Hause – und dass Paddys Interesse an Ben, Louise und Agnes niemals freundlicher Natur war.

    „Die Daltons, allen voran Ben, sind niedergeschlagen. Oder zumindest entspricht ihr Alltag nicht diesem perfekten Hochglanz-Lebensentwurf, der ihnen tagtäglich durch die sozialen Medien vermittelt wird“, erklärt Watkins. „Früher nannte man so etwas ‚Wohlstandskrankheit‘: Daran leiden Menschen, die viele materielle Dinge besitzen, aber trotzdem mit seelischen Problemen zu kämpfen haben. Ben hat es besonders schwer. Er hat das Gefühl, dass er seine besten Jahre hinter sich hat und auf dem Abstellgleis gelandet ist. Er weiß nicht, wie er sich in der modernen Welt und ihren neuen Normen zurechtfinden soll. Paddy eröffnet Ben eine neue Perspektive, durch die er sich fragt, ob es eine bessere Art zu leben gibt. Doch als sie auf die Farm kommen, wo Ben seine Fantasien der ländlichen Autonomie auszuleben hofft, laufen die Dinge nicht ganz so, wie sie es sich vorgestellt haben. Der Film wird zu einer Art Moralgeschichte zum Thema Privilegien. Pass auf, was du dir wünschst, und überlege gut, ob du deine Sicherheit und deinen Komfort wirklich hinter dir lassen und dein animalisches Selbst wiederfinden willst, nur weil du dich von ‚gesellschaftlichen Normen‘ eingeengt fühlst. Du denkst vielleicht, dass du dich nach Gefahr sehnst. Aber wenn es wirklich gefährlich wird – weißt du dann überhaupt, wie du reagieren solltest?“

    An Bens Figur werden viele der Identitätskonflikte des Films offensichtlich. Doch das eigentliche Zentrum der Geschichte ist die Figur, die sich zunächst als Lösung für diese Konflikte präsentiert: In Paddy sah Watkins eine Möglichkeit, das Problem toxischer Männlichkeit und den Aufstieg selbstverliebter Demagogen zu kommentieren. „Ich wollte eine moderne Identitätskrise ausloten, dieses Gefühl der Entrechtung, das Menschen – vor allem Männer – für falsche Vorbilder wie Paddy empfänglich macht. Solche vermeintlichen Mentoren lehnen alle Regeln ab und versprechen, ‚die Kontrolle zurückzuerobern‘, sie weisen Konventionen und Höflichkeit zugunsten einer gewissen Vorstellung von ‚Authentizität‘ zurück“, so Watkins. „Mein Ziel war es, dass das Publikum ebenso wie Ben und Louise ein Stück weit in Paddys Bann gerät. Ben hat zwar Schwächen, aber er ist auf keinen Fall ein Extremist oder ein Spinner. Ich wollte zeigen, wie leicht es für solch einen ‚normalen‘ Mann ist, seinem Traum auf den Leim zu gehen und damit mitschuldig zu werden an dem Chaos, das er verursacht. Wie Paddy sagt, als Ben und Louise ihn fragen, warum er ihnen das antut, was er tut: ‚Weil ihr es zulasst‘.“

    Obwohl SPEAK NO EVIL viele der Themen von Gæsterne aufgreift, weicht der Film in vielen Punkten vom Original ab, angefangen bei den kulturellen Hintergründen der Hauptfiguren. Die Protagonisten sind keine Dänen, sondern Amerikaner, die Bösewichte keine Niederländer, sondern Engländer. „Ich wollte keine abgedroschene amerikanische Horrorgeschichte drehen“, sagt Watkins. „Man kennt das: New Yorker besuchen ihre ‚bodenständigen‘ neuen Freunde in West Virginia und fühlen sich sehr unwohl dabei... Ich spürte, dass es einen sehr britischen Blickwinkel auf die Charakterisierung und den Humor gab, bei dem ich mehr Genauigkeit und Ehrlichkeit einbringen konnte, um die Dinge näher an der Realität auszurichten und der Satire mehr Biss zu verleihen.“

    Durch das Aufeinandertreffen von einem amerikanischen Paar aus der Großstadt mit modernen Werten und einem britischen Paar vom Land mit eher traditionellen Ansichten gelang es Watkins, die Spannung zu steigern und die Daltons (und damit auch das Publikum) dazu zu bringen, ihre Sichtweise auf das Verhalten von Paddy und Ciara zu hinterfragen. „Der kulturelle Zusammenstoß trägt zur Verwirrung bei, die der Film in Bezug auf Umgangsformen, konkurrierende oder sich ändernde Normen und die Art und Weise auslöst, wie wir soziale Signale deuten“, sagt Watkins. „Sind Paddy und Ciara für Ben und Louise wirklich verrückt oder sind sie einfach nur ein wenig schrullige englische Exzentriker? Ist ihr Haus absichtlich im „Shabby Chic“-Stil gehalten oder tatsächlich einfach heruntergekommen? Besonders ironisch ist auch, dass der Film die Stereotypen von Briten und Amerikanern auf den Kopf stellt. Oft werden die Briten als etwas verklemmt dargestellt und die Amerikaner als direkter und offener. Das war schon immer ein simples Klischee. Es gab schon immer einen bestimmten britischen Typus wie Paddy, der sehr offen ist, und einen bestimmten amerikanischen Typus, der ziemlich verklemmt ist. Und es gibt eine Form des britischen Humors, der sich daran erfreut, das Unaussprechliche auszusprechen – Dinge, die Amerikaner niemals sagen würden. In jedem Fall hatte ich das Gefühl, dass all diese
    grenzüberschreitenden Reibereien eine wichtige Zutat für den Eintopf der sozialen Ängste sein könnten, den ich kochen wollte.“

    Die andere entscheidende Änderung, die Watkins vornahm, war ein neuer dritter Akt, der den Konflikt zwischen Paddy und der Familie Dalton auf eine völlig andere Weise löst. „Ich liebte diesen nihilistischen Schlag ins Gesicht im dritten Akt von Christians Film. Aber ich sah eine Möglichkeit, die Entscheidungen und die Handlungsfähigkeit der Hauptfiguren noch weiter auszuleuchten“, sagt Watkins. „Was tun sie, wenn die Maske der Höflichkeit fällt? Lassen sich die Regeln der Gesellschaft sowohl als Stärke als auch als Schwäche darstellen: Könnten wir von der Höflichkeit als Falle zur Höflichkeit als Mittel zur Flucht gelangen? Und wenn der Konflikt offen ausbricht, was dann? Im wirklichen Leben sind nur sehr wenige von uns in der Lage, mit Konflikten umzugehen, mit offener Aggression. Was also tun normale Menschen in dieser anormalen Situation? An welchem Punkt überwinden deine ursprünglichen Bedürfnisse die gesellschaftlichen Fesseln? An welchem Punkt legen Ben und Louise ihre Zurückhaltung ab, schlagen zurück oder fliehen? Können Ben und Louise Paddys Weltanschauung letztendlich widerlegen?“

    Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen trug dazu bei, den Daltons einige Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben, ohne die naturalistische Härte und den gesellschaftspolitischen Biss des Films zu unterwandern. „Ich wollte meinen Figuren mehr Handlungsspielraum geben, aber ich wollte nicht, dass sie plötzlich zu Action-Helden werden“, so Watkins. „Ich hasse es, wenn ‚normale Menschen‘ im dritten Akt plötzlich anfangen, sich wie Navy-Seal-Ninjas zu verhalten. Ich will, dass die Dinge unruhig, chaotisch und angsterfüllt bleiben. Ich stelle ganz bewusst festgefahrene Geschlechterstereotypen infrage: Louise sollte im letzten Akt mehr Eigeninitiative zeigen, sogar noch mehr Alphatier sein als Ben. Und ich wollte, dass die eingeführten Charaktereigenschaften auf den Prüfstand kommen. Ich wollte, dass Ben sich mit der falschen Vorstellung von Männlichkeit auseinandersetzen muss, die Paddy ihm aufzwingt, also der Stärke des Höhlenmenschen und der Schwäche des modernen, ‚liberalen‘ Mannes. Und ich wollte noch tiefer in verschiedene Themen einsteigen, etwa toxische Männlichkeit und Gewalt, die über Generationen hinweg immer weiter geht.“

    Als Watkins seine Vision weiter ausarbeitete und mit der Produktion begann, fand er weitere Inspiration in den Filmen der renommierten Filmemacher Michael Haneke und Ruben Östlund sowie in Mike Nichols’ Film Die Reifeprüfung, Sam Peckinpahs Wer Gewalt sät, John Boormans Beim Sterben ist jeder der Erste und Mike Whites Emmy-gekrönter Serie The White Lotus. „In meinem Kopf war SPEAK NO EVIL immer ein psychologischer Thriller mit einem grauenhaften Kern“, sagt Watkins. „Diese subtile Unterscheidung ist wichtig für meinen Handlungsansatz. Die Spannung ergibt sich hoffentlich aus der psychologischen Auseinandersetzung mit den einzelnen Figuren und ihrer Interaktion in einem modernen
    sozialen Umfeld. Alle Filme, die diesem Ansatz folgen, tragen die Schichten des ‚zivilisierten‘Lebens ab, um die Machtkämpfe der sozialen Interaktion zu offenbaren und sich mit der kaum unterdrückten Wut zu beschäftigen, die höflich lächelnde Menschen füreinander empfinden. The White Lotus hat das kürzlich auf brillante Weise getan. Ich liebe den Mix aus Drama und Komödie in Mike Whites Werk, wie seine Szenen zwischen diesen beiden Genres hin- und herschwanken und wie er die Schrecken jeder sozialen Interaktion zwischen den Figuren herausarbeitet.“

    Nach Fertigstellung des Drehbuchs nahm die Produktion von SPEAK NO EVIL im Jahr 2023 schnell Fahrt auf, als sich der Streik der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA am Horizont abzeichnete. „Es war ein ziemlich schneller Start vom Lesen des Drehbuchs bis zum Beginn der Produktion“, berichtet Produzent Paul Ritchie. „James ist ein fantastischer Partner und Zuhörer, alle fühlen sich als Teil des Ganzen. Im Laufe der Jahre haben wir ein starkes Vertrauensverhältnis zueinander entwickelt. Das ist ein sehr wertvolles Gut. Wir hatten das Glück, an Projekten zu arbeiten, bei denen die Chemie der von uns zusammengestellten Teams zur Verbesserung unserer Arbeit beigetragen hat. So entstand eine erfolgreiche Basis, von der aus wir uns weiterentwickeln konnten. Unsere ersten Diskussionen drehten sich darum, wie wir dem Film unseren Stil des Filmemachens einhauchen konnten. Die Besetzung und die Drehorte waren für diese Vision entscheidend.“




    Die Figuren


    James McAvoy ist Paddy

    Paddy stellt sich als ehemaliger Arzt aus der Großstadt vor, als „echter Mann“ der alten Schule, mit einer Vorliebe für Fleisch und einer klaren Meinung zu so ziemlich allem. Den überheblichen „woken“ Liberalismus und überdrehtes Karrieredenken lehnt er ab und führt stattdessen mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn ein einfaches, freies Leben in der ländlichen Abgeschiedenheit Englands. Doch wie sich herausstellt, verschleiert Paddys Aussteiger-Individualismus dunkle Schatten von Ressentiments und Begehrlichkeiten, die schließlich an die Oberfläche drängen.

    Die Rolle des psychologisch abgründigen Paddy bot Regisseur James Watkins James McAvoy an. Der gefeierte schottische Bühnen- und Filmschauspieler ist bekannt für seine Rolle des telepathisch veranlagten Superhelden Charles Xavier in der X-Men-Filmreihe und für seine Darstellung des psychisch kranken Kevin Wendell Crumb in den Blumhouse- Blockbustern Split und Glass. „Paddy muss uns faszinieren und gleichzeitig in Angst und Schrecken versetzen – und James weiß, wie man diesen Spagat hinbekommt“, sagt Watkins. „Ich habe ihn in Drecksau gesehen und war fasziniert: Er spielt eine fürchterliche Figur, aber James schafft es, uns trotzdem irgendwie für ihn zu begeistern. Ein weniger talentierter Schauspieler hätte das nicht leisten können. James ist aber nicht nur ein Filmstar, sondern auch ein brillanter Bühnenschauspieler. Bei der Vorbereitung auf die Rolle des Paddy nutzte er nicht nur seine eigenen Erfahrungen, sondern schöpfte auch aus einem reichen Fundus klassischer Werke: Jago, Richard III., Mephistopheles. Ich glaube nicht, dass irgendjemand sonst auf der Welt Paddy so gut hätte spielen können wie James. Sein Verständnis für den psychologischen und emotionalen Spielraum, für die Darstellung winziger Verschiebungen auf einer emotionalen Skala, ist unübertroffen. Er war der erste und einzige Schauspieler, den ich angesprochen habe.“

    McAvoy war sofort interessiert. „Blumhouse hat schon viele Filme gemacht. Bekannt sind sie aber vor allem für das Horrorgenre, und darin sind sie außergewöhnlich gut“, so der Schauspieler. „Als ich das Drehbuch gelesen habe, hat es mich nach der dritten Seite nicht mehr losgelassen. Die Charaktere fühlen sich wie echte Menschen an und das Skript basiert auf Dingen, die wir aus der realen Welt kennen. Der Film spielt ständig mit der Frage, was akzeptabel ist und was nicht, und mit den Risiken, die wir eingehen, wenn wir uns mit entwürdigendem Verhalten oder unwürdigen Bedingungen abfinden, weil wir nicht glauben, dass wir etwas Besseres verdient haben. Oder nicht glauben, dass die Dinge verbessert werden können – oder weil wir einfach nicht mehr wissen, wie wir über diese Dinge denken oder sprechen sollen.“

    An der Figur des Paddy faszinierten McAvoy seine vielen Facetten und Ebenen, vor allem aber die Tatsache, dass er eine rückwärtsgewandte Männlichkeit verkörpert. „Paddy steht für eine ältere, traditionsbewusste Auffassung von Männlichkeit“, sagt McAvoy. „James Watkins und ich haben uns auf diesen Aspekt konzentriert, als wir Paddy und seine Bedeutung für die Geschichte und die Kultur herausgearbeitet haben, um ihm eine mythische Kraft mit zeitgemäßer Relevanz zu verleihen. Er ist ein Mann, der einer uralten Vorstellung von Männlichkeit verpflichtet ist, auf dem Land lebt und sich von dem ernährt, was die Natur ihm gibt. Oder zumindest denkt man das. Es wirkt alles so harmonisch und naturverbunden. Aber wir reden hier über das alte England, in dem es Dunkelheit gibt. Es liegt eine Geschichte von Gewalt, Blutvergießen und anderen schrecklichen Dingen unter all dem Schmutz verborgen. Also steckt das Böse auch in dieser urwüchsigen Männlichkeit, die Paddy so romantisch verklärt anpreist.“

    McAvoy entdeckte zusätzliche Facetten in der Rolle, während er und seine Co-Darstellerin Aisling Franciosi sich gemeinsam mit Watkins daran machten, die Beziehung zwischen Paddy und seiner Frau Ciara auszugestalten. „Paddy und Ciara sind ein verrücktes Paar, vielleicht sogar buchstäblich, mit unaussprechlichen Neigungen. Die Daltons – Ben und in geringerem Maße auch Louise – sehen in ihnen zunächst einen Hoffnungsschimmer in ihrem verlorenen Leben und in ihrer angeschlagenen Ehe. Das deutete auf einen Teil der Wahrheit über Paddy und Ciara hin, der schon im Drehbuch steht, den wir bei den Proben und am Set aber noch weiter herausgearbeitet haben: Ja, sie sind in vielerlei Hinsicht verabscheuungswürdig. Aber sie lieben sich, und ihre Liebe ist echt und hat sogar etwas Heilsames an sich. Es gibt also die Bösen, die sich wirklich lieben, und die Guten, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr wissen, wie sie ihre Liebe ausleben oder zum Ausdruck bringen können, weil sie Probleme in ihrer Beziehung haben oder weil die moderne Gesellschaft sie daran zweifeln lässt, dass Liebe überhaupt funktioniert. Diese Themen zu erkennen und weiterzuentwickeln, hat für spannende Zusammenhänge und Konflikte gesorgt.“

    McAvoy erklärt, dass es ein Vergnügen war, Paddy zu verkörpern, da dessen provokante und starke Persönlichkeit eine reizvolle Herausforderung darstellte. Dabei war er immer darauf bedacht, den richtigen Ton für die Figur zu finden. „Paddy ist unglaublich unterhaltsam und stellt ständig etwas dar“, so McAvoy. „Man muss aber aufpassen, wenn man eine solche Figur spielt, denn es gerät schnell zu einer Show, die zwar für das Publikum sehr wirkungsvoll sein kann, jedoch nicht unbedingt viel Authentisches in sich trägt. Wir haben immer darauf hingearbeitet, der Figur eine reale Geschichte, eine Motivation und Sehnsüchte zu geben, und dass die Enthüllungen über ihr wahres Wesen ernst genommen werden. Auch wenn Paddy eine liebenswert wankelmütige, gegen die Kultur gerichtete Figur ist, gibt es auch eine echte Dunkelheit in ihm, die die Zuschauer jederzeit vor Augen hat. Wenn dieser Film in irgendeiner Hinsicht wie ein klassischer Horrorfilm funktioniert, dann an der Stelle, an der die Zuschauer den Figuren zurufen möchten: ‚Geh nicht den dunklen Gang hinunter!‘ Natürlich tun sie das aber trotzdem. Der Unterschied ist, dass der dunkle Gang nicht wirklich ein Gang ist – es sind Paddy und Ciara.“


    Mackenzie Davis ist Louise Dalton

    Louise Dalton fühlt sich in allen Bereichen ihres Lebens unglücklich und unausgefüllt und hat keine Ahnung, wie sie das ändern soll. Als Louise mit ihrem Mann Ben und ihrer Tochter Agnes wegen Bens Job nach London zog, dachte sie, dass sie dort ihre erfolgreiche Karriere in der PR-Branche fortsetzen könnte. Doch daraus wurde nichts. Die Beziehung der ängstlichen Helikopter-Mutter zu ihrer Tochter ist genauso angespannt wie die zu ihrem Mann. Obwohl Louise dem Besuch bei Paddy und Ciara auf dem Land nicht so enthusiastisch entgegenblickt wie Ben, lässt sie sich trotzdem darauf ein – nicht zuletzt, weil sie sich danach sehnt, das wiederzubeleben, was in ihrer Beziehung verlorengegangen ist. Sie erkennt jedoch sofort, dass Paddys Farm kein sicherer Ort für ihre Familie ist. Und sie hegt zunehmend den Verdacht, dass mit ihren Gastgebern etwas nicht stimmt.

    Die Rolle der Louise spielt Mackenzie Davis (Terminator: Dark Fate, Station Eleven), die zusammen mit Scoot McNairy bereits in der von der Kritik gefeierten AMC-Serie Halt and Catch Fire zu sehen war. „Schon als ich Mackenzie zum ersten Mal traf, wusste ich, dass sie eine großartige kreative Partnerin sein und das Material so wahrheitsgetreu und psychologisch echt wie möglich darstellen würde“, erklärt Regisseur James Watkins. „Mackenzie hat eine einzigartige Präsenz im Film. Es ist schwer zu beschreiben, man will ihr einfach nur zusehen und sich von ihr mitreißen lassen. Das größte Lob, das ich aussprechen kann, ist, dass sie auf der Leinwand eine Zerbrechlichkeit und zugleich eine Kraft ausstrahlt, die mich an die junge Jeanne Moreau aus der Perspektive von Louis Malle erinnert.“

    Für Davis war das Faszinierendste an SPEAK NO EVIL die Mischung aus düsterkomödiantischer Gesellschaftssatire und gewalttätigem Genre-Horror – und die Art und Weise, wie das eine organisch in das andere übergeht. „Am Drehbuch hat mich besonders gereizt, dass es aufzeigt, wie unangenehm es sein kann, sich in schwierigen sozialen Situationen zurechtzufinden, und wie sehr es sich anfühlt, als ginge es dabei um Leben und Tod“, sagt Davis. „Das Geniale an der Geschichte ist, dass die symbolische Spannung ganz wörtlich genommen wird: Achtzig Prozent des Films befassen sich mit einer Reihe sozialer Fehltritte, deren Folgen und dem damit verbundenen natürlichen Schrecken. Die restlichen zwanzig Prozent sind ein vollwertiger Horrorfilm. Mir hat außerdem gefallen, dass der Film die Spannungsfelder zwischen Angst, Instinkt und Empathie auslotet.“

    Davis gefiel zudem, wie der Film thematisiert, wann und warum wir uns angesichts realer Gefahren dafür entscheiden, unsere Instinkte zu ignorieren. „Wir begegnen ständig Menschen, die anders sind als wir oder andere Werte haben. Dennoch lösen sie bei uns keine Alarmsignale aus“, sagt Davis. „Doch was tust du, wenn du einer Person begegnest, die anders ist, und etwas in dir sagt, dass du fliehen solltest? Vertraust du darauf, dass dein Instinkt richtig ist und dich vor Gefahren schützt? Stellst du ihn infrage und überlegst, ob dieser Reflex unvernünftig oder voreingenommen ist? Redest du dir ein, dass du unhöflich bist und bemühst dich um mehr Empathie? Diesen Fragen geht der Film geschickt auf den Grund, indem er sie auf eine Weise dramatisiert, die einen echten Thriller entstehen lässt. Die Charaktere treffen Entscheidungen, die sie in Gefahr bringen, und zwar nicht aus Dummheit, sondern aufgrund dieses stillschweigenden gesellschaftlichen Übereinkommens, nach dem wir alle leben: Man ist höflich, man ist einfühlsam, man ist so verständnisvoll, dass man seine eigenen Instinkte unterdrückt.“

    Louise verkörpert diesen inneren Konflikt mehr als jede andere Figur in SPEAK NO EVIL. Ihre Entscheidungen werden zusätzlich durch geschlechtsspezifische Aspekte erschwert, die zu spielen Davis ebenfalls sehr interessant fand. „Die anderen Erwachsenen im Film sind locker und unbeschwert oder ignorieren absichtlich die beunruhigenden Tatsachen. Louise aber hat eine Menge Ängste, die niemand teilt oder wahrnimmt“, sagt Davis. „Schlimmer noch: Wenn sie sich traut, ihre Ängste zu äußern, wird sie dafür fertig gemacht und erniedrigt. Ich denke, das ist eine sehr nachvollziehbare Erfahrung, vor allem für Frauen, die sich oft in einem Umfeld befinden, in dem sie ständig mit ihrer Intuition und den Ängsten davor konfrontiert sind, wie sie wahrgenommen werden. Louise ist so eine Art Helikopter-Mum, und vielleicht ist sie übertrieben ängstlich. Aber die grundlegende Ironie ist, dass diese übermäßige Beschützerrolle am Ende ihre Stärke ist.“

    Die Szenen, in denen Louise zur Kämpferin für ihren Mann und ihre Tochter wird, und der Realismus, mit dem Watkins sie umsetzte, gefielen Davis besonders gut.


    Scoot McNairy ist Ben Dalton

    Wie viele amerikanische Männer definiert Ben Dalton sich selbst und seinen Wert durch das, womit er seinen Lebensunterhalt verdient – und leider verdient er zu Beginn von SPEAK NO EVIL rein gar nichts. Ben war früher Finanzprüfer in einem Chicagoer Unternehmen und zog mit seiner Familie nach London, um seine berufliche Laufbahn durch die Gründung eines Auslandsbüros voranzutreiben. Doch schon kurz nach seiner Ankunft wurde er infolge eines wirtschaftlichen Abschwungs entlassen. Der arbeitslose, von der Midlife-Crisis geplagte Ben gerät immer mehr ins Hintertreffen. Die stagnierende Ehe mit seiner Frau Louise und die fehlende Beziehung zu seiner Tochter Agnes verschlimmern die Lage noch. Ben fühlt sich ohnmächtig und schwach – bis eines Tages Paddy in sein Leben tritt und in ihm den Wunsch weckt, sich wieder „wie ein Mann“ zu fühlen.

    Die Rolle des Ben besetzte Regisseur James Watkins mit Scoot McNairy, der unter anderem in Filmen wie Monsters, Argo, 12 Years a Slave sowie in den Fernsehserien True Detective und Narcos: Mexico zu sehen war. „Ich bin schon lange ein Fan von Scott McNairy“, so Watkins. „Er ist ein extrem talentierter Schauspieler. Ich liebe sein Understatement, seine Fähigkeit, mit wenig viel zu erreichen und seine Bereitschaft, seine eigene Eitelkeit abzulegen, um schwach oder unsympathisch zu wirken. Sein Ziel war es, Bens ‚Beta-Männchen‘-Status auf den Grund zu gehen. Er wollte herausfinden, wodurch dieses Verhalten ausgelöst wird. Nicht, um es zu entschuldigen, sondern um es zu verstehen und die psychologischen Schichten freizulegen.“

    McNairy stieß zur Produktion von SPEAK NO EVIL, nachdem er den dänischen Originalfilm gesehen hatte und sehr beeindruckt davon war – ebenso wie von Watkins’ Vorstellungen für die Neuverfilmung. „James hat all die Dinge intensiviert, die ich an Gæsterne so bewundert habe. Das Thema Höflichkeit in schwierigen sozialen Situationen, was ist akzeptiert, was nicht, was spricht man an, was verschweigt man, wurde auf eine andere, aber ebenso interessante Weise gelöst“, sagt McNairy. „Du fühlst mit den Figuren mit, weil dich ihre komplexe menschliche Seite fasziniert oder sogar anrührt. Dadurch unterscheidet sich dieser Stoff von jedem anderen Horrorfilm. Er liefert, was du von einem Thriller erwartest, aber er überrascht dich mit seinem Facettenreichtum.“

    Am überzeugendsten fand McNairy die Story, die Watkins für Ben entworfen hatte. Es ist eine mahnende Geschichte über einen verbitterten, verunsicherten Mann, der aufgrund seines unreflektierten Selbstverständnisses und falscher Vorstellungen im Hinblick auf seinen persönlichen Wert ausgebeutet wird. Damit bringt er nicht nur sich selbst, sondern auch seine Frau und sein Kind – und möglicherweise auch andere – in Gefahr. „Ich glaube, wenn Menschen schwach und verletzlich sind, sind sie offen für alles, von dem sie glauben, dass es sie verbessert oder verändert“, sagt McNairy. „Als wir Ben kennenlernen, hat er seinen Job und sein Selbstvertrauen verloren. Er versucht, sich selbst zu finden. Dann begegnet er Paddy, diesem temperamentvollen, selbstsicheren Mann, der angelt und jagt und all diese urtümlichen, maskulinen Dinge macht, die Ben nicht tut, aber vielleicht gerne tun würde. Was Paddy für Ben so attraktiv macht, ist sein Selbstbewusstsein. Es ist so ansteckend, dass Ben zu der Überzeugung gelangt, dass die Antwort auf seine seelische Not lautet: ‚Wenn ich mehr wie Paddy sein könnte, dann wäre mein ganzes Leben besser. Dann wäre ich geheilt.‘ Paddy sieht das, manipuliert ihn und spielt mit ihm.“


    Aisling Franciosi ist Ciara

    Ciara, Paddys Frau, ist nicht nur seine bessere Hälfte, sondern auch seine Geheimwaffe: Mit ihrer herzlichen, einnehmenden Persönlichkeit gleicht sie Paddys raue Seiten aus und unterstützt ihn so dabei, seine Opfer zu umgarnen. Die beiden scheinen perfekt zu harmonieren – doch ob Ciara tatsächlich freiwillig Teil von Paddys Machenschaften ist und ihn tatsächlich liebt, zählt zu den spannenden Rätseln des Films.

    Ciara wird von der irischen Schauspielerin Aisling Franciosi (The Nightingale, The Unforgivable) verkörpert, die erst kürzlich in Die letzte Fahrt der Demeter (2023) in einem Horrorfilm zu sehen war. „Ich hatte Aisling in The Nightingale gesehen und war hin und weg“, schwärmt Regisseur James Watkins. „Ich dachte mir, dass sie als Paddys etwas jüngere Ehefrau hervorragend funktionieren und mit James McAvoy wunderbar harmonieren würde. Aisling hat die Ambivalenz ihrer Rolle voll und ganz verstanden. Sie macht mit Paddy gemeinsame Sache – aber ist sie vielleicht in gewisser Weise auch ein Opfer. Und ich fand es großartig, wie sie Paddy und Ciara als Team begriff. Sie und James haben sich so gut ergänzt, dass James Ciara einige von Paddys Sätzen zu Ende sprechen ließ. Ganz so, als hätte sie seine kleinen Weisheiten schon tausendmal gehört.“

    Franciosi verrät, dass die düster-komische und provokante Darstellung der sozialen Normen in SPEAK NO EVIL sie ebenso reizte wie die Herausforderung, die Feinheiten der Figur Ciara zu interpretieren. „Ich denke, dieser Film handelt von den Gefahren gesellschaftlicher Konventionen und den Tücken, den Schein zu wahren. Er beleuchtet die Extreme dessen, was passieren kann, wenn wir unser Bauchgefühl ignorieren, nur um höflich zu sein“, sagt Franciosi. „Als ich das Drehbuch zum ersten Mal las, habe ich mich über die soziale Unbeholfenheit im Umgang zwischen den beiden Paaren gewundert und war dann entsetzt, als die Geschichte in eine so alptraumhafte Situation mündete. Ich denke, das ist in dramatischer Hinsicht ebenso gelungen wie als interessanter gesellschaftlicher Kommentar.“

    Außerdem war sie sehr daran interessiert, die schwer fassbaren Untertöne von Ciara zu ergründen. „Ich habe schon einige Figuren gespielt, die man als psychisch instabil bezeichnen könnte. Aber Ciara ist eine ganz andere Figur für mich“, sagt Franciosi. „Ich finde es großartig, wie sie sich nach außen gibt, aber in Wirklichkeit ganz anders ist. Sie wirkt sehr warmherzig und nicht bedrohlich, einfach wie eine sehr nette junge Frau, eine fürsorgliche Mutter und eine liebevolle Ehefrau. Sie ist ein toller Gegenpol zu Paddys Überschwänglichkeit. Das ist wichtig, damit die Daltons, Louise und Ben, mit ihnen warmwerden. Sie verbirgt schreckliche Geheimnisse, aber ihre Täuschungen sind sehr vielschichtig. Sie ist mitschuldig und verantwortlich, aber sie ist auch ein Opfer. Sie ist durch ein schreckliches Trauma und langfristigen Missbrauch zu dem geworden, was sie ist. Die Frage, wie schuldig ein Opfer sein kann, fand ich sehr interessant. Ich wollte auch eine Version von Ciara zeigen, die Paddy sehr liebt, deren Ziele aber nicht unbedingt die gleichen sind wie seine.“

    Was den Film so furchterregend macht, ist laut Franciosi die Tatsache, dass die Figuren in der Realität verankert sind. „Die Geschichte und das Storytelling sind so furchterregend, weil durchaus vorstellbar ist, dass so etwas wirklich passieren könnte“, sagt Franciosi. „Ich finde die Art und Weise, wie die Beziehung von Paddy und Ciara dargestellt wird, sehr spannend. Sie lieben sich und die Chemie zwischen ihnen ist greifbar, aber beide sind offensichtlich auch psychisch gestört und befinden sich in einer Spirale beängstigender Gewalt. Es ist verstörend, ihnen zuzusehen, aber man kann auch nicht anders, als sie weiter zu beobachten.“


    Alix West Lefler ist Agnes Dalton

    Agnes, die Tochter von Ben und Louise, ist ein kluges und sensibles Mädchen, das die Spannungen in der Beziehung ihrer Eltern deutlich spürt. Spannungen, zu denen auch Meinungsverschiedenheiten über ihre Erziehung und den Umgang mit ihren Ängsten gehören. Agnes tut keinen Schritt ohne ihr Kuschelhäschen Hoppy, doch schwach und hilflos ist sie deswegen noch lange nicht. Tatsächlich könnte sie ihren Eltern bei der Überwindung des Konflikts mit Paddy und Ciara wertvolle Dienste leisten – wenn diese sie nur ernst nehmen und ihr zuhören würden.

    Für die Rolle der Agnes wählte Regisseur James Watkins Alix West Lefler, die unter anderem in The Good Nurse (2022) und in Fernsehserien wie Riverdale und Ich und die Walter Boys mitwirkte. „Alle erwachsenen Darsteller spielen so geschickt, dass ich nach Kindern gesucht habe, die eine ähnliche Raffinesse mitbringen, die nicht ‚schauspielern‘, sondern die Rolle voll und ganz annehmen“, erklärt Watkins. „Bei Alix war das der Fall. Als sie vorsprach, fiel mir sofort ihre Aufrichtigkeit auf. Manchmal kommen Kinderdarsteller mit einer brillanten Leistung zum Vorsprechen und hauen dich um, weil sie sich so gut darauf vorbereitet haben. Aber an einem Filmset, wo alles so schnell geht, brauchst du junge Schauspieler, die sich in den Moment hineinversetzen können, die Anweisungen annehmen und mit dem Rhythmus der Szene und der anderen Darsteller mitgehen können. Alix hat das wunderbar gemacht. Sie hat Agnes’ Ängste und Verletzlichkeit geschickt eingefangen.“

    Mackenzie Davis, die Agnes’ Mutter Louise spielt, war so beeindruckt von Lefler, dass sie ihr einen eigenen Spitznamen gab. „Ich habe sie ‚Blue Ivy‘ genannt, nach der Tochter von Beyoncé und Jay-Z“, sagt Davis. „Wenn du Blue Ivy jemals auf den Konzerten ihrer Mutter tanzen gesehen hast, dann weißt du, dass sie das unbeschwerteste, talentierteste Kind ist, das man sich vorstellen kann. Sie hat weder Angst noch ist sie beeindruckt von der Welt, in der sie sich befindet. Bei Alix ist es genauso. Sie ist eine eigenständige Person: vollkommen bodenständig, intelligent und unkompliziert bei dem, was sie tut. Es macht riesigen Spaß, mit ihr zu arbeiten.“

    Lefler fand SPEAK NO EVIL aus einem einfachen Grund reizvoll. „Ich liebe Action. Ich liebe Horror. Und Gore liebe ich auch!“ sagt sie. „Ich hatte bei all dem eine Menge Spaß.“ Die Darstellung eines Mädchens mit ernsthaften psychischen Problemen nahm sie trotz allem sehr ernst. Ein Großteil von Leflers Vorbereitungen diente dazu, Agnes’ Probleme zu verstehen und sie authentisch darstellen zu können. „Agnes leidet unter starken Angstzuständen und macht eine Menge Atemübungen, um ihre Panik zu bekämpfen“, sagt Lefler. „Ich habe also recherchiert, wie es ist, wenn man solche intensiven Angstgefühle hat, und wie es aussieht, wenn man eine Panikattacke erlebt. Es war mir wichtig zu verstehen, was es bedeutet, wenn dich diese Art von psychischer und emotionaler Belastung im Griff hat, sich auf deine Persönlichkeit auswirkt und dich in deinem Leben beeinträchtigt.“ Lefler fügt hinzu, dass sie sich in einer weiteren sehr wichtigen Hinsicht mit Agnes identifizieren konnte: Auch sie besitzt ein „Trosthäschen“. „Ich habe noch einen Hasen zu Hause, der aus meinem letzten Film The King Tide stammt“, sagt Lefler. „Er war einfach zufällig am Set. Ich fand, dass er süß ist und nahm ihn mit nach Hause. Jetzt sitzt er in meinem Zimmer zusammen mit anderen Andenken an Filme, die mir schöne Erinnerungen, Inspiration und Trost spenden.“


    Dan Hough ist Ant

    Ant ist der schüchterne, geheimnisvolle Sohn von Paddy und Ciara. Er ist völlig normal – sieht man einmal davon ab, dass er stumm ist. Er leidet an Aglossie, einer genetisch bedingten Deformierung der Zunge. Ant freundet sich mit Agnes an, der Tochter der Daltons. Doch es ist nicht immer klar, ob sein verstohlenes, merkwürdiges Verhalten ein Nebeneffekt seiner Krankheit ist oder ob eine andere Motivation dahintersteckt.

    Die Rolle des Ant besetzte Regisseur James Watkins mit Dan Hough, der mit SPEAK NO EVIL sein Debüt als professioneller Schauspieler gibt. „Die Rolle des Ant stellt eine besondere schauspielerische Herausforderung dar. Er muss überzeugend nonverbal kommunizieren, er muss sich durch Gesten mitteilen, ohne zu ‚schauspielern‘“, sagt Watkins. „Dan hat noch nie vor einer Kamera gestanden. Aber er brachte eine innere Wahrhaftigkeit mit. Beim Vorsprechen lebte er den Moment eher und versuchte nicht, ihn zu spielen. Es gibt einen inneren Schmerz und eine Wut, die am Ende herausbrechen müssen. Dieser Moment war es, der mich beim Vorsprechen überzeugte. Als er bei einem Kameratest aufschrie, jagte er uns allen einen Schauer über den Rücken. Es ging uns wirklich unter die Haut. Wild und brutal. Er konnte danach drei Tage lang nicht sprechen.“

    Gerade für einen Schauspielanfänger ist eine solche Rolle ein harter Brocken. „Ant ist ein sehr trauriges Kind. Das hat bestimmte Gründe, die man irgendwann versteht“, sagt Hough. „Die einzige Möglichkeit, mich in Ant hineinzuversetzen, war die Frage, was wäre, wenn alles, wasdiesem Kind passiert ist, auch mir passiert wäre? So habe ich in die Rolle hineingefunden. Es war eine Herausforderung, weil man überlegen muss, wie man sich auf unterschiedliche Weise ausdrücken kann, durch Körpersprache und Mimik. Und ich musste eine Prothese tragen, eine kleine Platte, die um meine Zähne herum befestigt wurde, sodass meine Zunge verborgen war. Aber es war eine tolle Erfahrung, von Anfang bis Ende. Dies ist mein erster Film. Es war mein erstes Vorsprechen. Es war ein Feuerwerk der Möglichkeiten. Ich war absolut begeistert.“


    Seine erwachsenen Co-Stars waren von der Intensität und dem Tiefgang seiner Arbeit überwältigt. „Dan ist wahrscheinlich der süßeste Junge, den ich je in meinem Leben getroffen habe“, sagt Mackenzie Davis. „Er schweigt den ganzen Film über und seine Rolle spielt sich oft am Rande der Szene ab, sodass wir anderen oft nicht wirklich darauf geachtet haben, was er tut. Aber dann siehst du ihn auf dem Playback und staunst, was er mit dieser außergewöhnlichen, herzzerreißenden stummen Darstellung vermittelt: seine Traurigkeit, seine innere Welt, seine Sehnsucht. Es ist ein wunderschönes Stück Arbeit und noch eindrucksvoller, wenn man bedenkt, dass dies sein erster Job war.“




    Das Produktionsdesign und die Handlungsorte


    Für Drehbuchautor und Regisseur James Watkins war keine andere kreative Entscheidung wichtiger für den Erfolg von SPEAK NO EVIL als die Wahl des richtigen ländlichen Schauplatzes für das Farmhaus von Paddy und Ciara – von außen einladend, von innen schäbig. Es liegt in der Nähe eines kleinen Sees in einer wunderschönen englischen Naturkulisse. „Im Drehbuch gibt es ein ständiges Wechselspiel: Für jedes Warnzeichen in Bezug auf Paddy und Ciara gibt es einen entsprechenden Moment, der liebenswert und potenziell befreiend ist. Rotes Licht, grünes Licht“, fasst Watkins zusammen. „Paddys Farm und die Landschaft um sie herum unterstreichen diese Idee. Es ist schön, durch diese wunderschönen Täler zu wandern und Paddys Können im Umgang mit Holz zu bewundern, wenn er mit bloßen Händen Feuer macht. Andere Details wiederum, zum Teil sehr subtile, geben Anlass zur Sorge, wenn nicht sogar zur Beunruhigung.“

    Bei der Gestaltung von Paddys trügerischer Idylle stand Watkins der Oscar®-prämierte Produktionsdesigner James Price zur Seite, der mit dem Regisseur bereits bei Die Ipcress- Datei zusammengearbeitet hatte. Watkins und Price zogen kurzzeitig in Erwägung, eine Farm zu bauen, die den Anforderungen des Drehbuchs gerecht wurde. Doch angesichts der Ästhetik, die Watkins für den Film anstrebte, erwies sich dies als nicht umsetzbar. Also beschlossen die beiden Männer, bereits vorhandene Drehorte zu nutzen und sie nach Bedarf umzugestalten. Bei seinen Entwürfen griff Price auf seine eigenen Erinnerungen an seine Kindheit zurück, die er auf einer Farm in der englischen Provinz an der walisischen Grenze verbracht hatte – eine Gegend, die voller Geschichten und unheimlicher Eindrücke steckt. „Der größte Teil des Designs ist von Orten inspiriert, die ich als Kind kannte: die Farm, auf der ich aufgewachsen bin, Farmen, auf denen meine Freunde lebten, seltsame Häuser und alte Bauwerke, Orte, an denen man nach Einbruch der Dunkelheit niemals allein sein möchte“, sagt Price lachend. „Ich hatte dadurch die Möglichkeit, einige der dunkleren Dinge in meiner Erinnerung zu verarbeiten.“

    Die Suche nach dem richtigen Ort war keine leichte Aufgabe. „Das Schwierigste war, die perfekte Location zu finden, die wir fünf Monate lang beziehen und für uns beanspruchen konnten“, sagt Produzent Paul Ritchie. „Angesichts des drohenden SAG-AFTRA-Streiks war es eine Herausforderung, alles schnell auf die Beine zu stellen und gleichzeitig die Qualität zu wahren. In dieser Hinsicht kam uns die Vertrautheit mit James, die wir in jahrelanger Zusammenarbeit entwickelt haben, sehr zugute. Sie erlaubte es uns, schnell zu handeln.“

    Nachdem sie Dutzende von Optionen für Paddys Farm in Betracht gezogen hatten, entschieden sich die Filmemacher mit Unterstützung von Location Manager Ted Ladlow (Assistant Location Manager, Killing Eve, Good Grief) schließlich für eine Farm auf einem abgelegenen, weitläufigen und umzäunten Grundstück im englischen Gloucestershire, etwa eine Autostunde von dort entfernt, wo Price im Norden von Herefordshire aufgewachsen ist. Das Haupthaus war ein 400 Jahre altes Gebäude mit Fachwerk und Steinmauern. Zu den weiteren Gebäuden auf dem Hof gehörte auch ein Keller, der sich ideal für die Szenen in Paddys unterirdischem Lagerraum eignete. Watkins erklärt, dass ihm gefiel, „wie sie zusammen einen geschlossenen Hof bildeten, der sowohl beschützend als auch beengend wirken konnte - er erinnerte zugleich an einen mittelalterlichen Burgfried und an einen Gefängnishof.“

    „Es war wahnsinnig idyllisch und gruselig zugleich“, sagt Ladlow. „Das Anwesen bot all diese schönen Panoramablicke, aber es gab auch dunkle Räume und bestimmte Merkmale, die ihm einen unheilvollen Unterton verliehen. Um das klarzustellen: Der Ort hat nichts Böses an sich. Die Besitzer der Farm, ein Geschwisterpaar, das dort aufgewachsen ist, sind reizend. Sie haben sogar schon Schulklassen in die alte Nebenscheune eingeladen, um den Kindern alte landwirtschaftliche Techniken aus den 1700er- und 1800er-Jahren zu erklären. Mit einem Teil des Geldes, das sie durch die Dreharbeiten erhalten haben, wollen sie die Scheune renovieren und die Farm wieder für die örtlichen Schulen und die Gemeinde öffnen.“

    Das Haupthaus stellte die Produktionsabteilung vor einige Herausforderungen. Die Räume waren sehr klein. Das verstärkte zwar das klaustrophobische Gefühl, doch einige Zimmer, vor allem im wichtigen Obergeschoss, waren einfach zu klein, um Schauspieler, Crew und Ausrüstung zu beherbergen. Die Eigentümer des Grundstücks gaben Watkins und seinem Team jedoch die Erlaubnis, Wände einzureißen und den Raum nach Bedarf umzugestalten. Da das Dach eine wichtige Actionsequenz nicht hätte aushalten können, drehte Watkins diese Szenen auf einem dem Dach nachempfundenen erhöhten Set, das auf dem Rasen vor dem Haupthaus errichtet wurde. Da auf dem Grundstück ein kleiner See (oder ein „großer Teich“ – je nachdem, wer sich darüber äußert) fehlte, engagierte die Produktion ein Unternehmen, das für die englische Forstbehörde tätig ist, um kurzerhand einen anzulegen. Den Besitzern der Farm gefiel das Gewässer so gut, dass sie es behielten. Inzwischen wurde es als geeignetes Biotop für Molche eingestuft, von denen der Westen Englands offenbar dringend mehr benötigt. „Wir haben also tatsächlich etwas Gutes für die Umwelt getan, was sehr erfreulich ist“, so Price.

    Price und sein Künstlerteam verzierten das Bauernhaus mit verstörenden Details, von denen einige nur für die Darsteller integriert wurden und vom Publikum möglicherweise unbemerkt bleiben. Dazu gehörten etwa Delfter Kacheln in der Küche, auf denen Bilder von geköpften oder gehängten Menschen zu sehen sind, oder abblätternde Tapeten, unter denen ältere Schichten mit Augapfel-Muster zum Vorschein kommen. Set Decorator Prue Howard (Assistant Set Decorator bei Mord im Orient-Express und Justice League) und ihr Team erhielten von Price den Auftrag, das Haus mit seltsamen Antiquitäten und Dingen vollzustopfen, die man in Geschäften in den ländlichen Küstenregionen Englands finden kann. Während die Anordnung größtenteils willkürlich ist, sind einige Objekte mit einer subtilen, unheimlichen Absicht platziert: So ist das Haus mit Hunderten von kleinen Figuren gefüllt, die alle von der Mitte des Raumes weg oder zur Wand blicken – ganz so, als wollten sie ihre Augen abwenden oder sich gar verstecken.

    All diese Details waren ein Gewinn für die Darsteller. „Die Set-Designer haben einen unglaublichen Job gemacht“, so Scoot McNairy, der Ben Dalton spielt. „Als sie mit der Vorproduktion begannen, gab es nichts in dem Haus. Sie haben es mit all diesen unglaublichen Elementen ausgestattet. Die Kacheln in der Küche sind alle mit ländlichen Motiven verziert, wie zum Beispiel Blumen oder Pferdewagen. Aber wenn du genauer hinsiehst, bemerkst du, dass einige von ihnen einen düsteren Touch haben, wie zum Beispiel einen Mann, der an einem Baum hängt. Das ganze Haus war mit Alltagsgegenständen dekoriert, die hier und da durch etwas Ungewöhnliches oder Beunruhigendes ergänzt wurden. Sie haben es geschafft, einen Raum zu schaffen, der die Schauspieler in eine bestimmte Stimmung versetzt und so die Darstellung fördert.“

    Zusätzlich zu den Szenen in Gloucestershire drehte Watkins in Herefordshire, Devon und London. Die in der Toskana spielenden Eröffnungsszenen von SPEAK NO EVIL entstanden tatsächlich in Grožnjan in Kroatien.


    Die Kameraarbeit

    Zur Unterstützung bei der Gestaltung der visuellen Ästhetik holte Drehbuchautor und Regisseur James Watkins Kameramann Tim Maurice-Jones ins Boot, mit dem er bereits Die Frau in Schwarz und die Black Mirror-Folge Shut Up and Dance realisiert hatte. „Ich wollte, dass sich der Film echt und natürlich anfühlt und nicht wie ein typisches Genreprodukt“, erklärt Watkins. „Als Inspiration haben Tim und ich viel über Fargo und Der weiße Hai gesprochen.

    Beide Filme haben glaubhafte und greifbare Welten erschaffen, wobei natürliches Licht und nur minimal, aber gezielt Kunstlicht eingesetzt wurde. Wir haben uns außerdem mit den Filmen von Michael Haneke und Stanley Kubrick beschäftigt. Angesichts der Hauptthemen soziale Angst und Unbeholfenheit spiegelt unser Kamerastil eine sehr bewusste Spannung zwischen einer kalten, klinischen Kubrick’schen Distanz und einer sehr subjektiven Identifikation mit den Figuren in ihrer Unbeholfenheit wider, um dann wieder auf Abstand zu gehen.“

    • SPEAK NO EVIL wurde mit Digitalkameras vom Typ Arri Alexa 35 gedreht. Watkins sagt jedoch, dass er Bilder mit einer raueren Textur kreieren wollte, die eher an Filmmaterial erinnert. „Wir haben den digitalen Look mit Diffusionsfiltern vor dem Objektiv aufgebrochen. Auf diese Weise wird das Licht gefiltert, bevor es den Sensor erreicht. Mit der Einstellung ‚Soft Nostalgia‘ haben wir uns von der digitalen Bildqualität noch weiter entfernt und einen erdigeren Look erzielt.“

    • Watkins und Maurice-Jones entwickelten unterschiedliche Ansätze für die Lichtgestaltung der drei Hauptschauplätze des Films: Toskana, London und Westengland. Die drei Drehorte zusammengenommen tragen dazu bei, die emotionale Geschichte der Familie Dalton zu erzählen. „Wir beginnen mit dem traumhaften Licht Italiens – weiches Licht, Hintergrundlicht, Gegenlicht – ein herrlicher Glanz mit warmen und schönen Farbtönen“, erklärt Watkins. „Wir haben mit anamorphen Objektiven gedreht, um verträumte Lichtreflexe und eine romantische Stimmung zu erzeugen. London ist kühler: grau, streng, harte Linien, gedämpfte Farben, die den Stillstand der Ehe von Ben und Louise widerspiegeln. Für die Farm im Westen Englands haben wir zu sphärischen Linsen gewechselt: weniger Lichtbrechungen, mehr Natürlichkeit. Die Lichtverhältnisse im Farmhaus sind anfangs warm, kühlen sich aber im Laufe des Films ab und enden im kalten Mondlicht. Das Kontrastverhältnis nimmt ganz allmählich zu, wobei die begrenzte Ausleuchtung der Gesichter das Gefühl der Zwiespältigkeit bewahrt, da die Figuren gleichzeitig hell und dunkel erscheinen.“

    • Maurice-Jones und sein Team verwendeten außerdem verschiedene Objektive, um unterschiedliche visuelle Atmosphären im Film einzufangen. Für Szenen, bei denen träumerische Lichtreflexe und romantische Stimmung gefragt waren, kamen Vintage C Series Anamorphics zum Einsatz. In London, wo eine kühlere Farbgebung angestrebt wurde, entschieden sie sich für Modern Atlas Anamorphics. Diese Objektive erzielen einen klaren, harten Look, der die grauen, harten Linien der Stadtatmosphäre betonte. Um die einzigartige Atmosphäre der ländlichen Umgebung in Westengland einzufangen, wechselten sie zu Vintage Spherical Lenses Cannon K 35s.

    • Bei einigen Szenen griff Watkins auf lange, ausgedehnte Weitwinkelaufnahmen zurück. „Unser 2.35:1-Breitbildformat ermöglichte es uns, Szenen zu inszenieren, die die Isolation und Trennung der Charaktere visuell darstellen“, sagt Watkins. „Wir haben die Produktionsräume, vor allem das Farmhaus mit seinen niedrigen Decken und alten Balken, so gestaltet, dass sie die Figuren voneinander abgrenzen. So verstärken wir dieses beklemmende Gefühl der Trennung. Die Kamera bewegt sich nur, wenn es sinnvoll und zielgerichtet ist. Auch der Schnitt ist eher minimalistisch. Nahaufnahmen sind für zentrale und subjektive Momente vorgesehen.“


    Die Requisiten und das prothetische Make-up

    Das wohl verstörendste Bild in SPEAK NO EVIL ist der Anblick von Ants verkümmerter, missgebildeter Zunge. Die von Kinderdarsteller Dan Hough getragene Prothese wurde von Chris Lyons und seinem Team bei Fangs FX entworfen, angepasst und gestaltet. Fangs FX hat sich auf die Herstellung lebensechter Mundprothesen für Film und Fernsehen spezialisiert. Maskenbildnerin Nicole Stafford hat Lyons aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung mit realistischen Mundprothesen angeheuert. Lyons, der auf über 30 Jahre Erfahrung zurückblicken kann, hat an Hunderten von Produktionen mitgewirkt, unter anderem an der Harry Potter-Reihe und an Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer. Außerdem entwarf er das unverwechselbare Gebiss, das Rami Malek in Bohemian Rhapsody trägt. Das maßgefertigte Mundstück für Hough wurde so entworfen, dass es bequem sitzt, vor der Kamera realistisch wirkt und die Zunge des Schauspielers wirksam verdeckt. Eine kleine Platte wurde um Houghs Zähne herum angebracht, sodass seine echte Zunge darunter verborgen blieb. Das Design des Mundstücks ermöglichte ein einfaches Anbringen und Entfernen. In der Nachbearbeitung wurden Speichel und Bewegungen mit digitalen Animationen erzeugt.

    Agnes’ Kuschelhase Hoppy sucht man im Handel vergebens. Das Stofftier wurde speziell für die Produktion angefertigt. Allerdings dauerte es seine Zeit, bis Hoppy perfekt war, da er im Film so viel symbolische Bedeutung besitzt. „Es war komplizierter, als ich es mir vorgestellt hatte“, sagt Regisseur James Watkins. „Wir haben mehrere Varianten durchgespielt, um die Zunge und die Augen richtig hinzubekommen. Hoppy ist eine eigenständige Figur und benötigt das richtige Maß an menschlicher Persönlichkeit. Er entwickelt sich von einem geliebten alten Spielzeug, auf das Agnes nicht verzichten will, zu etwas ganz anderem. Am Ende des Films ist Hoppy ein Sinnbild für die ganze Familie – ramponiert, blutig, weiterkämpfend.“


    Infos
    Originaltitel:
    Speak No Evil
    Land:
    USA, Kanada
    Jahr:
    2024
    Studio/Verleih:
    Constantin Film
    Regie:
    James Watkins
    Produzent(en):
    Jason Blum, Paul Ritchie
    Drehbuch:
    James Watkins
    Kamera:
    Tim Maurice-Jones
    Musik:
    Danny Bensi, Saunder Jurriaans
    Genre:
    Horror, Thriller
    Darsteller:
    James McAvoy, Mackenzie Davis, Scoot McNairy, Aisling Franciosi, Alix West Lefler
    Inhalt:
    Eine amerikanische Familie möchte ein erholsames Wochenende im Landhaus ihrer britischen Freunde verbringen, die sie kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hat. Doch was als traumhafter Kurztrip geplant war, gerät schon bald in Schieflage und wird zu einem verstörenden Albtraum. Mit SPEAK NO EVIL gelingt Regisseur und Drehbuchautor James Watkins (Eden Lake) ein meisterhafter Balanceakt zwischen Thriller und Horror.
    Start (DE):
    19.09.2024
    Start (USA):
    13.09.2024
    Laufzeit:
    110
    FSK:
    ab 16 Jahren

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