Porträt einer jungen Frau in Flammen

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  • Einleitung


    Auf den Filmfestspielen in Cannes mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet, wirft Regisseurin und Drehbuchautorin Céline Sciamma (Mädchenbande) in ihrem viel gelobten Werk einen ungemein sensiblen wie reifen Blick auf die Weiblichkeit. In malerische Bilder getauft setzt sie dabei ebenso auf die visuelle Kraft des filmischen Geschichtenerzählens.

    Im Zentrum von Porträt einer jungen Frau in Flammen die junge Malerin Marianne, die ein Porträt einer Frau zeichnen soll, um ihren bevorstehende Ehe zu besiegeln. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Héloise, die zu zeichnende Frau, nicht Model sitzen möchte. Somit muss Marianne auf ihren täglichen Spaziergängen mit Héloise sie studieren und aus dem Kopf zeichnen. Doch je mehr Zeit die beiden Frauen miteinander verbringen, desto näher kommen sie sich.

    In den Hauptrollen sind Noémie Merlant (Curiosa) und Adèle Haenel (Lieber Antoine als gar keinen Ärger) zu sehen. Darstellerische Unterstützung bekommen sie dabei von unter anderem Valeria Golino (Hot Shots!) und der hierzulande noch recht unbekannten Luàna Bajrami.

    © 2019 Alamode Film

    Kritik


    Passend zum Titel kann man bereits nach den ersten Minuten sagen, dass das Werk von Céline Sciamma selbst wie ein wundervolles Porträt daherkommt. Jede einzelne Einstellung wirkt wie eine perfekt ausbalancierte Komposition. Vor einer malerischen Kulisse lässt Sciamma ihre beiden Hauptdarstellerinnen Noémie Merlant und Adèle Haenel vornehmlich über Blicke kommunizieren, wodurch eine ungemeine Intensität entsteht, bei der man stets genau hinschauen möchte, damit man bloß keine Nuance verpasst. Vor allem Haenel macht als Adelige, die sich nur schwer mit ihrem bevorstehenden Schicksal einer arrangierten Hochzeit abfindet, eine wundervolle Figur - stets geheimnisvoll, tief traurig aber gleichzeitig häufig von einer naiven Frohnatur. In ihren besten Momenten erinnert sie so unweigerlich an Kim Min-hees überwältigende Darbietung in Park Chan-wooks Meisterwerk Die Taschendiebin. Aber auch in den zwischenmenschlichen Interaktionen erinnert Porträt einer jungen Frau in Flammen immer wieder an die knisternde Stimmung in Parks emotionalen Thriller. Doch wo der Südkoreaner seiner Geschichte noch eine abgründige und raffinierte Thriller-Handlung hinzufügt, konzentriert sich Sciamma ganz auf die emotionalen Facetten ihrer Protagonistinnen. Und das handhabt sie mit solch einer Feinfühligkeit, wie man sie nur ganz selten erlebt. Ihr Blick auf ihre weiblichen Figuren ist von einer solch selbstverständlichen Sensibilität geprägt, sodass eine ganz andere Form von emotionaler wie erotischer Spannung entsteht. Trotz der teils freizügigen Augenblicke, sind es nicht diese Szenen, in denen das Knistern zu einem wahren Feuer heranwächst. Es sind die vielsagenden Blicke, die feinen Berührungen und die aus Angst festgehaltenen Gesten, die den Zuschauer die Luft anhalten lassen. Sciamma stellt so ihre Hauptdarstellerinnen niemals oberflächlich zur Schau, sondern zieht stets das emotionale Dilemma in den Fokus.

    Dramaturgisch ist das Werk zwar auf den ersten Blick ziemlich überschaubar, aber Regisseurin und Drehbuchautorin Sciamma gelingt es in dieser recht einfachen Rahmenhandlung viele wichtige Themen zu integrieren. So spielt das Werk zwar im 18. Jahrhundert, wirkt dennoch ungemein aktuell. Das ist vor allem der emotionalen Reife der Figuren zu verdanken und ihrer Dynamik zueinander. Denn letztendlich werden viele Themen behandelt, die nie an Aktualität verlieren. Da in ihrem Werk fast ausschließlich Frauen zu sehen sind, gelingt ihr auch ein ungemein intimer Blick auf die Weiblichkeit.
    Noémie Merlants Figur als Porträtmalerin stellt sie gekonnt vor ein emotionales Dilemma. Die eigentlich recht selbstbestimmte Frau macht mit ihrem Handwerk die eheliche Verbindung zweier Menschen offiziell. Aufgrund ihrer Gefühle zu der zu Zeichnenden begibt sie somit Verrat an sich selbst. Viele solcher Hürden werden gekonnt in die Geschichte eingearbeitet. Dabei gelingt Sciamma auch immer wieder eine wundervolle Metapher auf und mit der antiken Legende von Orpheus und seiner Geliebten Eurydike. Diese wiederkehrende Geschichte, die als durchgängiges Motiv genutzt wird, gewinnt die Filmemacherin eine neue Sichtweise ab und überträgt sie so erstklassige auf ihre eigene Geschichte.

    © 2019 Alamode Film


    Die emotionale Sogkraft, die gerade durch die selten ausgespielten Gefühle entsteht, wird mit einer bemerkenswerten Ausstattung, einer überwältigenden Kulisse und einem starken Score noch untermauert. Gerade die Küsten der Halbinsel Quiberon, auf der der Film gedreht wurde, sind ebenso beängstigend wie wunderschön. Durch den Freitod, den die Schwester der zu verheiratenden Protagonistin an einer dieser Klippen gewählt hat, wird die Bedrohlichkeit dieser Insel noch einmal verstärkt. Porträt einer jungen Frau in Flammen holt somit aus seinen Grundlagen ungemein viel heraus und unterstreicht einmal mehr, dass Céline Sciamma eine der spannendsten Filmemacherinnen unserer Zeit ist.

    Man muss allerdings dennoch zugestehen, dass Porträt einer jungen Frau in Flammen etwas Zeit braucht, um in Fahrt zu kommen. Aber hat das Werk einen einmal in seinen Bann gezogen, lässt es einen auch bis zur subtilen aber dennoch hochemotionalen Schlussszene nicht mehr los. Wenn am Ende auf Adèle Haenel gezoomt wird, dabei eine wundervolle Version von Antonio Vivaldis "Sommer", toll arrangiert von Adrian Chandler, eingespielt wird, kämpft man unweigerlich mit seinen Emotionen. Da dieses Stück bereits in der Mitte des Films einer ungemeine Bedeutung zuteil wurde, bekommt dieser beendende Augenblick eine noch größere Wucht - und Sciamma gelingt so ein immens starkes dem Werk nur würdiges Schlussbild.

    © 2019 Alamode Film

    Fazit


    Céline Sciamma erschafft mit Porträt einer jungen Frau in Flammen ein ebenso dramaturgisch wie emotional vielschichtiges Werk, wie man es nur selten erlebt. Dabei kreiert sie eine unglaubliche Bildgewalt, sodass jede einzelne Einstellung selbst zu einem Porträt heranwächst. Das französische Werk gehört fraglos zu den stärksten Dramen der letzten Jahre.


    9/10

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    Infos
    Originaltitel:
    Portrait de la jeune fille en feu
    Land:
    Frankreich
    Jahr:
    2019
    Studio/Verleih:
    Alamode Film
    Regie:
    Céline Sciamma
    Drehbuch:
    Céline Sciamma
    Kamera:
    Claire Mathon
    Musik:
    Jean-Baptiste de Laubier, Arthur Simonini
    Genre:
    Drama
    Darsteller:
    Noémie Merlant, Adèle Haenel, Valeria Golino
    Start (DE):
    31.10.2019
    Start (USA):
    14.02.2020
    Laufzeit:
    122 Minuten
    FSK:
    ab 12 Jahren
    Bilder
    • Porträt-einer-jungen-Frau-in-Flammen-01.jpg

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