Gretel & Hänsel

Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

  • Einleitung


    Osgood Perkins oder auch Oz Perkins (dann leichter zu unterscheiden zu seinem gleichnamigen Großvater) stammt aus einer Schauspierlerfamilie. Nicht nur sein Großvater übte den Beruf aus, sondern auch sein Vater Anthony, der vor allem durch seine Darstellung von Norman Bates in Alfred Hitchcocks Psycho zu großer Berühmtheit kam. Oz stand folglich auch selbst zahlreich vor der Kamera, bis es ihn in den letzten Jahren eher hinter sie gezogen hat. 2015 feierte er sein Regiedebüt mit Die Tochter des Teufels und ließ ein Jahr später den Netflix-Horrorfilm I Am The Pretty Thing That Lives In The House folgen, zu denen er beide Male auch das Drehbuch beisteuerte. Bei seinem neusten Film führte er erstmals nicht nach eigenem Drehbuch Regie. Autor Rob Hayes lieferte ihm dazu das Skript, was auf dem berühmten Grimm-Märchen Hänsel und Gretel beruht. Der Titel des Film Gretel & Hänsel deutet schon an, wer in der neusten Adaption des Märchens im Fokus steht.

    Im Zentrum des Horrorfilms steht das titelgebende junge Geschwisterpaar, das in Zeiten einer Hungersnot von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt wird. Auf der Suche nach Nahrung stoßen sie tief in einem dunklen Wald auf eine Hütte, in der sie Zuflucht suchen. Die nett wirkende alte Hausherrin gewährt ihnen diese und überschüttet sie mit köstlichen Mahlzeiten. Doch unheimliche Gemurmel fremder Kinderstimmen und mysteriöse Erscheinungen im Haus lassen Gretel Zweifel an dem Glück in der Hütte aufkommen. Nach und nach entdeckt sie, dass auch sie ein dunkles Geheimnis in sich trägt.

    In den Hauptrollen sind Sophia Lillis (Es) und Alice Krige (Star Trek: Der erste Kontakt) zu sehen.

    © 2020 Capelight Pictures

    Kritik


    Bereits nach den ersten Minuten wird klar, dass mit Gretel & Hänsel ein surrealer Trip auf einen zukommt. Doch so beeindruckend die Einstellungen und Bildkompositionen in dieser kurzen Anfangsphase daherkommen, so befremdlicher wirken die Kameraeinstellungen wie -fahrten, wenn sie den Hauptfiguren folgen. Fast schon erschreckend amateurhaft bleiben sie wackelnd an den Darstellern kleben und rücken diese in ein wahrlich unvorteilhaftes Licht. Diese irritierenden Szenen wechseln sich mit immer wieder atmosphärisch großartigen Sequenzen ab, die eine große Qualität bei Ausstattung, Szenenbild und Licht bezeugen. Visuell ist die Neuinterpretation des berühmten Grimm-Märchens in diesen Phasen überwältigend. Und dennoch können diese Szenen meist nur für sich selbst stehen und bilden keinen vernünftigen Zusammenhang, da schlicht und ergreifend der dramaturgische Bogen fehlt. So richtig scheint dabei keiner zu wissen, wo die Reise eigentlich genau hingehen soll - nicht einmal Hauptdarstellerin Sophia Lillis, die sich zwar merklich Mühe gibt, aber viel zu oft etwas verloren wirkt. Zu unentschlossen und vor allem wenig nachvollziehbar schwanken ihre Gemütszustände und so bleibt eine emotionale Entwicklung der Figur dem Zuschauer vorenthalten. Doch die undankbarste Rolle hat immer noch Samuel Leakey als Hänsel abbekommen, dessen Dialoge gefühlt zu 90 Prozent aus Fragen bestehen. So dauert es leider nicht sonderlich lange, bis man Antipathien gegen den Jungen entwickelt. Einzig Alice Krige als Hexe hinterlässt einen teilweise faszinierenden Eindruck, was zum einen an der Darstellerin selbst zum anderen aber auch an der hervorragenden Arbeit der Maske liegt.

    Trotz der immer wiederkehrenden optischen Wucht, die durch alptraumhafte Bilder genährt wird, gelingt es Regisseur Oz Perkins nicht einen Spannungsbogen aufzubauen. Durch die träge, überraschungsarme Dramaturgie ohne sympathische oder zumindest interessante Protagonisten baut sich einfach keine Spannung auf. Dazu gesellt sich ein inkonsequenter und eigentlich auch völlig überflüssiger Off-Text von Gretel, der einem auch noch jeglichen Denkvorgang abnimmt. So breitet sich trotz einzelner Szenhighlights leider unglaubliche Langeweile aus.
    Perkins und sein Drehbuchautor Rob Hayes haben durchaus versucht dem bereits mehrfach filmisch aufgearbeiteten Stoff von Hänsel und Gretel etwas Neues abzugewinnen - und das inhaltlich wie visuell. Jedoch scheitern sie gerade beim ersten Punkt kläglich, da ihnen dann doch für einen knapp neunzigminütigen Film zu häufig die dramaturgischen Ideen ausgehen und ihre Version des Märchens trotz der kompakten Laufzeit viel zu breitgetreten wirkt.
    Selbst die Horrorelemente, die den ein oder anderen Genrefilm dann doch noch ein wenig über die Laufzeit retten, gelingen hier nur sehr spärlich. Wirklich gruselig ist das Gesehene selten bis gar nicht, da die Inszenierung und die Dramaturgie immer wieder zu viel vorwegnehmen. So ist letztendlich sogar die Auflösung wenig schockierend und noch weniger überraschend. Wenn dann noch der sehr aufdringliche Score von Robin Coudert jeden Gruselmoment ankündigt, verfliegt auch die kleinste Chance auf ein wenig Schaudern.

    © 2020 Capelight Pictures


    Letztendlich merkt man Gretel & Hänsel seine großen Ambitionen an, denen man aber nur äußerst selten gerecht wird. Unsympathische wie uninteressante Figuren verweigern einem jegliches Mitfiebern, doch ist es gerade die fehlende Spannung, die dem Werk den Boden unter den Füßen wegreißt. Allerdings muss man ein großes Lob den teilweise großartig arrangierten Bildkompositionen zusprechen, die in Zusammenarbeit mit den hervorragenden Kulissen und der tollen Lichtarbeit zumindest für ein paar visuell einnehmende Augenblicke sorgen.

    Fazit


    Oz Perkins erschafft mit Gretel & Hänsel zwar ein teilweise visuell berauschendes Filmerlebnis, das darüber hinaus jedoch an seinen uninteressanten Figuren und seiner vorhersehbaren Geschichte scheitert. Dazu gesellt sich die Abwesenheit jeglicher Grusel- oder Schockmomente, wodurch sich vor allem Langeweile ausbreitet.


    4/10

    :stern: :stern: :stern: :stern: :stern2: :stern2: :stern2: :stern2: :stern2: :stern2:
    Infos
    Originaltitel:
    Gretel & Hansel
    Land:
    USA, Kanada, Irland, Südafrika
    Jahr:
    2018
    Studio/Verleih:
    Orion Pictures / Capelight Pictures
    Regie:
    Oz Perkins
    Drehbuch:
    Rob Hayes, Gebrüder Grimm (Vorlage)
    Kamera:
    Galo Olivares
    Musik:
    Robin Coudert
    Genre:
    Horror
    Darsteller:
    Sophia Lillis, Alice Krige, Samuel Leakey
    Start (DE):
    09.07.2020
    Start (USA):
    31.01.2020
    Laufzeit:
    87 Minuten
    FSK:
    ab 16 Jahren
    Bilder
    • Gretel-&-Hänsel-01.jpg

      138,69 kB, 1.426×1.080, 25.505 mal angesehen

    31.231 mal gelesen