Pleasure

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  • Einleitung


    Bei ihren gleichnamigen Kurzfilm aus dem Jahr 2013 griff Regisseurin und Drehbuchautorin Ninja Thyberg noch vornehmlich auf theoretisches Wissen über die Pornoindustrie zurück, dass sie sich durch Studien von Filmen und Büchern aneignete. Für ihr Spielfilmdebüt, das gleichzeitig die Langfilmversion ihres Kurzfilms ist, investierte sie mehrere Jahre Recherche vor Ort hinter der Kamera der Pornoindustrie in Los Angeles. Ihr war es wichtig die Leute und Mechanismen zu kennen über die sie in Pleasure erzählt. Und so kam es sogar dazu, dass abgesehen von Hauptdarstellerin Sofia Kappel fast ausschließlich Persönlichkeiten aus der Pornoindustrie vor der Kamera standen.

    Im Zentrum von Pleasure steht Linnéa, die ihre schwedische Heimat verlässt, um unter dem Namen Bella Cherry in Los Angeles der nächste große Pornostar zu werden. Auch wenn die ersten Aufträge nicht lange auf sich warten lassen, muss sie feststellen, dass sie den Weg nach oben schafft, wenn sie sich für nichts zu schade ist. Und sie muss sich schon bald die Frage stellen, wie weit sie bereit ist zu gehen.

    © 2021 Weltkino

    Kritik


    Eineinhalb Jahre hat Regisseurin und Drehbuchautorin Ninja Thyberg ihre Hauptdarstellerin gesucht. In Newcomerin Sofia Kappel fand sie dann die für sie ideale Besetzung ihrer nach Erfolg in der Pornowelt strebenden Bella. Und Kappel meistert ihre erste große Rolle auch wirklich gut und die verlangt ihr auch einiges ab. Zwischen Erniedrigungen, Euphorie, Wut, Verletzungen, Trauer und Schmerz muss sie eine ganze Bandbreite von Emotionen abdecken und das gelingt ihr durchweg. Mit einer gewissen Unnahbarkeit lässt sie den Zuschauer dennoch an ihrem Seelenleben teilhaben, was außerordentlich passend ist, da uns die schwedische Filmemacherin hinter Pleasure zwar auf äußerst authentische Weise mitten in die Welt der Pornoindustrie wirft, wir aber über die Vergangenheit ihrer Hauptfigur kaum etwas erfahren. Ihre Beweggründe, warum sie gerade in dieser Welt Fuß fassen und zum Star werden möchte, bleiben bis auf einen "Ich liebe einfach Schwänze"-Kommentar, der mehr dahingesagt wirkt als aufrichtig, unbeantwortet. Das Vorurteil über eine Vergangenheit mit sexuellen Missbrauch als Auslöser wird mit einem unangemessenen Witz abgetan, der aber wenigstens auch als unangebracht bezeichnet wird. Dennoch kann es von der Figur Bella natürlich auch ein Schutzmechanismus sein, schließlich liegt in jedem Witz auch ein wenig Wahrheit. Explizit wird nicht näher darauf eingegangen, doch die Verlorenheit, die Kappel immer wieder mitspielt und ihre Reaktion bei einem Dreh mit erniedrigenden Sexszenen, bei dem ausschließlich Männer anwesend sind im Vergleich zu einem SM-Dreh mit einigen weiblichen Teammitgliedern lassen zumindest den Raum für solche Deutungen.

    Aber gerade bei dem SM-Dreh spürt man auch Thybergs Appell an den Wandel in dem Geschäft. Denn nicht immer alles ist niederträchtig und negativ behaftet. Bei der Sequenz sieht man, mit wie viel Feingefühl und Respekt ein Team hinter einem solchen Dreh sein kann. So gelingt es der schwedischen Filmemacherin durchaus ein ambivalentes Bild der doch so verruchten Industrie zu zeigen, die wie fast jede Branche ihre Schattenseiten wie ihre positiven Seiten hat. Letztendlich lassen sich die Machtstrukturen in dieser immer noch von Männern dominierten Welt auch auf etliche andere Bereiche projizieren. Gerade durch ihren teilweise schon dokumentarisch wirkenden Stil, der durch die zahlreichen echten Persönlichkeiten aus dem Business noch unterstreicht wird, festigt sie einen fast schon wertfreien Blick auf die Strukturen, Menschen und Arbeitsbedingungen. Das bietet eine erfrischende Sichtweise, da die Regisseurin nicht vor expliziten Darstellungen zurückschreckt, dabei aber nie voyeuristisch daherkommt. Zwar ist es auch als Zuschauer nicht immer leicht anzuschauen, was Thyberg präsentiert, doch geht sie stets offen mit ihren Themen um, wodurch Berührungsängste spürbar genommen werden. Letztendlich ist es ja immer noch verwunderlich, dass das Thema Sex uns tagtäglich begleitet und dennoch von der Gesellschaft häufig als Tabuthema deklariert wird.

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    Durch die fiktionale Geschichte um die aufstrebende Bella bietet uns die Drehbuchautorin und Regisseurin in Pleasure eine Identifikationsfigur, sodass der Zugang zur Thematik deutlich erleichtert wird und vor allem auch ein emotionale Bezug aufgebaut wird. In diesem Zug durchbricht Thyberg immer wieder ihre so authentisch wie dokumentarisch angehauchte Stimmung. Und auch die Co-Stars von Sofia Kappel bringen merklich eigenen Input mit, wobei ganz besonders Evelyn Claire als großer Star am Pornohimmel eine berührende Tiefe mitbringt. Kappels Figur hingegen scheint kein Preis zu teuer zu sein, um ebenfalls diese Position zu erreichen. Diese charakterliche Konsequenz geschieht zwar durchaus auf Kosten der Empathie der Zuschauer und auch der neutrale Blick der Filmemacherin auf das Geschehen hält einen emotional immer etwas zu sehr auf Abstand, doch gelungen ist dieser authentische Blick hinter eine der größten Industrien unserer Zeit dennoch.

    Fazit


    Regisseurin und Drehbuchautorin Ninja Thyberg gelingt mit ihrem Spielfilmdebüt Pleasure einer der bisher wohl authentischsten Filme über die Pornoindustrie. Mit einem überraschend wertfreien Blick auf diese Welt ermöglicht sie so einen glaubhaften Eindruck von der Welt hinter der Kamera dieser Produktionen, auch wenn dabei leider der emotionale Bezug etwas abhanden kommt.


    7/10

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    Infos
    Originaltitel:
    Pleasure
    Land:
    Schweden, Niederlande, Frankreich, USA
    Jahr:
    2021
    Studio/Verleih:
    Weltkino
    Regie:
    Ninja Thyberg
    Drehbuch:
    Ninja Thyberg, Peter Modestij
    Kamera:
    Sophie Winqvist
    Musik:
    Karl Frid
    Genre:
    Drama
    Darsteller:
    Sofia Kappel, Revika Anne Reustie, Evelyn Claire
    Start (DE):
    13.01.2022
    Laufzeit:
    109 Minuten
    FSK:
    keine Jugendfreigabe
    Bilder
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