Macbeth (2021)

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  • Einleitung


    Macbeth zählt zu den bekanntesten Stücken von William Shakespeare und wurde bereits zahlreich verfilmt. Angefangen bei einem Stummfilm von 1908 von J. Stuart Blackton über Orson Welles und zuletzt Justin Kurzel, der das ganze mit einem schottischen Akzent versehen hat, zu loseren Interpretationen von Geoffrey Wright (2006), der seinen Film in die Gegenwart katapultierte, sowie Akira Kurosawa, der die Geschichte in "Throne of Blood" nach Japan verfrachtete, um nur einige zu nennen - Macbeth war für Filmemacher stets interessant und ist es auch heute noch.

    Auch Joel Coen, eine Hälfte der Coen-Brüder, die vor allem mit Filmen wie "No Country for Old Men", "True Grit", "The Big Lebowski" und "Fargo" von sich Reden machten, hat das Potenzial der Vorlage erkannt und eine weitere Adaption auf die Beine gestellt. Bei so vielen bereits vorhandenen Verfilmungen stellt sich immer die Frage, ob es einen weiteren Film braucht, aber dies kann man in diesem Fall vorweg eindeutig mit "ja" beantworten.





    Kritik


    Coen hat sich in seinem Film ganz bewusst für ein schwarz-weißes Bild entschieden, welches ihm unzählige Möglichkeiten bietet. Denn Coen spielt und arbeitet in Macbeth sehr viel mit Licht und Schatten, was bei Schwarz-Weiß besonders gut zur Geltung kommt. Zum einen hebt das seinen Film von einer Theaterproduktion ab, denn der Rest des Films versucht erst gar nicht, übermäßig real wirkende Sets zu präsentieren, sondern setzt auf kühlen Minimalismus. Man hat stets das Gefühl, dass man ein Theaterstück mit etwas besseren Kulissen sieht, was zum einen der Ursprung des Stücks von Shakespeare selbst ist, zum anderen aber auch inhaltlich eine Bedeutung hat, bezieht sich Macbeths berühmter Schlussmonolog doch auf die Welt ansich, die nicht mehr als eine Bühne ist, während wir Lebenden auch nur die Schauspieler sind, die ihre Rolle auf dieser Bühne erfüllen müssen ("Life's but a walking shadow, a poor player / That struts and frets his hour upon the stage, / And then is heard no more.").

    Doch nicht nur die Kulissen erinnern ans Theater, Coen verfolgt durchweg einen sehr minimalistischen Stil, der seine Charaktere und auch den frühneuenglischen Originaltext von Shakespeare in den Mittelpunkt rückt. Hierzu hat sich Coen für kleinere Änderungen gegenüber der Vorlage entschieden, die aber kaum ins Gewicht fallen und dem Wesentlichen schnörkellos den notwendigen Raum geben. Nichts soll vom Text oder Geschehen ablenken, und die gesamte Inszenierung dient lediglich dem Text.

    Coen bedient sich hier also bewusst einer gewissen Theateroptik, gleichzeitig aber ist er immer noch Filmemacher, der einen Film dreht, und hier kommt die Arbeit mit Licht und der Kamera ins Spiel. Die filmischen Elemente erinnern sehr an die Anfangszeit des Films, insbesondere das Bildformat 1,19:1 trägt dazu bei. Noch wichtiger sind im Gegensatz zur recht starren Perspektive im Theater dann aber die vielen unterschiedlichen Winkeln, Kamerafahrten und eben besagtes Licht, welches Coen hier anwendet. Licht und Schatten sind aber auch inhaltlich relevant, repräsentieren sie auch die Tatsache, dass das Böse stets nah beim Guten liegt, und das Pech oft auf Glück folgt. Letzteres passt zum sogenannten Wheel of Fortune der Elisabethanischen Zeit Shakespeares, wo man von einer grundlegenden Ordnung ausging, die sich aber auch jederzeit ändern könnte. So kann man erfolgreich sein, aber sehr schnell auch wieder vom Pech verfolgt werden, je nachdem, wonach Fortuna gerade ist.

    Auch der Ton wird von Coen gezielt genutzt, indem zum Beispiel der prominente Trommelschlag aus den Trailern auch im Film gezielt verwendet wird. Das erste Mal wird dieser beim Text "A drum, a drum! / Macbeth doth come" genutzt, aber der Film bedient sich auch im Weiteren diesem Trommelschlag. Dies ist nicht von ungefähr, arbeitete Shakespeare in Macbeth viel mit Foreshadowing, also Hinweisen, dass etwas bestimmtes noch im weiteren Verlauf geschehen wird. Der immer wieder hörbare Trommelschlag trägt zu einer bedrückenden Atmosphäre bei und suggeriert dem Zuschauer unbewusst, dass noch ein Unheil passieren wird. Hier schließt sich der Kreis zum Wheel of Fortune, aber auch zu der ohnehin erwartbaren Katastrophe, haben wir es bei Macbeth bekannterweise mit einer Tragödie zu tun. Doch auch in vielen anderen Bildern verstecken sich Hinweise auf das folgende Geschehen, wenn man Coens Bildsprache nur ganz genau unter die Lupe nimmt. Dies beginnt schon beim ersten Bild mit den drei Krähen, die hier die Weird Sisters repräsentieren sollen, und vor allem im Mittelalter als Vorboten des Todes galten. Dies in Verbindung mit der Funktion der Weird Sisters, die die Geschehnisse mit ihren Prophezeiungen anstoßen, hat sehr viel Symbolcharakter.

    Die Weird Sisters werden im weiteren Film jedoch auch noch anders dargestellt: Kathryn Hunter spielt gleich alle drei Hexen, zwei davon als Schatten, während Hunter in der Mitte steht. Es macht pure Freude zu sehen, wie viel frischen Wind man mit solch einer kreativen Inszenierung in dieses Stück bringen kann. In einer weiteren Szene stellt Hunter ihre Verrenkungskünste zur Schau, was ihrem Charakter eine gewisse Absonderlichkeit verleiht, so dass sich ein fremdartiges und unheimliches Gefühl beim Zuschauer einstellen kann. Doch ist diese Absonderlichkeit bei den Weird Sisters auch wichtig: Die Welt gerät aus den Fugen, nachdem die eigentliche Ordnung gestört wird. Da die Hexen diese Unordnung verursacht haben, sind sie selbst schon außerhalb dieser Ordnung und verhalten und bewegen sich anormal (siehe auch ihr Ausspruch "Fair is foul and foul is fair"). Und, ihr Name sagt es ja schon: Sie sind nun einmal weird.

    Hunter kann als alle drei Hexen allerdings nicht nur optisch überzeugen, auch ihre rauchige Stimme trägt zum Grusel der Charaktere bei. Ihre Zeilen spricht sie absolut überzeugend und intensiv, aber hierzu muss auch gesagt werden, dass Hunter sogar am Londoner Globe Theatre sowie bei der Royal Shakespeare Company schon in einigen Stücken des berühmten Dichters auf der Bühne stand und sich mit der Materie also schon bestens auskennt.

    Auch die beiden Hauptdarsteller von Macbeth, Denzel Washington und Frances McDormand, haben bereits Shakespeare-Erfahrungen sammeln können: Washington war Anfang der 1990er Jahre in Kenneth Branaghs "William Shakespeare's Viel Lärm um nichts" zu sehen, McDormand sammelte am Theater entsprechende Erfahrungen als Lady Macbeth, wo übrigens dann auch die Idee zu diesem Film entstand. Dass die beiden Darsteller, die für ihre Darbietungen bereits mehrfach mit Oscars ausgezeichnet wurden, abliefern, daran hat wohl keiner gezweifelt. Washington setzt seinen Fokus bei der Titelfigur auf dessen Arroganz und präsentiert eine seiner besten Leistungen. Die Rolle der Lady Macbeth galt schon immer als anspruchsvoll, und auch dies kann McDormand hervorragend meistern. Ihre Interpretation ist weniger fragil, wenig hysterisch, sondern sehr selbstsicher, und bietet einiges an Stoff für entsprechende tiefergehende Analysen. Der Rest des Casts, unter anderem noch mit Alex Hassell und Brendan Gleeson besetzt, weiß ebenfalls zu überzeugen. Es ist übrigens interessant zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit man nicht nur beim Hauptdarsteller in Macbeth auf Diversität setzt.




    Fazit


    Joel Coen hat mit Macbeth einen perfekten Hybriden aus Theater und Film geschaffen und damit frischen Wind in William Shakespeares Stück gebracht. Stets der Vorlage treu, setzt der Regisseur visuell und akustisch bestimmte Schlüsselelemente in den Vordergrund. Der große Star ist die Inszenierung, denn so intensiv und auf das Wesentliche reduziert hat man Shakespeares Klassiker noch nicht gesehen. Doch auch die Darsteller liefern tolle Leistungen. Nicht nur für Shakespeare-Fans ein Highlight, sondern auch für alle, die großartige Inszenierungen und tolles Schauspiel genießen möchten.


    8,5/10

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    Zweitmeinung


    BurningIn einer wunderschön anzusehenden Kombination aus Theater und Filmelement, erweist sich das neue Werk von Joel Coen als ein echter Hingucker, der vor allem durch seine minimale Ausstattung in Verbindung mit den überaus pompösen Bildern zu überzeugen weiß. Inhaltlich werden hier keine großartigen Überraschungen geboten, die Umsetzung macht hier den größten Reiz aus. Die alte Sprache, das hervorragende Schauspiel sämtlicher Beteiligter, allen voran Denzel Washington, der hier eine der besten Leistungen seiner Karriere aus der Krone zaubert. Macbeth ist ein Genuss für Augen und Ohren, verpackt dabei die altbekannte Geschichte in einem raffinierten modern-alten Gewand und fesselt so fast über die ganze Laufzeit. 8/10
    Infos
    Originaltitel:
    The Tragedy of Macbeth
    Land:
    USA
    Jahr:
    2021
    Studio/Verleih:
    A24/Apple TV+/IAC Films
    Regie:
    Joel Coen
    Produzent(en):
    Joel Coen, Frances McDormand, Robert Graf
    Drehbuch:
    Joel Coen
    Kamera:
    Bruno Delbonnel
    Musik:
    Carter Burwell
    Genre:
    Literaturverfilmung
    Darsteller:
    Denzel Washington, Frances McDormand, Bertie Carvel, Alex Hassell, Corey Hawkins, Harry Melling, Brendan Gleeson, Moses Ingram
    Inhalt:
    Denzel Washington und Frances McDormand spielen die Hauptrollen in Joel Coens kühner und unerbittlicher Adaption – eine Geschichte über Mord, Wahnsinn, Ehrgeiz und zornige Arglist.
    Start (DE):
    14.01.22 bei Apple TV+
    Laufzeit:
    105 Minuten
    FSK:
    noch nicht geprüft
    Bilder
    • Macbeth.jpg

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