The Treacherous (Extended Cut)

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  • Einleitung


    Prince Yeonsan gilt bis heute als der furchtbarste Tyrann in Koreas Geschichte. Nicht nur, dass er dem Wahnsinn nahe galt, er lebte diesen auch zügellos aus. Nachdem er erfuhr, dass seine Mutter vergiftet worden war, erschlug er 2 Konkubinen seines verstorbenen Vaters, tötete seine Großmutter und ließ Unmengen an Politikern exekutieren, die etwas mit dem Mord seiner Mutter zu tun haben könnten - und sei die Wahrscheinlichkeit noch so gering. All diese Aktionen waren verboten, selbst für einen König. Nach seinen Taten ließ er tausende junge Frauen in seinem Land entführen und in den Palast bringen, damit sie seinen unstillbaren sexuellen Durst löschen sollen. Und das ist nur ein Auszug aus den Gräueltaten, die Yeonsan verübte.

    Skandalöse historische Figuren werden gerne in der Popkultur aufgearbeitet und auch Yeonsan war bereits mehrfach Teil von Filmen und Serien. Neben dem populären wie in gewissen Zügen für sein Land wegweisenden The King and the Clown gehört The Treacherous zu den bekanntesten Vertretern. Im Gegensatz zu vielen anderen filmischen Umsetzungen versuchte Regisseur Min Kyu-dong die Grenzen des Zeigbaren auszuloten, sodass sein historisches Werk in zahlreichen Ländern zu Skandalen führte. Dabei kursieren zwei Schnittfassungen - eine internationale rund 100 Minuten lange, die mehr auf schnelle sensationsorientierte Unterhaltung zielt, sowie die gut 130 Minuten lange koreanische Originalfassung (in Deutschland als Extended Cut benannt), die dramaturgisch deutlich facettenreicher daherkommt, allerdings auch noch freizügiger und brutaler ist. Jedoch wirkt der Kontext etwas anders.
    In der folgenden Besprechung werfen wir einen Blick auf beide Fassungen.

    Im Zentrum von The Treacherous stehen Prinz Yeonsan, sein Beamter Im Soong-jae sowie die um die Gunst des Herrschers ringenden Frauen Dan-hee und Seol Joong-mae. Während Yeonsan nach dem Tod seiner Mutter seiner Wut freien Lauf lässt und so sich eine tyrannische Herrschaft entfaltet, versucht Im den unkontrollierten Prinzen für seine Zwecke zu nutzen, indem er ihn manipuliert. Um weiter in der Gunst des Herrschers zu stehen, organisiert er das Zusammentreiben von tausenden jungen Frauen, die den ausufernden sexuellen Drang des Mannes an der Macht befriedigen sollen. Diese müssen ein hartes Auswahlverfahren durchlaufen, um ihm würdig zu sein. Dabei kämpfen die beiden Frauen Dan-hee und Seol jeweils aus unterschiedlichen Gründen um die Aufmerksamkeit von Yeonsan.

    Als Darsteller sind unter anderem Ju Ji-hoon (Kingdom), Lim Ji-yeon (Spiritwalker), Kim Kang-woo (High Society auf Koreanisch), Lee Yoo-young (Dr. Brain) sowie Cheon Ho-jin (Lucid Dream) zu sehen.

    © 2022 Busch Media Group

    Kritik


    Bereits in den ersten Minuten unterscheiden sich die beiden Filmfassungen deutlich. Die Einleitung über den Tod von Yeonsans Mutter und seine von Blut getränkte Reaktion darauf fällt in der koreanischen Version ein ganzes Stückchen länger aus, sodass die Wut des Prinzen deutlich stärker untermauert wird. Dabei bebildert Regisseur Min Kyu-dong die schrecklichen Taten erschütternd und gleichzeitig ästhetisch. Diesem Prinzip bleibt der Filmemacher auch über die komplette Laufzeit seines Werkes treu. Die preisgekrönte Ausstattung, die epochalen Bilder sowie die bis ins Detail durchkomponierten Kulissen sind ein Fest für das Auge. Und doch liegt den gezeigten Gräueltaten immer auch die nötige Schwere inne, sodass die blutigen Augenblicke nie zum puren Voyeurismus verkommen. Ganz besonders in der etwa 30 Minuten längeren Fassung unterstreichen sie oft die Verlorenheit des Prinzen, der durch die ausführliche Laufzeit auch deutlich mehr Tiefe bekommt. So wird Yeonsan zu einer Figur, die wie ein verängstigtes Raubtier hilflos um sich schlägt und seine emotionale Ruhelosigkeit in teils krankhaften Verhaltensmustern kanalisiert. So fixiert er sich ungemein auf seine Urtriebe, die ihm schnelle aber wenig dauerhafte Befriedigung liefern. Dazu gehört natürlich dann auch ein ausufernder Sexualtrieb, dem sich The Treacherous zugegebenermaßen ausführlich widmet. Vor allem in der kürzeren Fassung degradiert dieser Fokus das Werk unverdient, da dadurch schnell das Gefühl aufkommt, das Werk zielt lediglich auf skandalöse Sequenzen, um darüber an Aufmerksamkeit zu gewinnen. Da in dieser Version einige wichtige, auch emotional entscheidende Szenen fehlen, deklassieren diese Kürzungen Yeonsans Verhalten zu einem oberflächlichen Wahnsinn. Dieser wird durch das teilweise etwas übertriebene Spiel von Kim Kang-woo noch zusätzlich untermauert und wirkt an einigen Stellen dann auch aufgesetzt und etwas nervtötend. Hier merkt man dann auch im Vergleich zum Extended Cut die Wirksamkeit des Schnitts. Denn in der längeren Version fällt dieses Manko nur sehr wenig ins Gewicht, da hier die psychologische Seite des Prinzen viel besser aufgearbeitet wird und seine extrovertierten Ausbrüche mehr wie ein Kaschieren seiner Angst daherkommt. Plötzlich bekommen die selben Szenen ein ganz anderes Gewicht. Dennoch schlägt Kims Darbietung auch hier hin und wieder etwas über die Stränge.

    Als Gegenpol wird Ju Ji-hoons Im Soong-jae präsentiert, der anstelle von den impulsiven Handlungen des Herrschers sehr überlegt agiert. Sein Verhalten gibt sich zu kaum einem Zeitpunkt seiner emotionalen Verfassung hin, sodass stetig der Verstand die Kontrolle beherrscht. Ju gelingt dies auch mit seinem reservierten aber durchweg nuancierten Spiel mit Leben zu füllen. Aber auch seine Figur profitiert von der längeren Fassung, da ihr eine stärkere emotionale Komponente zugeschrieben wird, was einen sein Verhalten zum Ende hin viel besser nachempfinden lässt und wodurch auch ein prägnanter Dialog zwischen Im und seinem Vater spürbar mehr Wucht bekommt, bei dem Ju dann auch mal etwas aus der Haut fahren darf.
    Lediglich bei der Darstellung einer der beiden weiblichen Hauptfiguren ändert sich wenig bei den beiden Fassungen. Lee Yoo-youngs Konkubine strebt gänzlich nach dem Wunsch nach Macht, auch wenn die Darstellerin ihrer Figur immer wieder versucht ein paar Facetten abzugewinnen, die ihre Rolle nicht auf den ersten Blick hergibt. Dadurch bleibt auch ihr teils skrupellos agierender Charakter angenehm greifbar. Auf der anderen Seite steht mit Dan-hee eine Figur, deren wahren Beweggründe etwas im Verborgenen gehalten werden. In der internationalen Fassung kommt da der Twist etwas abrupt und wird wenig aufgebaut, wohingegen in der koreanischen Fassung diesem deutlich besser zu folgen ist - intellektuell wie emotional. Letzteres erreicht zwar in beiden Versionen nicht die Kraft, die möglich wäre, bleibt aber dennoch zumindest nachvollziehbar - mal eben etwas besser und mal eben etwas schlechter. Darstellerisch ist Lim Ji-yeon eine tolle Besetzung, die es gekonnt versteht etwas Besonderes auszustrahlen, was ihre Figur im Kontext der Geschichte ja auch ausmacht. Gerade während ihrer Schwerttänze entwickelt sie einen wunderschönen Ausdruck, sodass man es ohne weiteres verstehen kann, dass der Prinz ihr verfällt. Sie verbindet auf gekonnte Weise eine emotional weiche mit einer emotional zielstrebigen Seite. Folglich geht von ihr eine spannende Faszination aus. Ganz besonders gelingt es dem Extended Cut aber die Beziehung zwischen Dan-hee und Im berührender zu gestalten, was nicht nur Ims Wandlung kohärenter macht, sondern auch Dan-hees Entschlossenheit untermauert.

    © 2022 Busch Media Group


    Neben den Figuren bricht Regisseur und Drehbuchautor Min Kyu-dong aber auch immer wieder gerne mit tabuisierten Sehgewohnheiten. Überraschend offen geht er während des Trainings der Konkubinen mit Sexualität um und bietet einige ungewohnt direkte Trainingsmethoden auf. Obwohl The Treacherous auch ungemein freizügig ist, kurbelt er diesen Aspekt in dieser Phase angemessen zurück, behandelt das Thema Sexualität aber ohne unangebrachte Scham. So kommen diese Sequenzen erfrischend direkt daher und lassen einen auch die Härte des Trainings spüren.
    Abseits davon hält sich Min mit der Darstellung von unbekleideten Menschen nicht zurück. Auch hier gelingt es ihm, in großen Zügen die Balance zwischen Ästhetik und Voyeurismus zu wahren - teilweise betörend, teilweise abstoßend, teilweise auf erschreckende Weise beides. Gerade Yeonsans Drang nach Kunst besonders seine Zuneigung gegenüber dem Malen visualisiert der Filmemacher über solche Szenen auf faszinierende Art. Denn wie die Motive des Prinzen kommen auch diese Sequenzen fast immer malerisch daher, wenn auch ihr Motiv etwas anderes erzählt. Doch wie bereits oben erwähnt, gelingt es Min hier auch dem Schönen immer auch die Tragik abzugewinnen, sodass bei all der Ästhetik man die Szenen nie wirklich gänzlich genießen kann.

    Leider gelingt der kürzeren Fassung diese Ambivalenz zu häufig nicht. Obwohl in den 30 Minuten mehr auch mehr Sex geboten wird, erscheint dieser in dem Fall mit mehr Fingerspitzengefühl. Das spiegelt sich besonders in einer Szene wider, als eine Frau zu einem unangenehmen Blowjob gezwungen wird. In der kürzeren Version setzt man auf ein voyeuristisches Bild und zeigt die Frau im Anschluss noch, wie ihr der Erguss aus dem Mundwinkel läuft. In der längeren Version fehlt diese Einstellung komplett, da sie für die Wirkung der Szene völlig unerheblich, ja gänzlich unpassend ist. An diesem Augenblick wird besonders deutlich, dass man bei der internationalen Fassung ganz besonders auf Schlagzeilen wie "Skandalös!", "Erschütternd!" oder "Freizügig und blutig!" gesetzt hat. Diese Aussagen werden der originalen Fassung aber einfach nicht gerecht, denn Regisseur Min präsentiert mit The Treacherous ein visuell überwältigendes Werk, das den Abgrund der menschlichen Seele ebenso aufzeigt wie das Sanfte, das ihr innewohnt. Dazu toll von dem Darstellerensemble gespielt, sodass die Figuren stets greifbar sind. Ganz besonders das erweiterte Ende im Extended Cut macht das noch einmal deutlich.

    Darüber hinaus hält die Langfassung auch noch eine andere interessante Abweichung parat. Im Gegensatz zur Kurzfassung wird das Werk von einer Off-Stimme begleitet, die im Originalton (den wir bei fernöstlichen Filmen sowieso immer dringlichst empfehlen) einige Textpassagen im traditionellen Sprachgesang präsentiert. Daran muss man sich zwar etwas gewöhnen, übt dann aber auch eine interessante Faszination aus.

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    Fazit


    The Treacherous zeigt einmal mehr, was verschiedene Schnittfassungen eines Films für eine unterschiedliche Wirkung erzielen können. Bleibt die etwas lieblose Kurzfassung oberflächlich und auf die plakative Skandalschiene gepolt, bieten die 30 Minuten mehr einen deutlich tiefergehenden Eindruck von Figuren und Handlung, der den Zuschauer zu bewegen weiß. Auch wenn visuell beide Versionen fraglos beeindruckend sind, so bleibt die eine Fassung leider irgendwie belanglos, wohingegen die längere Version ein groß aufgezogenes, überraschend offenes Historienspektakel ist, das trotz seiner Ästhetik auch stets eine gewissen Traurigkeit mitschwingen lässt.


    5/10

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    Extended Cut
    8/10
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    Infos
    Originaltitel:
    간신 (Ganshin) / The Treacherous (engl. Titel)
    Land:
    Südkorea
    Jahr:
    2015
    Studio/Verleih:
    Lotte Entertainment / Busch Media Group
    Regie:
    Min Kyu-dong
    Drehbuch:
    Min Kyu-dong, Lee Yoon-Sung
    Kamera:
    Park Hong-ryeol
    Musik:
    Kim Jun-seong
    Genre:
    History, Drama
    Darsteller:
    Ju Ji-hoon, Lim Ji-yeon, Kim Kang-woo, Lee Yoo-young, Cheon Ho-jin
    Start (DE):
    22.04.2022 (Heimkino)
    Laufzeit:
    103 Minuten / 131 Minuten
    FSK:
    keine Jugendfreigabe
    Bilder
    • The-Treacherous-03.JPG

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