The Whale

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  • Einleitung


    Brendan Fraser war besonders Ende der 90er sowie zu Beginn der 2000er einer der gefragtesten Schauspieler in Hollywood. Doch selbst zu dieser Zeit war er nicht gerade für seine emotional vielschichtigen Darbietungen bekannt. Mit Filmen wie Die Reise zum Mittelpunkt der Erde, Tintenherz, Teuflisch oder der Die Mumie-Reihe lag sein Fokus merklich auf leichtfüßige Unterhaltungsfilme mit wenig tiergehenden Figuren. Nach einer über viele Jahre nun unauffälligen Laufbahn in Film und Fernsehen, meldet sich Fraser mit einer Performance zurück, die in jeglichen Belangen berechtigt oscarprämiert wurde.

    In The Whale verkörpert er einen zurückgezogenen mit schwerem Übergewicht kämpfenden Mann, der noch einmal einen Versuch startet, sich mit seiner entfremdeten Tochter zu versöhnen.

    Neben Fraser sind unter anderem noch Hong Chau (The Menu), Sadie Sink (The Americans) und Ty Simpkins (Iron Man 3) zu sehen.
    Das auf dem gleichnamigen Bühnenstück basierende Werk wurde von Darren Aronofsky (The Wrestler) inszeniert.

    © 2023 Plaion Pictures

    Kritik


    Bei einem Drama von Regisseur Darren Aronofsky, der psychologisch tiergehende und teils verstörende Werke wie Requiem for a Dream, The Fountain oder mother! inszenierte, die auch immer von einer inszenatorischen Kreativität getragen wurden, hat man natürlich gewisse Erwartungen an einen Film, der sich einem übergewichtigen, emotional verlorenen Mann widmet. Doch The Whale kommt im Vergleich zu den genannten Titeln überraschend minimalistisch daher und ist so am ehesten mit Aronofskys The Wrestler zu vergleichen, der ebenfalls auf unnötige inszenatorische Spielereien verzichtete. Doch im Gegensatz zu dem Werk schwächelt The Whale gehörig an der Dramaturgie. Zu sehr wird sich im bemitleidenswerten Elend der Hauptfigur Charlie gesuhlt, aber ganz besonders zu pathetisch kommen die Dialoge daher. Wenn beispielsweise Charlie via Videokonferenz seinen Studenten erklärt, wie man beim Schreiben von Essays mit Klarheit seine Argumente formuliert und sie mit Wahrheit und Ehrlichkeit füllt, ist das inhaltlich nicht nur wenig kreativ, sondern vielmehr plakativ und aufgesetzt.
    Aber auch abseits der Dialoge fehlt es dem Werk einfach an einer klaren Linie. Zu sehr entgleitet es immer wieder kurz in Richtungen, die zu der eigentlichen Handlung wenig bis gar nichts beitragen. Mehr Fokus auf den emotionalen Kern der Geschichte, hätte dem Film dramaturgisch spürbar gut getan. Ganz besonders der Konflikt zwischen Charlie und seiner Tochter, warum er die Familie vor Jahren verließ, wird nahezu beiläufig abgehandelt und hätte das eigentliche emotionale Konfliktpotential geboten.

    Regisseur Aronofsky kann dennoch nicht gänzlich auf gestalterische Spitzen verzichten und so versucht er hin und wieder seine Erzählung mit bedeutungsschweren Visualisierungen zu untermauern. Die symbolträchtigen Bilder stehen da allerdings immer wieder im Kontrast zu dem ansonsten naturalistisch angelegten Kammerspiel und erschaffen keine wirkliche Symbiose, sodass die meisten dieser Szenen wie Fremdkörper wirken. Im gleichen Zug ist es aber auch die zurückhaltende Regie, die auf inszenatorische Spielereien nahezu verzichtet, die gerade bei den beiden Jungdarstellern Sadie Sink und Ty Simpkins die schauspielerischen Grenzen aufzeigt. Besonders wenn für ein so minimalistisches Werk nach Bühnen-Performance anmutend viel Bewegung geschieht, wirken einige Darbietungen aufgesetzt.
    Doch Sink und Simpkins haben auch noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dramaturgischer Natur sind. So wirkt die Storyline um Simpkins' Missionar nahezu überflüssig. Den wichtigen Input, den seine Figur der Geschichte gibt, hätte man in deutlich kleinerem Rahmen ausführen können. So wird sein Handlungsstrang unnötig in die Länge gezogen und bremst The Whale in erster Linie aus - ja, im schlimmsten Fall reißt sie einen sogar aus dem Geschehen, da die religiösen Aspekte sich einfach nicht in das Gesamtbild einfügen.

    Sink hingegen muss sich als entfremdete Tochter Charlies mit einer ungemein unsympathischen Figur herumschlagen, die sie, mit Ausnahme von einer Szene, mit einer nervtötenden trotzigen Art darstellt, sodass man zu ihr kaum einen Zugang findet. Weiche Nuancen sucht man sehr lange vergebens und so verkommt ihre aufmüpfige Art zu einem gänzlich verletzenden Verhaltensmuster. Einige unangemessene Kommentare sind in dessen Zuge ebenfalls nicht hilfreich. Die einzigen positiven Gefühle, die man ihr entgegenbringen kann, ziehen sich aus Charlies reiner, optimistischer aber eben auch naiver Art, die er ihr trotz allem entgegenbringt. Bei ihrer großen guten Tat wird dann berechtigt hinterfragt, ob sie das nicht eigentlich aus böswilligem Antrieb heraus angeschoben hat. Und doch glaubt Charlie stets weiterhin an das Gute in ihr. Anstatt, dass sich dies auf den Zuschauer überträgt, degradiert es in diesem Punkt Charlie, da sein Glaube in seine Tochter Ellie kaum eine nachvollziehbare Grundlage hat. So verkommen seine Lobgesänge auf sie leider zur inhaltlosen Behauptung - trotz atemberaubender Performance von Hauptdarsteller Brandan Fraser.

    © 2023 Plaion Pictures


    Denn Fraser liefert nicht minder als eine schauspielerische Leistung für die Ewigkeit ab. Der eigentlich für komödiantische Werke wie Teuflisch oder George, der aus dem Dschungel kam bekannte Darsteller verkörpert seine Figur mit solch einer Natürlichkeit und emotionalen Tiefe, dass man unweigerlich mitgerissen wird. Hier wird einmal mehr bewiesen, dass es sich immer wieder lohnt, auch Schauspieler gegen ihren Typus beziehungsweise ihr Image zu besetzen. Bedenkt man, dass Fraser in den letzten 20 Jahren fast ausschließlich Klamauk oder B-Movie-Thriller-Kost gedreht hat, ist es überwältigend mit welch einer selbstverständlichen Wucht er hier auftritt. Zuletzt gelang das in dieser überraschenden, ausufernden Qualität dem aus romantischen Liebeskomödien bekannten Heath Ledger, als er in Christopher Nolans The Dark Knight dem Kultbösewicht Joker eine in Gestus, Mimik und Sprache erschütternde Natürlichkeit verlieh und so in die Filmgeschichte einging. Frasers Figur schlägt selbstverständlich in eine völlig andere Richtung, doch auch hier ist jedes gesprochene Wort, jede Bewegung, jeder Gesichtszug, jeder Blick, ja, jede Nuance dermaßen auf den Punkt, dass es einen bis in letzte Zelle seines Körpers zutiefst berührt. Man hinterfragt nicht in einer Sekunde, dass Frasers Charlie nicht sein enormes Gewicht mit sich herumträgt. Zu natürlich wirkt Frasers schwerfällige Atmung, zu normal der enorme Kraftaufwand, den jede Bewegung birgt.
    Doch die größte Stärke von Frasers Performance bleibt die ansteckende Emotionalität, die er in jeder Sekunde an den Tag legt. Wenn er lacht, scheint die ganze Welt zu strahlen und wenn der Satz „I need to know, that I’ve done one thing right with my life“ aus ihm herausbricht, scheint Fraser die ganze Verzweiflung seines Lebens dort hineinzulegen, sodass es einem das Herz in Stücke reißt. Dass man emotional von einer schauspielerischen Leistung in der Form abgeholt wird, darf man viel zu selten erleben.
    Und ganz besondere Wirkung erhält diese darstellerische Kraft noch zusätzlich im Zusammenspiel mit Hong Chau. Nicht nur ist die Dynamik zwischen Chaus Figur Liz und Frasers Charlie eine der wirklich gelungenen dramaturgischen Qualitäten, sondern auch die Chemie der beiden Darsteller ist zum Niederknien. So sind Chaus trockene teils grenzwertige Äußerungen, die sich auf Charlies Befinden beziehen, ungemein lustig. Aber eben, weil zwischen den beiden Figuren auch immer wieder ganz viel Zärtlichkeit geschieht.

    Trotz der inhaltlich sehr plakativen und dramaturgisch unfokussierten Umsetzung ist es so dem Schauspielduo Fraser/Chau zu verdanken, dass The Whale am Ende dennoch sehenswert bleibt.

    Fazit


    The Whale bietet einen phänomenalen Hauptdarsteller, dem es auch gelingt, aus einem dramaturgisch schwachen sowie inszenatorisch unausgegorenen Werk alles herauszuholen, was möglich ist. Trotz der zweifellos als "Must-See"-Performance zu beschreibenden Darbietung Brendan Frasers bleibt am Ende nur ein leicht überdurchschnittliches Werk.


    6/10

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    Infos
    Originaltitel:
    The Whale
    Land:
    USA
    Jahr:
    2022
    Studio/Verleih:
    A24 / Plaion Pictures
    Regie:
    Darren Aronofsky
    Drehbuch:
    Samuel D. Hunter
    Kamera:
    Matthew Libatique
    Musik:
    Bob Simonsen
    Genre:
    Drama
    Darsteller:
    Brendan Fraser, Hong Chau, Sadie Sink, Ty Simpkins
    Start (DE):
    27.04.2023
    Start (USA):
    09.12.2022
    Laufzeit:
    117 Minuten
    FSK:
    ab 6 Jahren
    Bilder
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