Kinski spricht Kinski :
Fieber - Tagebuch eines Aussätzigen
CD, erschienen bei Die Audiothek, 2007
Gesamtlänge : 59 Minuten
Tracks :
01. Ich - Gegensatz - Gegen mich selbst (5:57)
02. Demut (3:25)
03. Nehmt meinen Kuss (7:57)
04. Irrenhaus (9:42)
05. Orient (0:55)
06. Das Tier (1:30)
07. Lust (2:25)
08. H.urenhände (1:41)
09. Die Nonne (6:34)
10. Armut (0:58 )
11. Tagebuch (8:29)
12. Ach, gebt mir meinen Tod (2:04)
13. Im Sterben bin ich teuer (1:44)
14. Meine Todeswonne (2:40)
15. Abschied (0:34)
16. Kinski (1:08 )
17. Ich bin der Engel der Verzweiflung (1:11)
Fieber - Tagebuch eines Aussätzigen
CD, erschienen bei Die Audiothek, 2007
Gesamtlänge : 59 Minuten
Tracks :
01. Ich - Gegensatz - Gegen mich selbst (5:57)
02. Demut (3:25)
03. Nehmt meinen Kuss (7:57)
04. Irrenhaus (9:42)
05. Orient (0:55)
06. Das Tier (1:30)
07. Lust (2:25)
08. H.urenhände (1:41)
09. Die Nonne (6:34)
10. Armut (0:58 )
11. Tagebuch (8:29)
12. Ach, gebt mir meinen Tod (2:04)
13. Im Sterben bin ich teuer (1:44)
14. Meine Todeswonne (2:40)
15. Abschied (0:34)
16. Kinski (1:08 )
17. Ich bin der Engel der Verzweiflung (1:11)
Hintergrund :
"Die Gedichte meines Vaters stehen an Anfang einer langen Kette von Ereignissen, die dazu führten, dass ich deutsch lernte. Ihre Entdeckung vor sechs Jahren küsste den Nachlass wach und gab ihm und - was ich damals noch nicht wusste - auch mir ein Standbein in Deutschland.
Es folgte die Ausstellung Ich Kinski und 2003 endlich die spektakuläre Veröffentlichung aller Sprechplatten meines Vaters auf CD. Als Botschafter für eine gute Sache wurden meine Reisen ins "Vaterland" häufiger und ausgedehnter. Ich lernte Land, Leute, Kultur und schließlich auch die Sprache kennen und lieben. Ich bezog eine Wohung in Berlin und übte meinen Schauspielerberuf fortan von hier aus. Hier fühle ich mich wohl und habe gelernt, dafür die mediale Schattenseite, die Reduzierung durch die Presse auf den „Sohn des Monsters“, eine Jahrmarktattraktion, eine Art „Elefantenmensch“, billigend in Kauf zu nehmen. Zwar hoffe ich immer inständig, dass die Menschen da draußen merken, dass der „kalte Kaffee“ nicht von mir sondern über mich serviert wird, muss aber auch einräumen, dass mein Ehrgeiz keine besseren Rahmenbedingungen hätte vorfinden können.
Als ich im Herbst 2006 anlässlich der Tachenbuchveröffentlichung von Fieber – Tagebuch eines Aussätzigen von Suhrkamp gebten wurde, einige Gedichte auf der Buchmesse vorzulesen, war das eine Ehrensache für mich, sagte ich sofort zu. Aber trotz großem Zuspruch war ich mit der Lesung unzufrieden, merkte, dass ich etwas falsch gemacht hatte. Ich hatte die Worte von der Freiheit freiestem Bruder im Käfig der Zeilen gelassen, seine Zweifel, Ängste, Wut nur mittelbar vermittelt, nicht direkt ins Herz der Zuhörer geschleudert. Das wollte, das musste ich ändern.
Also zog ich mich zurück und lernte sie auswendig und auch sie besser zu verstehen und im Sinne ihres Verfassers vorzutragen. Ich wollte dabei den Rezitator Klaus Kinski keinesfalls kopieren oder imitieren, sondern seine Lyrik mit meinen Mitteln interpretieren. Wer hat schon die Gelegenheit, mit 30 in die Gefühle des eigenen 25jährigen, aber inzwischen verstorbenen Vaters, 55 Jahre nach ihrer Niederschrift einzutauchen und seiner Kunst die eigene Stimme zu leihen ?
Ich strukturierte mir einen Ablauf – von den Selbstzweifeln des Verkannten über Lust und Religion bis zum Tod – der für mich jetzt wie der Monolog eines stolzen Freigeistes unter den Rädern des Bürgertums funktioniert und keine Gedichtüberschriften mehr benötigt. Abschied setzt einen eindeutigen Schlusspunkt hinter diese Achterbahnfahrt ins Ausweglose. Ich glaube, ich darf mich glücklich schätzen, dass der Selbstmord meines Vaters eine papierne Variante blieb.
Zwar haben sich die Lebensumstände in Deutschland im letzten Halbjahrhundert entscheidend verändert, sind viele Sorgen und Nöte, die mein Vater zum Ausdruck bringt, für meine Generation nicht unbedingt auf Anhieb oder überhaupt nachvollziehbar, aber auch wenn unser Korn nicht mehr von Windmühlen gemahlen wird, sollten wir weiter Cervantes lesen. Immerhin legen die weniger aktuellen Textzeilen eindrucksvoll Zeugnis ab über die moralische Dominanz der Kirche in jenen Tagen. Und wenn es schon nicht meine Gedanken und meine Epoche sind, denen ich auf dieser CD Ausdruck verleihe, so ist vieles davon auch heute noch allgemeingültig, und die künstlerische Aufarbeitung wert.
Da Kinski spricht Kinski von mir als Bühnenprogramm konzipiert wurde, gibt es im Anschluss noch zwei Zugaben, die ich den Hörern dieser CD nicht vorenthalten wollte. Das Gedicht Kinski ist eine Collage einiger Gegensatzpaare und anderer Widersprüche, die mein Vater Anfang der Fünfziger Jahre über sich den Zeitungen entnehmen durfte. Das Gedicht trägt seinen Namen, aber er ist nicht mehr da, es sind nur noch fremde Stimmen übrig und das Unverständnis. Die zweite Zugabe habe ich mir bei Heiner Müller geborgt. Ich bin der Engel der Verzweiflung bezieht mich und meine Situation in das Programm mit ein und rundet es ab :
Ich bin das Messer mit dem der Tote
seinen Sarg aufsprengt.
Ich bin der sein wird.
Mein Flug ist der Aufstand,
mein Himmel der Abgrund von morgen.“
Berlin im Juni 2007
Nikolai Kinski