Dune (Denis Villeneuve)

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    Es gibt 1.060 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Data.

      Ich poste hier mal meine Kritik mit meiner Erstreaktion vom September 2021. Da ich den Film am Sonntag nochmals auf IMAX gesehen habe, wollte ich daran ein paar weiterführende Gedanken anhängen, die ich im Anschluss an diesen Text füge.

      - Dune – Part One

      Der wunderschöne Planet Arrakis. So viel Liebe. So viel Wehmut. So viel Trauer, die das Fremen-Mädchen Chani empfindet, die mitansehen muss, was die Eindringlinge ihrer Heimat antun. Und Furcht, wenn sie darüber nachdenkt, wer als nächstes geschickt wird. Ihr Monolog setzt wichtige Töne für Dune, denn im Laufe der darauffolgenden zweieinhalb Stunden werden wir diesen Planeten als eigenen Charakter kennenlernen, als ein mächtiges, unberechenbares Monstrum, das keine Geduld hat für die Machenschaften der Menschen, die es ausbeuten, und kein Interesse daran, wer gewinnt und wer verliert.

      Und doch sind es die Menschen, denen wir folgen, und deren Konflikte, die sich auf der Oberfläche des Wüstenplaneten entfalten. Arrakis ist heiß und Wasser ist spärlich. Es ist eine menschenfeindliche Umgebung und doch von ungemeiner Wichtigkeit, ist der Planet doch die einzige Quelle im bekannten Universum für das wertvolle Spice, welches Voraussicht gibt und damit unabdingbar ist für die Steuerung von Raumschiffen durch den tiefen, interstellaren Raum. Das Haus Atreides von Caladan wird vom Padishah-Imperator damit beauftragt, den Abbau dieses Rohstoffs zu übernehmen, unwissend darüber, dass dieser – zusammen mit dem Haus Harkonnen, das zuvor die Besatzung von Arrakis übernommen hatte – einen Anschlag plant, um das Haus auszulöschen.

      Dune ist Vieles, aber es ist das Element des politischen Thrillers, der dem Plot den Ankick verpasst. Das Ganze ist verpackt in episches Science-Fiction, angesiedelt in einem Universum, das sich um die 8.000 Jahre in unserer Zukunft befindet, in der sich die Menschheit in der ganzen Galaxie verbreitet hat. Es ist eine Unmenge an Exposition, die der Film zu verarbeiten hat, nur um die Welt zu erklären, in der wir uns befinden. Für Plot bleibt da fast keine Zeit mehr und doch schafft es dieses ungemein clever konstruierte Drehbuch von Jon Spaihts, Eric Roth und Denis Villeneuve, ständig am Ball zu bleiben, sich über 155 Minuten hinweg unerbittlich vorwärts zu bewegen und dynamisch zu bleiben.

      Ist der Akt um den Kampf zwischen den beiden Adelshäusern der McGuffin, der den Plot ins Rollen bringt, ist es Paul, der einzige Sohn von Duke Leto Atreides und seiner Frau, der Bene Gesserit-Hexe Jessica, der den eigentlichen Kern der Geschichte bildet. Sein Schicksal ist unmittelbar mit einer Prophezeiung verknüpft, welche ihn mit den Fremen und damit dem Planeten selbst auf eine Weise verbindet, die Dune (richtigerweise auf der Leinwand als Part One betitelt) nur vorbereitet und andeutet, und im nächsten Film erst konkret untersuchen wird. Damit bleibt Dune eine faszinierende Übung im Weltenbauen. Der eigentliche Plot, woraufhin die Geschichte aufbaut, wird nur angetastet. Part One ist vor allem der Prolog, der sich wie keiner anfühlt. Denis V. hat die Mammutaufgabe, Frank Herberts komplexe Prosa und seinen unbarmherzigen Gedankenfluss ist eine greifbare Narrative für das Kino umzuwandeln, mit viel Brillanz und erzählerischem Geschick gemeistert. Ja, der Film ist eine Tischdeckübung. Aber er fühlt sich zu keiner Minute so an, sondern bietet einen identifizierbaren Arc, der in sich durch und durch geschlossen wirkt. Ein zweiter Teil ist absolut notwendig. Aber das reduziert den erzählerischen Wert des Ersten nicht.

      Viel ist schon darüber gesagt worden, aber es kann nicht oft genug betont werden, wie wunderschön Dune gefilmt ist. Die visuellen Charakterisierungen von Caladan, Giedi Prime und Arrakis sind jede für sich eine Augenweide. Das Haus Harkonnen hat einen eigenen Film verdient, so fesselnd und einschüchternd wirkte das Produktionsdesign allein auf mich. Ganz zu schweigen von den wenigen, aber dafür signifikanten Momenten, in denen wir Stellan Skarsgård in seiner vielleicht niederträchtigsten Rolle bewundern dürfen. So überraschend viel Zeit wir auch auf dem Heimatplaneten der Atreides verbringen, das Herzstück findet natürlich auf Dune selbst statt. Und seit David Leans Lawrence of Arabia hat kein Film die weiten Wüstenlandschaften und Sanddünen so prächtig und farbenfroh ausgeleuchtet und majestätisch eingefangen, wie Denis V. und sein Kameramann Greig Fraser. Der Film sieht bis in die letzte Einstellung fantastisch aus und hört sich dank der Soundabmischung sowie der Musik von Hans Zimmer auch genauso an. Das Wort Ehrfurchtgebietend hat mit diesem Film eine neue Definition gefunden.

      Ich versuche, Filme stehts ohne Erwartungen anzugehen. Das gestaltet sich natürlich schwierig, wenn man in einem bestimmten Universum schon so vorbelastet ist, wie ich es hier bin. Ich kann sagen, dass Dune – Part One all meine Erwartungen – so vage sie auch waren – nicht nur erfüllt, sondern sie in Bezug darauf, wie die Filmemacher das Quellmaterial adaptiert haben, sogar noch übertroffen hat. Denis V.‘s bedachte Herangehensweise, sein geduldiger Erzählstil, sein Respekt vor Herberts Vorlage – all das kumuliert hier wunderbar und trifft genau meine Sensibilitäten. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Film erfolgreich genug wird, so dass der zweite, obligatorische Teil folgt. Aber auch so haben wir hier den bis dato besten Kinofilm des Jahres.


      Nachtrag für die Vorbereitung auf Dune: Part Two

      Ich habe den Film am Sonntag zum dritten Mal im Kino (und insgesamt) gesehen sowie das zweite Mal auf IMAX und ich muss sagen, dass der Film von Mal zu Mal mehr in meiner Gunst steigt und ich ihn zwischenzeitlich zu einem der frühen Kandidaten der besten Filme des Jahrzehnts zähle. Zur visuellen Kraft des Film ist schon genug geschrieben worden: Er sieht schlichtweg prächtig aus, groß und von den Ausmaßen gewaltig, fast schon einschüchternd, ohne dabei jedoch den Griff um die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das hängt auch viel damit zusammen, wie er eingefangen ist. Dune ist von einer intelligenten Kameraarbeit geprägt, die mit einer Fotografie nach der anderen ein Gemälde schafft, das gleichzeitig elegant und überwältigend wirkt, als wollten Villeneuve und Fraser die Unbegreiflichkeit des Universums einfangen und uns damit herausfordern, all dies fassen zu können. Ein Aspekt, den ich zuletzt bei Interstellar und Nolans Darstellung von Gargantua gesehen habe. Und an dessen Schönheit ich damals schon fast niedergebrochen bin. Bei Dune sind es aber nicht nur die großen Aufnahmen, sondern schon die Kleinigkeiten, minimalistischen Momente, mit denen Charaktereigenschaften definiert und ganze Kulturen beschrieben werden. Wie die Habseligkeiten der Atreides für den Umzug nach Arrakis zusammengepackt werden – wie Shadout Mapes im Moment einer religiösen Offenbarung einen Schrei der Überwältigung von sich gibt - wie der Baron im Dampfbad sich die Feuchtigkeit von der Glatze streicht – es sieht nach so trivialen Aufnahmen aus (und so soll eine gute Kameraarbeit auch sein), aber hier wird eine Bildsprache gesprochen die hilft, den Charakter einer Welt und des Ganzen Filmes mit zu beschreiben. Und so groß Dune auch sein mag – und das ist er – der Film definiert sich auch durch diese kurzen Momente, in denen ganze Geschichten erzählt werden.

      Die Bilder allein machen ihn also schon zu einer erzäherlischen Offenbarung. Aber ein anderer, wirklich großartiger Aspekt an ihm ist das Drehbuch und wie gelebt sich alles darin anfühlt – die Welt an sich natürlich – sie spielt 10.000 Jahre in unsere Zukunft -, aber auf einer greifbareren Ebene auch die Charaktere. Dem Film wurde zur Zeit seiner Veröffentlichung manchmal vorgeworfen, dass er nicht sehr emotional sei – dass man mit den Charakteren nicht mitfiebern könnte -, weswegen ich dieses Mal ein größeres Augenmerk darauf gelegt habe, ob ich mich dem anschließen kann. Aber tatsächlich habe ich einen Film gesehen, der unglaublich viele Momente hatte, die diese Charaktere formten, sie vervollständigten und ihnen Geschichte gab, die vor langer Zeit geformte Beziehungen miteinander zeigten. Die Szene, als Paul, Gurney und Duncan in Unterhaltung miteinander waren, kommt mir in den Sinn, denn sie offenbart eine Kameradschaft zwischen den Männern, die auf eine lange zurückliegende Freundschaft zwischen den beiden hindeutet. „You’ve gone native!“ ist ein auf so beiläufig eingeworfenes Necken von Gurney und es mag leicht fallen, dies nicht zu registrieren – aber es offenbart eine Vollkommenheit, wie weit die Geschichte dieser Charaktere zurückgeht, dass es sie gleich um so realistischer und lebendiger macht. Pauls „I can hear you, old man“, als er im Trance-Zustand während dem ersten Wurmangriff vor der Gewinnungsanlage für das Spice kniet, zeigt ein Mentor/Mentee-Verhältnis, das nur auf vor Jahren etabliertem Vertrauen beruhen kann. Und selbst die Beziehung zwischen Paul und Jessica, zunächst unterkühlt, sachlich, fast schon geschäftsartig, offenbart sich während dem Moment im Zelt, nachdem sie ihren Entführern entkommen sind, als eine voller Anspannung, unterdrückter Wut und nicht ausgesprochener Anschuldigungen, so dass sich hier augenöffnend offenbart, wieso es zwischen Paul und seine Mutter einer Herzlichkeit fehlt, welche beispielsweise zu Leto wesentlich spürbarer war – und wo dennoch gleichzeitig der Rang der Autorität da ist.

      Ich denke also, der Film ist durchaus warm – und voller ernster, voll geformter Beziehungen, die ihn emotional greifbar machen. Er ist auch dicht mit Plot, voller Weltenbau (der ganz beiläufig gezeigt wird und selten über lange Exposition erklärt) und Mythologie, dass es umso beachtenswerter auf mich wirkt, wie nahtlos, geschmeidig und mühelos das Drehbuch von Villeneuve und Roth diese beiden wichtigen Aspekte miteinander verbindet. Wer sehen will, wie man alle Prioritäten in diesem komplexen Gefüge falsch setzen kann, soll sich nur einmal den 1984er-Film von David Lynch ansehen, der nicht mal den einführenden Klappentext hinbekommen hat, ohne über seine eigenen Füße zu stolpern. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass das Drehbuch eine Verbesserung gegenüber der Buchvorlage war im Sinne von, dass unglaublich viele Szene – vor allem während der ersten Stunde – hinzugeschrieben wurden, die es in dieser Darstellung im Buch so nicht gab, die aber ungemein nützlich – sogar notwendig - sind, um das Verständnis um den Plot und die Historie zu begründen. Dune: Part One ist im Kern fast schon ein Tischdeck-Film, der die große Verantwortung hat, alles für den zweiten Teil vorzubereiten – und fühlt sich aber zu keiner Minute so an, als wäre er irgendwas weniger, als ein eigenes und vollkommenes, aus einem Guss geformtes Werk, dem eines der am besten konzipierten Drehbücher zu Fuße liegt, die es in der Welt der Buchadaptionen so gibt.

      Ich habe somit eigentlich keine Zweifel daran, dass das Sequel die hohe Messlatte treffen wird, die mit dem ersten Film gesetzt wurde. Wenn er diese nicht sogar übersteigen wird. Im IMAX haben sie nach der Vorführung des Hauptfilms eine Szene aus dem zweiten Teil gezeigt. Es war wohl die Szene, als Paul zum ersten Mal Shai-Hulud reitet. Ich habe den Kinosaal verlassen, bevor ich das sehen konnte, denn eine der wichtigsten Szenen des Buches und die Szene, auf die sich Denis V. nach eigener Aussage am meisten gefreut hat, möchte ich das erste Mal im Kontext des Films erleben, nicht geschieden davon als separate Entität. Part One gibt erzählerisch genug Andeutungen und hat ein ausreichend großartiges Set-Up, um Vorahnungen zu beleben und heiß auf den Film zu machen. Da braucht es für mich keinen Appetitanreger dieser Art.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase