I'm Thinking of Ending Things (Charlie Kaufman)

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    Es gibt 21 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Bavarian.

      Wow. Ein sehr reizvolles und sehenswertes Werk.
      Mein Stimmungbild gestern Abend beim Abspann: Etwas gemischt, mit der Tendenz zum Positiven.
      Stimmungsbild gestern vor´m Schlafen gehen: Der Film lässt mich nicht los. Da steckt massiv viel drin.
      Stimmungsbild heute: Ganz großes Kino!

      Am liebsten würde ich den Film heute direkt nochmal ansehen. So einen Drang habe ich eigentlich eher selten. "A Ghost Story" und "The Lighthouse" waren da beispielsweise zuletzt solche Filme, die ich ebenso sofort weiter ergründen wollte. Ganz an die Klasse dieser beiden reicht der Film zwar nicht heran meiner Meinung nach, aber ansehen sollte man ihn sich dennoch definitiv.

      Der oberflächliche Inhalt des Films propagiert ein Beziehungs-Drama, jedoch bearbeitet Kaufman hier vielmehr Themen wie Zeit, die Existenz an sich, wie Gemütslagen unsere Perspektiven steuern, verpasste Chancen und Realitätsflucht, angereichert mit viel Symbolik und Interpretationsfreiraum. I´m thinking of ending things funktioniert aber auch auf der offensichtlichen Ebene recht gut: Souveränes und differenziertes Acting, komplexe Stimmungen, eine herrlich unangenehme Atmosphäre sowie eine stilsichere Inszenierung - sehr bemerkenswert. Soll heißen: Auch in Momenten, in denen mir der Draht zum eigentlichen Storykern entglitt, was der Film auch stets provoziert, hatte ich meinen Spaß.

      Meine Meinung zur Story, die sich bestimmt auf verschiedene Art und Weisen interpretieren lässt. So kompakt formuliert wie es mir möglich ist:

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      - Jake selbst ist der Hausmeister der Schule, der sich damals vielleicht nicht getraut hat, die Dame bei der Quiz Night anzusprechen, die wir in der Geschichte als Cindy wahrnehmen. Dies steht bestimmt nur symbolisch für viele verpasste Chancen in seinem Leben, u. a. auf Frauen bezogen, aber auch auf berufliche Perspektiven. Jakes wahre Existenz fließt immer wieder in die Fantasie mit ein. So weiß er z. B. exakt, wie viele und welche Räume die Schule hat, was wohl nur Hausmeister wissen dürften und nicht Personen, die nur ehemalige Schüler waren.
      - Der ganze Road-Trip sowie das Kennenlernen der Eltern entspringt also nur der Fantasie des Hausmeisters/Jake. Dementsprechend ist die Erzählung auch sehr vage. So verändert sich der Name von Cindy/Lucy/Joanna usw. ständig (vielleicht sind das all die Frauen, bei denen Jake gerne gelandet wäre im Laufe seines Lebens..) sowie auch ihr Beruf. Auch die Eltern werden verschieden alt inszeniert, was auch zeitgleich über die Zeit-Thematik verhandelt, auf die Kaufman hier ein Augenmerk legt. Ihre Gedichte und Zeichnungen entdeckt sie im Keller. Quasi eine Art Gedächtnis von Jake.
      - Die Frau nimmt sich zunehmend mehr und mehr selbst als Fantasie wahr und reflektiert das auch bzw. zweifelt.
      - Jakes Gemütslage ist so toxisch, dass er am Ende Wahnvorstellungen erleidet und durchdreht. Denn selbst in seinen selbst entworfenen Fantasien laufen die Dinge falsch (Freundin will sich trennen, er ist genervt von seinen Eltern usw.)
      - Man merkt immer wieder, wie unzufrieden er mit sich selbst ist und dass er sich selbst hasst. Beispielsweise gafft er als Hausmeister die tanzenden Schülerinnen auf der Bühne an, fühlt sich im Auto beim Küssen seiner ausgedachten Freundin aber unwohl, weil er meint einen Voyeur bemerkt zu haben und will ihn sich vorknöpfen usw.).
      - Die Szene, in der der Hausmeister die imaginäre Frau umarmt, hat zwar etwas sehr Trostspendendes, jedoch könnte die folgliche Verabschiedung für den Hausmeister/Jake auch die Gewissheit sein, dass er nie das finden wird, nach dem er giert. Folglich die Eskalation.


      Ich merk´s schon selbst beim Tippen: Da muss unbedingt eine Zweitsichtung her. Da müsste es noch ganz viel zu entdecken geben.