IN DEN GÄNGEN
Originaltitel: In den Gängen
Regie: Thomas Stuber
Drehbuch: Clemens Meyer, Thomas Stuber
Musik: Verschiedene
Darsteller: Franz Rogowski, Sandra Hüller, Peter Kurth
Originaltitel: In den Gängen
Regie: Thomas Stuber
Drehbuch: Clemens Meyer, Thomas Stuber
Musik: Verschiedene
Darsteller: Franz Rogowski, Sandra Hüller, Peter Kurth
Ostdeutschland, in einem abgelegenen Großmarkt: Der schweigsame Christian (Franz Rogowski) beginnt seine Probezeit in der Getränkeabteilung. Die Tattoos, die er unter seinem langen Arbeitskittel verbirgt, können Hinweise auf eine bewegte Vergangenheit sein, doch der junge Mann ist alles andere als gesprächig. Trotzdem wird er von Bruno (Peter Kurth), einem barschen, jedoch auch sehr väterlichen Mentor, akzeptiert und am Gabelstapler ausgebildet. Christian freundet sich mit seinen Kollegen an. Besonders gefällt ihm aber Marion (Sandra Hüller) aus der Süßwarenabteilung, in die er sich schnell verguckt. Doch die Angelegenheit ist nicht gerade einfach.
Gleich die erste Szene von "In den Gängen" entführt uns in eine Welt, die wir zwar alle als Konsumenten hin und wieder betreten, die aber nur wenige von uns wirklich kennen dürften: In einem gigantischen Großmarkt gehen vor Sonnenaufgang nach und nach die Lampen an. Natürliches Licht dringt in diese Hallen niemals vor. Allmählich füllen sich die Gänge mit Leben, als einige Gabelstapler geschäftig hin und her surren und ihrer Arbeit nachgehen. Unter diese Bilder legt Regisseur Thomas Stuber die Klänge von Johann Strauss' "An der schönen blauen Donau". Ein Stück, das man als Filmkenner ansonsten mit Stanley Kubricks epochalem Werk "2001: Odyssee im Weltraum" verbindet, dient hier als Soundtrack für das Leben ganz einfacher Leute, auf die die Kamera selten gerichtet wird. Und das sagt schon vieles über den Film aus.
Die Figuren des Films sind schlichte Arbeiter und gesellschaftlich Abgehängte, die für gewöhnlich dann in den Medien auftauchen, wenn nach Gründen für den Wahlerfolg extremer Parteien gesucht wird. "In den Gängen" beleuchtet nun den Mikrokosmos Großmarkt, der für die besagten einfachen Leute sowohl Arbeitsplatz, als auch Lebensraum ist. Romantischen Kitsch wird man im Film nicht finden. Er stilisiert seine Figuren nicht zu verkannten Helden oder durchweg angenehmen Persönlichkeiten. Es schwingt durchaus mit, dass diese Leute nicht jedermanns Sache sind und ihre problematischen Facetten haben. Aber dennoch bringt es "In den Gängen" fertig, seine Charaktere mit einer Solidarität und Wärme auszustatten, die absolut herausstechend ist.
Dies hängt natürlich auch mit den großartigen Schauspielern zusammen. Franz Rogowski (den man aus "Victoria" kennen könnte), spielt Christian. Er bekommt kaum ein Wort heraus und erscheint sozial alles andere als vorzeigbar oder kompatibel. Doch die Art und Weise, wie er sich in Süßwaren-Marion verliebt, sich ihr mit unglaublich putzigen Einfällen annähert und sie letztendlich auch beschützen möchte, ist einfach nur schön. Man sollte Rogowski definitiv im Auge behalten. Christians Herzensdame wird von Sandra Hüller gespielt, die mir schon in "Toni Erdmann" äußerst positiv aufgefallen ist. Die Darstellerin zeigt nach außen diese kecke und provokante Hülle, die aber im Grunde einen unglaublich fragilen und verletzlichen Kern umgibt. Beides balanciert Hüller hervorrangend aus, oft sogar in ein und derselben Szene. Erwähnen möchte ich auch unbedingt Peter Kurth in der Rolle des Bruno. Zu seinem Schützling Christian ist der erfahrene Arbeiter durchaus direkt und ruppig, aber gleichzeitig entwickelt sich auch eine Art Vater-Sohn-Verhältnis, welches dem Zuschauer schnell ans Herz geht.
"In den Gängen" ist ein vielschichtiger Film, der seine Ebenen fast schon poetisch miteinander verknüpft. Musikstücke wie "An der schönen blauen Donau" spielen hier mit rein, ebenso die interessante und den Zuschauer gut mitnehmende Kameraarbeit. Neben all der Wärme, die der Film inne hat, werden aber auch gesellschaftskritische Töne angeschlagen. Es wird klar, dass die Figuren des Films – allen voran natürlich Christian, Marion und Bruno – zutiefst traurige und einsame Menschen sind, die gewissermaßen in die Parallelwelt Großmarkt entfliehen, und dort Menschlichkeit, Zusammenhalt und Respekt erfahren.
An diesen ruhigen, aber sehr einprägsamen und ehrlichen Filmbeitrag aus Deutschland verteile ich starke 8 von 10 Popcornguys. Und ja, auch Gabelstaplerfahrer Klaus hat seinen Auftritt.