The Tragedy of Macbeth (Joel Coen, A24)

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    Es gibt 51 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Emily.

      Der erste richtige Trailer is do!

      s-l500
      Ich habe ihn gestern im Kino gesehen. Und wer auch immer hier mit dem Gedanken spielt, vielleicht auf die Heimauswertung zu warten, dem sei geraten: Schaut ihn euch auf der großen Leinwand an, wenn ihr die Gelegenheit dazu habt. Jedes Bild ist es wert, auf einer Solchen gesehen zu werden.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase
      Optisch ist er Trailer schon ne Wucht. Wahnsinn. Sollte unser Kino den bringen bin ich drin.

      Nur an die neue Synchronisation von Denzel muss ich mich gewöhnen. Ist schon krass anders als vorher. Aber gut die alte Stimme war auch irgendwie einmalig und passte wie die Faust aufs Auge. Aber das wird mich nicht vom Film abhalten :P

      - The Tragedy of Macbeth

      Die Tat. Die Reue. Die Tragödie des Macbeth. Es ist eine Geschichte, so alt wie die Menschheit selbst. Ein Mann – getrieben von Gier – tötet, um an Macht zu kommen. Die Prophezeiung dreier Hexen, denen er auf dem Schlachtfeld begegnete, hat ihn dazu verleitet. Geplagt von der Angst, dass seine Tat aufgedeckt wird, unternimmt er Versuche der Vertuschung. Seine neu gewonnene Regentschaft wird damit fortlaufend immer grausamer und tyrannischer und heimgesucht von Stimmen und Gesichtern aus der Vergangenheit, verfällt er selbst immer mehr der Paranoia und dem Wahnsinn.

      Es ist Joel Coens erste Arbeit als Regisseur an einem Film, der keine Beteiligung seines Bruders Ethan hatte. Es sei einsam gewesen, meinte er in einem Interview. Sein vertrauter Partner von über 40 Jahren konnte ihm nicht mit Rat zur Seite stehen, wann immer er in einen Engpass geriet. Man kann sich nur ausmalen, wie es sein muss, wenn man sich plötzlich voll und ganz auf seine eigenen Instinkte verlassen muss, wenn man so viele Jahrzehnte stets Jemanden an der Seite hatte, der diese Impulse bestätigen konnte oder es stattdessen vermochte, dich auf andere Ideen, neue Sichtweisen zu lenken. Umso bemerkenswerter ist, dass The Tragedy of Macbeth keinerlei Anzeichen von Unsicherheit zeigt, von Schwanken oder Zweifeln. Es ist eine Regiearbeit, so selbstsicher und zielgerichtet, wie man sie nur finden kann. Es ist das Werk eines Regisseurs, der diesen Film schon seit langer, langer Zeit fertig in seinen Gedanken hatte und ihn nun nur noch auf Film festhalten musste.

      Eingefangen in einem wunderschön ausgeleuchteten, nativen Schwarzweiß (ein Augenmerk sei gelegt auf die wohl beste Ausleuchtung, die ich in Kombination mit diesem stilistischen Mittel je gesehen habe), ist der Film eingerahmt in einem signifikanten 4:3-Bildformat. Dies komplimentiert auf der einen Seite die theatralische Natur der Setbilder, die geprägt sind von geometrischen Formen, die der Produktion eine gewisse beabsichtigte Künstlichkeit verleihen. Auf der anderen Seite zeigt es sich besonders effektiv in Szenen, in denen der Zuschauer in den Wahnvorstellungen des Protagonisten versinkt und die Beengung spürbar wird. Macbeth präsentiert sich somit mehr als Kunstfilm, denn als herkömmlicher Unterhaltungsfilm, obgleich es ihm an Unterhaltungswerten definitiv nicht fehlt. The Tragedy of Macbeth zeigt viele typische Elemente eines Coen-Films – das Streuen böser Vorahnungen, das Mitmischen zwielichtiger Charaktere mit versteckten Motivationen, trockener Witz sowohl in Wort, wie auch in der physischen Darstellung, sowie unerwartete Gewaltmomente, die manchmal in starkem Kontrast zu der Naivität einer vorangegangenen Szene stehen. Es ist dieser Wechsel an Emotionen – ein Hoch und Tief und eine ständige Antizipation, was einen als nächstes erwartet -, was auch The Tragedy of Macbeth, wie eben die besten Filme von Joel Coen, zu einem solchen Erlebnis macht, das versteht, alle Sinne des Zuschauers zu beanspruchen, die das Kino zu verwerten weiß.

      Denzel Washington gibt womöglich die Darstellung seiner Karriere hier als der titelgebende Protagonist. Er ist der Rolle und dem Werdegang seines Charakters voll und ganz verpflichtet. Es sind die Augen, auf die man hier achten muss, hinter denen sich die innere Zerrissenheit abspielt, und man versteht als Zuschauer, was im Kopf dieses Mannes vor sicht geht. Washington selbst macht ungeheuerlich tolle Sachen mit den hochkomplexen Monologen, die ihm gegeben wurden. Wie dem restlichen Ensemble, so rollt auch ihm dieser altertümliche Dialekt so natürlich von der Zunge, als würde er auch im wahren Leben nie anders sprechen. Er hat Momente, in denen er schlagartig und sprunghaft in einen Anfall des Wahnsinns verfällt und spielt dabei mit einem Auf und Ab in der Stimmlage, das einer Melodie gleichkommt – oder einer eigens dafür entwickelten Musikart.

      So großartig Washington ist, so viel mehr fasziniert war ich aber von Kathryn Hunter in der Rolle der drei Hexen. Mit ihrer genderfluiden Darstellung, hat sie auf der Bühne bereits Rollen wie König Lear gespielt. Sie hat ein Talent, ihren Körper auf eine beinahe schon unbegreifliche Art verrenken zu können und krabbelt und schleicht über das Bild wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Es sieht nicht menschlich aus und ist gleichwohl ohne jegliche CGI entstanden, was ihren Szenen eine besonders alptraumartige Qualität mitgibt. Diese Stimme. Diese Augen. Diese Körperhaltungen. Ihre Rolle im Film ist nicht groß. Aber wenn sie auftaucht, übt sie eine Hypnose aus, die unvergleichlich ist mit irgendeiner anderen Darstellung im Film. Ein faszinierendes Schauspiel, das man gesehen haben muss, um es zu verstehen.

      The Tragedy of Macbeth basiert auf dem Theaterstück von William Shakespeare und die Dialoge sind – soweit ich das beurteilen kann – über weite Strecken so auch in das Drehbuch von Joel Coen eingebettet worden. Für diesen altenglischen Dialekt muss das Ohr schon trainiert sein, um der Sprache auf Schritt und Tritt folgen zu können. In meiner Kinoaufführung wurden daher Untertitel mit hinzugefügt, die ich aber versucht habe, zu ignorieren, habe ich doch festgestellt, dass man Plot und Charaktermotivationen problemlos folgen kann, auch wenn man nicht jedes Wort versteht, das gesprochen wird. In jedem Fall ist dies ein Film, der es verdient, auf der großen Leinwand gesehen zu werden: Jedes Bild, jeder von Bruno Delbonnel sorgfältig ausgewählte Kamerawinkel, der das Geschehen teilweise in einen heißen Fiebertraum verwandelt und an Einstellungen eines Ingmar Bergman erinnert, ist ein Moment, der genossen werden muss.

      Wie Macbeth selbst, so stand auch Joel Coen alleine. Es ist einsam an der Spitze, wie man gemeinhin sagt, und der Hochmut kann einen leicht zu Fall bringen, wie Macbeth selbst bezeugen kann. Denselben Vorwurf muss man Coen selbst zum Glück nicht machen: Sein Film ist eine künstlerisch voll und ganz realisierte Arbeit, die Hingabe und Herz zeigt und die schon jetzt als einer der besten Vertreter seines Gesamtwerkes stehen kann. Ist sein Protagonist an seinen eigenen Ambitionen gescheitert, könnte The Tragedy of Macbeth für den Regisseur der Beginn neuer Höhenflüge sein. Ich bin gespannt, wohin er uns auf seiner Reise als nächstes hin mitnimmt.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase
      Ja, ich werde ihn auch gleich schauen, und es ist in etwa das, was ich vom Film erwartet habe, was @Data hier schreibt. Das bisher gezeigte ließ es erahnen und es freut mich, dass das Gesamtwerk den Eindruck bestätigt.

      Allerdings eine kleine Korrektur, da bin ich ein Fachbereich-Klugscheißer, aber außerhalb davon weiß man es in der Regel nicht: Bei Shakespeare haben wir kein Altenglisch, das ist Early Modern English. Altenglisch war ca. 1000 Jahre früher, aber ja, wir wissen, was du meinst ;-).

      Und jetzt bin ich heiß drauf. Macbeth ist tatsächlich ein Stück, das immer besser wurde, umso mehr es sich mir offenbarte. "Life's but a walking shadow" ist schon lange als Tattoo geplant und ach, Kritik kommt sehr bald :-).

      Emily schrieb:

      Allerdings eine kleine Korrektur, da bin ich ein Fachbereich-Klugscheißer, aber außerhalb davon weiß man es in der Regel nicht: Bei Shakespeare haben wir kein Altenglisch, das ist Early Modern English. Altenglisch war ca. 1000 Jahre früher, aber ja, wir wissen, was du meinst ;-).


      Okay. Das war's. Ich kündige.



      An Shakespeare selbst habe ich mich noch nie rangetraut. Wäre Macbeth ein guter Start? Und was für Hilfen könntest du empfehlen, bezogen auf das Verständnis für das Early Modern English? Personalpronomen wie 'thou' und 'thine' oder Begriffe wie 'hither' und 'thither' habe ich mittlerweile raus, aber das gesamte poetische Satzkonstrukt von Shakespeare ist ja dann doch etwas, was dem ungeübten Auge den Leseprozess etwas erschwert.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Data“ ()

      @Data
      Sei froh, dass es kein Altenglisch ist, da hast du noch Runen mit drin *lol*

      Ich glaube, Macbeth kannst du ruhig lesen. Ja, manche Komödie mag einfacher sein, aber da ist für mich weniger Zauber. Hamlet ist etwas schwieriger, weil da viel inaction as action ist (und lang ist es), Romeo & Julia natürlich am bekanntesten, aber ich hasse es. Da ist tatsächlich mehr drin als das Motiv der verbotenen Liebe, irgendwie wird es auch immer falsch interpretiert in der allgemeinen Betrachtung. Ich habe da aber auch ein Trauma, weil ein Prüfer bei 5 vorbereiteten Stücken selbstverständlich nur nach Romeo und Julia fragte, weil er da in einer Ausgabe ein Vorwort geschrieben hatte und ich jenes nicht auswendig lernte.

      Wie dem auch sei, vor Macbeth ist es hilfreich, das elisabethanische Weltbild etwas zu kennen. Es gibt da ein gutes und kurzes Buch von Tillyard, aber eigentlich reicht ein Wikipedia-Artikel zum Wheel of Fortune und zur Chain of Being. Da steckt viel von drin und es ermöglicht einen, das auch mehr zu fassen. Denn letztendlich geht es um die Zerstörung einer Ordnung (bei Romeo übrigens auch). Herrschaftskonzepte sind auch nicht so unwichtig, aber zu sowas hatte ich mal eine ganze Vorlesung (primär zu den Histories). Da kann man bei Machiavelli anfangen und irgendwo aufhören, aber grundsätzlich kann man zusammenfassen, dass man - um ein guter König sein zu können - Furcht und Liebe im guten Verhältnis braucht. Aber ich halte dich für intelligent genug, sowas im Stück zu erkennen, dass es Tyrannen in der Regel nicht einfach haben. Also keine Vorbereitung nötig, kannst du aber im Hinterkopf behalten.

      Zur Sprache habe ich tatsächlich keine guten Tipps. Deutsche Übersetzungen von Shakespeare finde ich gruselig, aber du kannst ja gut Englisch lesen. Vieles ergibt sich aus dem Zusammenhang, man hat da viel thy und thou etc., was sich aber aus dem Kontext erklärt und irgendwann gewöhnt man sich dran.
      Der Rest ist halt ein fünfhebiger Jambus. Ich glaube, da hilft nur Übung. Ich finde es auch nicht so einfach, wenn man Prosa gewöhnt ist, aber am Ende der Zeile einfach weiterlesen. Vom Vers einfach nicht irritieren lassen. Ich habe aber auch länger kein Shakespeare gelesen, auch wenn ich mir letztes Jahr noch The Tempest bestellt hatte.

      Und wenn das alles nicht funktioniert, dann hilft dir der gute Mister Pratchett mit Wyrd Sisters weiter ;-).
      Umso länger ich über den Film nachdenke, umso besser finde ich ihn. Hatte ich schon bei The Green Knight, aber hier wird tatsächlich unfassbar viel mit Symbolen gearbeitet. Da brauche ich definitiv irgendwann nochmal eine Zweitsichtung.

      Wie dem auch sei, visuell eine absolute Augenweide.