The Zone of Interest (Jonathan Glazer)

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    Es gibt 13 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Burning.

      The Zone of Interest (Jonathan Glazer)

      Jonathan Glazer ("Under The Skin") wird im kommenden Jahr laut Deadline, und unter dem Indiestudio A24, seinen nächsten Film, ein noch unbetiteltes Holocaust-Drama drehen.

      I hear the project is loosely inspired by acclaimed British author Martin Amis’s novel The Zone Of Interest, set in Auschwitz. The well-received 2014 novel tells the story of a Nazi officer who has become enamored with the camp commandant’s wife. The story is conveyed by three narrators: Angelus Thomsen, the officer; Paul Doll, the commandant; and Szmul Zacharias, a Jewish Sonderkommando.

      s-l500
      Während sich im Moment alles um Scorsese und Co. dreht sollte erwähnt werden, dass Glazer's Holocaust Film in Cannes die Polls dominiert und im Moment als einer der großen Palme Favoriten gilt. Der Metascore steht nach 13 Kritiken auch bei schlappen 98.

      Patrick Wellinski vom Deutschlandfunk:
      Ein architektonischer Film über die Architektur des Holocaust. Eine Mise-ein-scene des Grauens.


      Glazer steht nach Sexy Beast, Birth und Under The Skin bei mir 3/3 und scheint auch bei seinem vierten Langfilm wieder etwas Besonderes abgeliefert zu haben.

      Der Film ist übrigens zu großen Teilen auf deutsch.
      EAT THE RICH


      Neuer Trailer.



      Die Kritiker sind begeistert. Rotten.
      s-l500
      Ich war heute drin und für mich ist es einer der wichtigsten Werke des Jahres. Mindestens.

      Visuell bekommen wir eine Vorstadtidylle. Ohne Gewalt, ohne Grauen. Der Grauen passiert im Kopf. Durch Schornsteine. Und hauptsächlich durch die Soundeffekte. Die zeichnen den Kontrast zwischen dem Familienleben und der Hölle, die nur eine Mauer entfernt ist.

      Ein sehr wichtiger Film in der aktuellen Zeit, der meisterhaft inszeniert ist.

      10/10 Punkte
      Der steht auch ganz oben auf meiner Liste. Hatte den überhaupt nicht auf dem Schirm und ihm noch nicht mal Beachtung geschenkt, als er unter den diesjährigen Oscar-Nominierten aufgetaucht ist. Zwischenzeitlich aber hab ich den Trailer zweimal im Kino gesehen - und zwar immer noch keinen blassen Schimmer, worum es geht oder was mich erwartet ... aber bin trotzdem restlos angetan von dem, was ich bisher gesehen habe.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase
      Sehr unangenehmer Film. Und mit dem Blick auf die äußeren Mauern des Konzentrationslagers Auschwitz auch seit langem mal wieder ein Film, der eine neue Perspektive auf die Gräueltaten von damals wirft - und was für eine, durchgehende Magenkrämpfe sind hier garantiert. Jonathan Glazer schafft einen ekligen Spagat zwischen sympathischer Vorstadtidylle und Rauchschwaden, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Es ist absolut herausragend, mit was für einer Leichtigkeit The Zone of Interest die Menschlichkeit der Nazis darstellt, mit ihren hübschen Blumenbeeten, dem Besuch der Oma, das Ballspielen und Baden im See mit den Kindern. Das wunderschön gepflegte und gehegte Familienzuhause, ganz unscheinbar an einer kleinen Mauer, hinter der Vater seiner Arbeit nach geht. Neue Pläne für Fabriken, damit mehr Gut gleichzeitig vernichtet werden kann. Ein effizienteres Schienensystem, damit auch gleichzeitig mehr Gut nachkommt. Mit solch unscheinbaren Szenen, die wie die normalsten aller Arbeitsmeetings aussehen, zeigt der Film auf brillante, wie auch abscheuliche Weise, was für ein System hinter einem Vernichtungslager stand und wie effizient daran gearbeitet wurde.

      The Zone of Interest arbeitet mit den einfachsten Mitteln, die sich als am effektivsten erweisen. Ein paar aufgehende Rauchsäulen im Hintergrund, gedämpfte Schreie, etwas Asche, die beim Baden auf die Kinder niedergeht und sofort aus den Augen gespült werden muss. Schon lange nicht mehr wurden die damaligen Verbrechen mit einem solch effizientem Ekel präsentiert, hat bewusst gemacht, dass das abgrundtief Böse nach außen hin nicht immer sofort erkennbar ist. Ein Film voller Trostlosigkeit, voller Wut und Abscheulichkeit. Ein überaus wichtiger Film, der einmal mehr aufzeigt, dass so etwas nie wieder passieren darf. Ein Film, nach dem man sich einfach nur noch übergeben möchte.
      Mein Filmtagebuch



      „I think storytelling is all about children. We human beings love to hear stories being told - and it first happens when you're a kid.“
      - David Chase

      - The Zone of Interest [Regie: Jonathan Glazer; UK, PL, USA 2023]

      Ich muss meine Review wohl mit der Besprechung dieser Szene aus The Zone of Interest beginnen, als Hedwigs Mutter zu Besuch kommt und sich von ihrer Tochter durch das Haus (mit eigener Heizung, mehreren Schlaf- und Badezimmern usw.) und den prächtigen Garten nebenan führen lässt, wo es nicht nur ein Schwimmbeck gibt, sondern auch einen Gemüsegarten, schöne kleine Blumenfelder und Platz für den Hund zum spielen, wo die Familie im Freien essen und unter noch wachsenden Traubenreben den sonnigen Nachmittag genießen kann. Als das Gespräch auf die Mauer fällt, die das Anwesen der Familie Höß von dem Konzentrationslager nebenan abgrenzt, sagt Hedwig, dass da noch Pflanzen hochwachsen, so dass man das nicht mehr so sieht. Ich glaube, sie hatte was in die Richtung gesagt, dass das ja gerade noch sehr hässlich aussieht. Die Schreie von gefolterten Menschen nebenan, die über die Mauer dringen, kurz bevor sie abgeknallt werden, werden dabei ignoriert, als wäre es nur der laute Straßenverkehr zum Feierabend, an den man sich ja als langjähriger Anwohner an einer Hauptstraße auch irgendwann gewöhnt.

      Das ist so einer dieser Momente, wo einem mal kurz das Lachen im Halse stecken bleibt. Nicht, dass das Szenario in irgendeiner Weise witzig wäre oder so präsentiert wurde … es nur so, dass die Charaktere in diesem Film neben einem Todeslager leben und darüber gleichzeitig mit einer trivialen Beifälligkeit reden, dass einem fast nichts übrig bleibt als Zuschauer, als über diese Absurdität staunen, als wolle jemand einen hier gerade nur hochnehmen. Aber das ist natürlich nicht der Fall, denn der Eheman von Hedwig ist Rudolf Höß, der kommandierende Offizier des Konzentrationslagers Ausschwitz, neben welchem die Familie mit den Kindern und dem Schäferhund lebt. Sie haben Bedienstete, die ihnen Schnaps und Kaffee bringen, die den Kindern hinterherwischen und sich ganz nebenbei Morddrohungen anhören lassen müssen, weil die Herrin des Hauses gerade einen schlechten Morgen hat und ihren Frust ja an irgendwem auslassen muss. Unsere, nunja, Protagonisten sind so sehr gefangen in ihrer eigenen Überzeugung der Überlegenheit, der Übermenschlichkeit, dass kein Platz für den Gedanken ist, dass ihr Wohlstand aufgebaut ist auf dem Leid von Hundertausenden von Menschen, die ihr Leben nur einen Mauersprung nebenan lassen, weil sie eben mit einem Attribut geboren sind, dem irgendwer in diesem ideologischen Regime eine Untermenschlichkeit zugeschrieben hat und die deshalb ausgerottet gehören.

      Der Ton des Films ist nüchtern und faktisch gehalten. Sein Horror, sein Grauen und Schrecken, das läuft im Hintergrund ab und wird von Rudolf und Hedwig Höß nur dann als Realität wahrgenommen, wenn die die Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie, von der sie Teil sind, zur Last wird und ihrem Komfort und ihren Plänen entgegenspielt. Der Moment, als Rudolf nach Berlin versetzt wird und Hedwig damit konfrontiert wird, alles, was sie sich hier erbaut hat, zurück lassen zu müssen, wird von den Charakteren gespielt, als wäre es ein Schicksalsschlag ohnegleichen in ihrem Leben. Was diese Leute glauben, wer sie sind, darüber lässt Glazers Drehbuch kein Urteil zu - er präsentiert es als Fakt und überlässt es dem Zuschauer, was er nun damit macht, egal, wie unangenehm und schmutzig sich dieser dabei fühlen mag. Aber das ist genau die Intention, die der The Zone of Interest hat.

      Gegen Ende des Filmes verlässt Höß sein Büro in Berlin und geht den langen, steilen Treppenabgang hinunter, stoppt regelmäßig und gibt Würgegeräusche von sich, während der Film einen unerwarteten Zeitsprung macht, der wie eine Warnung dasteht, auf keinen Fall zuzulassen, zu vergessen, was hier geschehen ist. Es ist also absolut nicht verwunderlich, warum sich Glazer in seiner Oscar-Rede so ausdrückte, wie er das tat - hat er mit seinem Werk doch schon alles gesagt, wo er als Mensch steht. Höß‘ Brechreize können durchaus als eine Metapher gesehen werden für die spätere Reue, die sein historisches Vorbild kurz vor seiner Hinrichtung zeigte. Diese finalen Minuten, wie der Film im Gesamten, lassen in jedem Falle tief blicken über die Banalität des Bösen, den Zerfall einer Gesellschaft, über Komplizenschaft und die Entmenschlichung durch Wegschauen. Ein überaus starker Film, der seine wahre Kraft erst in den folgenden Tagen auf mich entfaltete - und über den ich immer noch viel nachdenke.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

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