Beau Is Afraid (Ari Aster)

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    Es gibt 46 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von KBBSNT.

      So sieht das deutsche UHD-Mediabook aus!

      LEONINE kündigt für August 2023 die Horror-Komödie „Beau Is Afraid“, mit Joaquin Phoenix, Patti LuPone, Amy Ryan, Parker Posey und Nathan Lane, in einer Mediabook Edition inklusive 4K UHD und Blu-ray an, sowie in den Standard Varianten auf 4K UHD Blu-ray und DVD.

      Quelle: collectors-junkies.com/beau-is…abook-standard-varianten/

      Also man muss mit einem Beau auf dem Cover auskommen. Das wird wieder ein irrsinniges Fest. :)
      "Man geht schon ein Risiko ein, wenn man morgens aufsteht, über die Straße geht und sein Gesicht in einen Ventilator steckt!"
      Beau Is Afraid – Data war es auch, bevor er den Film angemacht hat. Mit Ari Asters beiden Filmen Hereditary und Midsommar bin ich ja nur irgendwie so lauwarm geworden und hatte daher meine entsprechenden Zweifel, Beau anzugehen, weswegen ich um den Kinobesuch damals auch einen größeren Bogen gemacht habe – und jetzt dann, recht spontan, doch einen Blick gewagt habe, weil der Film gerade für 0,99 EUR bei Prime zum Leihen verfügbar ist.

      Ich glaube, von allen drei Aster-Filmen hatte ich am Ende mit Beau wahrscheinlich den meisten Spaß. Und das liegt natürlich zum einen daran, dass der Film ganz bewusst komödiantisch aufgezogen ist und daher schon von Natur aus weniger schwermütig daherkommt. Und auf der anderen Seite haben wir mit Joaquin Pheonix einen Hauptdarsteller, der genauso verwirrt auf alles blickt, wie ich mich gefühlt habe – damit allein konnte ich mich schon mal sehr gut identifizieren, denn ehrlich gesagt: Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was hier eigentlich passiert ist. Drei Stunden an absolutem, maximalem Chaos, das sich mit jeder Exposition nur noch weniger greifbar anfühlt, als der Film ohnehin schon war. Ich kann nicht sagen, worum es ging – und ich kann ebenso wenig sagen, worauf Aster hinauswollte. Ja, es geht um Themen, über die er schon immer gerne gesprochen hat (Vererbung, Generationenkonflikte, komplizierte Mutter-Kind-Beziehungen – enthauptete Familienmitglieder?), aber er macht dies dieses Mal in einem so surrealen Kontext, dass ich von set piece zu set piece nicht wusste, ob unser Protagonist sich das Geschehen um ihn herum nur einbildete – oder ob andere Mächte am Werk waren. Und ja, am Ende schnürt sich das schon irgendwie zusammen – in einer Szene in der Richard Kind in der Rolle eines (von Gott gesandten?) Staatsanwaltes erscheint und sich das nach all dem Wahnsinn, der davor kam, noch nicht mal bizarr anfühlte -, aber der Weg dahin geht über drei Stunden und während ich, wie gesagt, durchaus meine leicht verwirrte Freude hatte an der Charivari, so muss ich auch sagen, dass meine Geduld spätestens um das Theaterstück herum langsam ihr Ende erreicht hatte – und da war gerade mal Halbzeit.

      Pheonix gibt mit seiner eingesackten Körperhaltung und Stimme (noch brüchiger, noch heiser, noch murmelnder, als man das ohnehin schon von ihm kennt) eine der besten Darstellungen seiner Karriere und während ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich aus den Situationen machen sollte, in die Beau hineingeworfen wurde, hat mir sein Blick alles verraten, was zumindest in diesem Charakter vor sich ging. Also ja, das war bis jetzt einer der am meisten frustrierenden Aster-Filmen. Aber Frustration war halt auch irgendwie der Punkt, worum es ging, und seine nervtötende Natur war voll und ganz beabsichtigt. Aus irgendeinem perversen Grund heraus (vielleicht war es auch nur das Penis-Monster) könnte Beau Is Afraid daher also sogar mein liebster Film von ihm sein. Auch wenn ich erstmal keinen Bedarf danach habe, in naher Zukunft nochmals einen Blick reinzuwerfen.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Ich glaube, von allen drei Aster-Filmen hatte ich am Ende mit Beau wahrscheinlich den meisten Spaß.


      Habe mir den neuen Aster-Film mit der 0,99€-Prime-Leihe als Steilvorlage auch gestern angesehen. Nur mit dem Unterschied, dass es meiner Meinung nach sein schwächstes Werk bisher ist.

      Was aber nicht bedeutet, dass ich Beau is afraid nicht sehenswert fand. Bereits in seinen beiden starken Vorgängerwerken hatten die jeweils zweiten Hälften so ihre Dynamik-Probleme, wollten phasenweise zu viel und offenbarten dementsprechend ihre Längen. Diese Problematik zeigt sein dritter Spielfilm für mich am deutlichsten auf, trotz der für ihn neuartigen Herangehensweise.

      Die ersten 90 Minuten habe ich als ganz, ganz stark wahrgenommen. Beau hat Angst. Oh Baby, und wie. Da verspricht der Titel nicht zu viel. Bereits die erste Szene der Geburt lässt verlauten, dass Geburt und damit das gesamte Leben Krieg bedeutet. Zumindest für unsere Hauptfigur. In einem surrealen Setting, das sozialen Brennpunkt, Fiebertraum und Vorhölle ineinander vereint, versammeln sich jegliche Angstzustände und Phobien, die man sich nur vorstellen kann. Eine tatsächliche Story will sich zu diesem Zeitpunkt noch verstecken, denn der Zuschauer durchlebt zusammen mit Beau zunächst eine unberechenbare und überstilisierte Odyssee, die durchweg anpeitscht und mir den Atem raubte. Ein Marathon an Albtraum-Szenarien. Und perspektivisch wahrscheinlich näher an dem Empfinden von Menschen mit krassen Angststörungen als uns lieb ist. Teilweise so intensiv, irre und doch komödiantisch, dass ich gar nicht wusste, wohin mit meinen Gefühlen. Diese erste Hälfte hatte es mir sehr angetan, doch.

      Doch dann wurden die Dingen holpriger. Obwohl mir die ästhetische Klasse, die Grundatmosphäre und der inszenatorische Aufwand weiterhin äußerst zusagten, will Aster mit dieser zweiten Hälfte meiner Meinung nach zu viel. Ich fand das Kapitel im Mittelteil (Wald-Theater) grundsätzlich großartig, auch weil es Perspektiven und Möglichkeiten der Hoffnung aufzeigt, doch die Szenen wollten mit zunehmender Dauer Gefühle erzwingen, die entweder bereits zu Genüge da oder für sie einfach nicht erreichbar waren. Alles dauerte zu lang. Und der Film trat auf der Stelle. Die Themen, die Aster hier anbringt, sind vielfältig wie komplex, doch die sich einschleichende Trägheit servierte mir die Dinge nicht so, dass ich gewillt war, mich hineinzusteigern. Und nach einem reinen Treiben lassen war mir nach diesen intensiv-fordernden ersten 90 Minuten einfach nicht.

      Im Mittelpunkt steht eine unendlich manipulative Mutter-Sohn-Beziehung, die Fragen über familiäre Verantwortungen und Abhängigkeiten aufwirft. Die schwer vereinbare Balance aus Bindung/Liebe/Sicherheit und Freiheit/Selbstliebe/Emanzipation. Zudem wiederholen sich gewisse filmischen Muster des Filmmachers, wie man sie bereits aus den Vorgängern kennt. Ein Faible für "Köpfe", wichtige, unentdeckte Erkenntnisse in Räumlichkeiten, die sich schon immer im häuslichen Umfeld befanden, aber noch verborgen blieben sowie eben die dysfunktionalen Beziehungen, in Form von Horror aufgearbeitet. Die Erkenntnis am Dachboden (ich sehe darin ein wenig das Baumhaus aus Hereditary) sowie das Finale, fand ich dann wieder recht stark - beide Szenen mit gekonnter Symbolkraft - was aber leider nichts daran änderte, dass mir der Film mindestens volle 30 Minuten zu lang ging. Was halt schon sehr viel ist. Aufgrund der geschilderten Stärken und insbesondere der ersten Hälfte trauere ich der investierten Zeit jedoch nicht hinterher.

      Ich fände es generell gut, wenn Aster die Töne, die er hier anschlägt, weiter verfolgen würde. Nur gerne kompakter. Auch surreale Filme können innerhalb ihres Kosmos zielführender vorgetragen werden.

      Data schrieb:

      Pheonix gibt mit seiner eingesackten Körperhaltung und Stimme (noch brüchiger, noch heiser, noch murmelnder, als man das ohnehin schon von ihm kennt) eine der besten Darstellungen seiner Karriere


      Sowas von. Phoenix ist einer der größten Darsteller unser Zeit und sollte er diesen Stand retrospektiv in 20-30 Jahren nicht inne haben, verstehe ich die Welt nicht mehr. Bei seinen Rollen geht es mir immer wieder auf´s Neue so, dass ich mir zumindest im Moment des Erlebens nicht vorstellen kann, dass er privat auch nur ansatzweise anders sein könnte als die Figur, die er gerade darstellt. So eindringlich spielen, ohne gewollt zu wirken, können nur die wenigsten.






      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „Bavarian“ ()

      Bavarian schrieb:

      Die ersten 90 Minuten habe ich als ganz, ganz stark wahrgenommen. Beau hat Angst. Oh Baby, und wie. Da verspricht der Titel nicht zu viel. Bereits die erste Szene der Geburt lässt verlauten, dass Geburt und damit das gesamte Leben Krieg bedeutet. Zumindest für unsere Hauptfigur. In einem surrealen Setting, das sozialen Brennpunkt, Fiebertraum und Vorhölle ineinander vereint, versammeln sich jegliche Angstzustände und Phobien, die man sich nur vorstellen kann.


      Oh, das stimmt und ist eine wunderbare Beobachtung. Das war grandios in Szene gesetzt - und für mich auf erschreckende Weise nahegehend, denn ich kenne einige dieser (irrationalen) Phobien. Aster stellt das natürlich amplifiziert dar und ich habe keine Zweifel, dass das nur in Beaus Kopf passiert, wie er zum Beispiel wie um sein Überleben kämpfend auf die Haustür zurennt, bevor der Obdachlose ihn erwischt. Aber ich hab diesen Charakter in diesen Momenten so gut verstanden, gerade weil es so übertrieben aufbereitet wurde.

      Das war im Übrigen auch genau das, was ich meinte, als ich schrieb, dass ich den Film nicht verstanden habe. Weil es dann ab der zweiten Hälfte (nach dem Theaterstück) nicht mehr um Phobien ging - und dieser Aspekt fast schon ein bisschen fallen gelassen wurde in dem ganzen Chaos, das von da an passiert. In dem Sinne also auch ein bisschen wie Hereditary, wo die durchgeknallte zweite Hälfte nicht so richtig zur bodenständigeren Ersten passen wollte und sich fast schon wie ein anderer Film anfühlte, der da angetackert wurde. Warum das hier für mich besser funktionierte, liegt wohl darin begründet, dass ich den Wahnsinn hier eher so wahrgenommen habe, dass es genau darum ging - und dieser nur eine logische Schlussfolgerung war von den Phobien, die Beaus Leben bis dahin geprägt haben.

      Bavarian schrieb:

      Data schrieb:

      Pheonix gibt mit seiner eingesackten Körperhaltung und Stimme (noch brüchiger, noch heiser, noch murmelnder, als man das ohnehin schon von ihm kennt) eine der besten Darstellungen seiner Karriere


      Sowas von. Phoenix ist einer der größten Darsteller unser Zeit und sollte er diesen Stand retrospektiv in 20-30 Jahren nicht inne haben, verstehe ich die Welt nicht mehr. Bei seinen Rollen geht es mir immer wieder auf´s Neue so, dass ich mir zumindest im Moment des Erlebens nicht vorstellen kann, dass er privat auch nur ansatzweise anders sein könnte als die Figur, die er gerade darstellt. So eindringlich spielen, ohne gewollt zu wirken, können nur die wenigsten.


      Ich hab ihm geglaubt, jedes Mal, wenn er auf's Neue ein "Oh no" vor sich hinkeuchte. Seine line delivery ist perfekt in dem Film. Und sein fetter, untrainierter Körper und die Stoppelfrisur, mit der er herumläuft, eine perfekte Vermengung mit seiner Darstellung, die aufzeigt, wie ein method actor wie er in einer Rolle versinken kann, ohne dass er einfach nur aussieht, als hätte ihm jemand eine Perrücke auf die Birne geklatscht. Wie du sagst, einer der ganz Großen unserer Zeit.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Das war im Übrigen auch genau das, was ich meinte, als ich schrieb, dass ich den Film nicht verstanden habe. Weil es dann ab der zweiten Hälfte (nach dem Theaterstück) nicht mehr um Phobien ging - und dieser Aspekt fast schon ein bisschen fallen gelassen wurde in dem ganzen Chaos, das von da an passiert.


      Data schrieb:

      und sich fast schon wie ein anderer Film anfühlte, der da angetackert wurde.


      Angefühlt hat es sich für mich durchaus ähnlich. Wobei ich während des Schauens dann doch einen Gedanken hatte, der die unterschiedlichen Akte auf einer höheren Ebene zusammenhält, auch wenn ich bezweifle, dass bei all der Surrealität und der performativen Herangehensweise das die bewusste Intention von Aster war. Maximal eine von vielen. Ein wenig wirkte das Drehbuch auf mich aber wie eine dreiteilige Therapie:

      Spoiler anzeigen
      Die erste Phase erinnert an eure Art Schocktherapie. Irgendwie ist die erste Hälfte zwar wie eine Flucht inszeniert, jedoch zwingen die Umstände Beau am Ende dann doch sich ständig diversen Ängsten/Phobien konkret auszusetzen. Und sie zu überleben.

      Dies überwunden, beginnt im Wald eine Phase der Selbststärkung. Zuversicht, Selbstachtsamkeit, hoffnungsspendende Gedanken, das Aufarbeiten der eigenen Biografie, in einer bedrohlichen Welt seinen persönlichen Safe Space finden. Sich mit Leuten umgeben, die einem gut tun. Das Finden zu sich selbst. Beau macht sich in diesem Moment erstmals selbst zum Hauptdarsteller des Theaterstücks bzw. seines Lebens und löst Blockaden. Doch zur Heilung fehlt noch etwas Entscheidendes. Daran erinnert ihn dann mehr als deutlich der traumatisierte Kriegsveteran, der den Frieden in die Luft jagen will.

      Er muss sich also im dritten Schritt dem großen Kernproblem und dem Ursprung aller Ängste stellen, zu was er nun endlich fähig ist: Der toxischen Beziehung zu seiner Mutter. Die Therapie ist jedoch gescheitert. Er tritt in diesem Wasser-Stadion mit einem weiterhin viel zu leisen Anwalt an (= offensichtlich sein unterentwickeltes Selbstbewusstsein) und kann gegen die Vorwürfe seiner Mutter weiterhin nicht bestehen. Ein symbolkräftiges Statement, wie sehr uns frühkindliche Momente, Beziehungen und Bindungsstörungen für immer prägen.

      Dazu ganz viele Metaphern rundum Wasser. Wassermann, Watertown, Tod im Wasser. Will als Kind nicht in die Badewanne steigen und sein starkes Ich wird für immer weggesperrt. Sternzeichen Wassermann = starkes Bedürfnis nach Freiheit.


      Der Film gibt natürlich ganz viel weiteres Interpretationspotenzial her. Meine Theorie ist nur ein kleiner Versuch.






      Puuh. Beau is Afraid ist keine leichte Kost. Und auch keine spaßige Kost. Eigentlich ist Beau is Afraid gar keine Kost, die man gerne konsumiert. Nach "Hereditary" und "Midsommar" blitzt auch hier gelegentlich der Geist von Ari Aster durch, kann jedoch zu keiner Zeit an die Qualitäten der beiden Vorgängerfilme anknüpfen. Es ist durchaus sichtbar, was der Film einem erzählen will und was seine Intention, während dieser schier endlosen Laufzeit von drei Stunden und unendlichen weirden Momenten ist, aber das alles hätte Aster auch in wesentlich einfacher, weniger unnötig kompliziert und vor allem auch wesentlich kürzerer Zeit haben können.

      Beau is Afraid ist nach einiger Zeit nur noch anstrengend, weil der Film einen komplett von allen Seiten mit bizarren Szenen aus Beaus Innerstem Gefühlschaos zuschüttet. Die Geschichte rund um psychische Erkrankungen und wie Betroffene und das direkte Umfeld damit umgehen, verkommt so zu einer unnötigen Tortur. Gerade dieser Aspekt, hätte in den Händen von Aster eigentlich komplett funktionieren können oder sogar müssen. Doch stattdessen wird zu viel auf einen Schlag gewollt, dazu noch unnötig gestreckt, auch wenn die Gedankengänge und die Situation von Beau, seinem kompletten Leben und wie er über Jahre Tag für Tag empfindet, somit mehr Gewicht verliehen wird.

      Am Ende ist Beau is Afraid eine kleine Enttäuschung, die mit ihrer überbordenden Art viel Potential zunichtemacht.
      Mein Filmtagebuch



      „I think storytelling is all about children. We human beings love to hear stories being told - and it first happens when you're a kid.“
      - David Chase