Vortex (Gaspar Noé, Dario Argento)

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    Es gibt 6 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Data.

      Vortex (Gaspar Noé, Dario Argento)

      Vortex

      Überraschung in Cannes. Der Film "Vortex" vom Ausnahme-Künstler Gaspar Noé wird in Cannes noch hinzugefügt. Zu sehen sein werden der Italo-Kult-Regisseur Dario Argento ("Suspiria") und die beiden französischen Schauspieler Françoise Lebrun und Alex Lutz. Es geht um die letzten Jahre eines liebenden Paares, bei denen sich die Altersschwäche bemerkbar macht. Es soll sich dabei um eine Quai-Doku handeln.

      Ein erstes (nichts aussagendes) Pic gibt es auch schon.

      Quelle: bloody-disgusting.com/movie/36…ing-dario-argento-cannes/

      Dario Argento in einem Film von Gaspar Noé. Was für eine Kombi. :hammer:
      "Man geht schon ein Risiko ein, wenn man morgens aufsteht, über die Straße geht und sein Gesicht in einen Ventilator steckt!"
      WOW. Aber das wird - wie immer bei Noé - ein harter Film. Solange Dario Argento am Leben ist kann man sich den bestimmt anschauen, danach wird man es zumindest als ein großer Fan des Italo-Künstlers nicht mehr über das Herz bringen.

      Aber sieht einfach real und deshalb so gut aus.
      "Man geht schon ein Risiko ein, wenn man morgens aufsteht, über die Straße geht und sein Gesicht in einen Ventilator steckt!"
      Der neue Film von Noé erscheint bei uns im Heimkino zu Halloween!

      Bei seinem neuen Werk hält sich der aus Argentinien stammende Regisseur aber mit solchen Provokationen zurück und zeigt im Splitscreen das Leben eines alternden Ehepaars – gespielt von Françoise Lebrun und Regielegende Dario Argento. "Vortex" (Frankreich, Belgien, Monaco 2021) feierte seine Weltpremiere im vergangenen Jahr in Cannes und wird am 28. Oktober 2022 von Rapid Eye Movies im Heimkino-Segment ausgewertet. Der Independent veröffentlicht das Drama im Vertrieb der Alive AG im limitierten DigiPak inklusive DVD.

      Quelle: bluray-disc.de/blu-ray-news/fi…ber_auf_bluray_im_digipak

      Von Kritikern übrigens gefeiert: rottentomatoes.com/m/vortex_2021
      "Man geht schon ein Risiko ein, wenn man morgens aufsteht, über die Straße geht und sein Gesicht in einen Ventilator steckt!"
      Big Uff. Doch ein positives Uff. Gaspar Noé lässt sich hier nicht lumpen und präsentiert eines der pursten Werke zum Thema Lebensabend und Vergänglichkeit, das es in der Filmgeschichte je gab. So radikal man beispielsweise den psychedelischen "Enter the Void" vom Regisseur auch finden mag: Diese rein bildlich ruhige Auseinandersetzung ist es noch viel mehr.

      Der unorthodoxe 3h-Dauer-Split-Screen mit Untertiteln kann zwar durchaus mal anstrengend werden, doch er ebnet wiederum inszenatorische Momente, die es so wohl nicht gab und auf mich eine extreme Wirkung hatten.

      Kein leichter Feierabendfilm, sondern eine tiefe, entschleunigte und ungeschönte Auseinandersetzung mit dem Alt werden. Das Schauspiel von Lebrun und Argento dabei souverän. Der Italiener funktioniert hier nicht nur als Darsteller bestens, sondern mindestens genauso perfekt als eine zum Mensch gewordene Referenz.

      Eine erschreckende und zeitgleich irgendwie tröstliche Erkenntnis für mich war, dass,
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      wenn man es genau nimmt, die unter Demenz leidende Frau in mancherlei Hinsicht dennoch lebendiger ist als der kalkulierte, getriebene, unglücklich verliebte und ängstliche Mann. Sie ist kindlich naiv, findet Gefallen an der Natur, an Blumen und glaubt noch/wieder an das Gute im Menschen. Dramaturgisch passend, dass Argentos Charakter zuerst das Zeitliche segnet.

      Der Moment, in dem die eine Split-Screen-Hälfte verdunkelt, hat mich äußerst mitgenommen. Symbolkräftiger geht es wohl kaum.






      Mit einem zweimonatigen Gratiszeitraum habe ich letzte Woche dann auch mal mit Mubi gestartet. Aftersun habe ich gerade bewertet – und mit einem eigenen Thread beehrt. Aber angefangen habe ich letzten Donnerstag mit Vortex – der um Mitternacht an diesem Tage aus dem Programm verschwinden sollte, weswegen ich mich dem Französisch und der ungeheuren Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden zum Trotz dann doch an meinen ersten Gaspar Noé wagte.

      Ich denke, man kommt nicht umher und muss zuallererst den dicken Elefanten im Raum ansprechen: Das screen splitting, das kein temporär eingesetztes Stilmittel ist, sondern die sprichwörtliche Methodik, mit der Noé seinen Film erzählt. Das heißt, wenn man – wie ich – völlig unvorbereitet und nicht informiert an den Film rangeht, wird man sich nach 20 Minuten schon einmal die Frage stellen, ob der Film irgendwann auch wieder zu einem einfachen Bild überwechselt. Wenn man sich dann im Klaren darüber wird, dass das nicht passiert, dann ist das wohl der Moment, an dem man sich die Frage beantworten muss, wie sehr einen das stört und ob man das nochmal zwei Stunden mitmachen möchte. Spricht man dann, wie ich, noch nicht mal ein Wort Französisch, ist man zudem noch auf Untertitel angewiesen, was schon mal drei visuelle Elemente sind, denen man gleichzeitig folgen muss. Man kann nur einem nicht-existenten Gott danken, dass der Film nicht obendrauf noch von Christopher Nolan geschrieben und John Ottman geschnitten wurde.

      Aber ja, das sorgt natürlich für ein ausgesprochen ungewöhnliches Seherlebnis. Ich will nicht sagen, dass höchste Konzentration gefordert ist, denn letztlich ist es nicht möglich, beiden Bildern gleichzeitig zu folgen. Es ist einfach ratsam, sich darauf einzulassen, ohne dass man sich große Sorgen machen sollte, etwas im parallelen Bild zu verpassen – Noé ist talentiert genug, um die Augenpaare zu wichtigen Schlüsselmomenten wieder dorthin zu lenken, wo es gerade (vermeintlich) wichtiger ist. Es ist essentiell, sich nicht ablenken, sondern einfach mitreißen zu lassen. Der Film passiert dann von ganz allein.

      Und was für ein Film es ist. Es geht im Prinzip um ein altes Ehepaar in der letzten Etappe ihres gemeinsamen Lebens. Er hat mit Herzproblemen zu kämpfen. Sie befindet sich im fortgeschrittenen Stadium der Demenz. Der Film gibt den beiden keine Namen – Lui und Elle können mit Vater und Mutter oder Ehemann und Ehefrau übersetzt werden, wie ich im Nachhinein lernte -, aber eine Lebensgeschichte so reich und gehaltvoll, die sich echt und gelebt anfühlt, wie das für diese Art Geschichte notwendig ist. Man kann gewisse Dinge nicht erklären – wie den Moment, als sich Lui darüber aufregt, wie schwierig Elle geworden ist -, sondern man muss verstehen, dass die Gemüter reizvoller sind nach Jahrzehnten einer Ehe, wenn die Gebrechen im Alter nicht einfacher werden. Die unbekümmerten Tage aus der Anfangssequenz des gemeinsamen Frühstücks sind lange vorbei.

      Der Film ist offenbar fast komplett improvisiert worden – und wie ich gelesen habe, hat Dario Argento davor nicht ein einziges Wort Französisch gekonnt. Sein Gegenüber, Françoise Lebrun – die „Meisterin des langen Monologes“, wie sie wohl offenbar genannt wird -, gibt eine sehr zurückhaltende Darbietung – der Rolle geschuldet, eher wortarm, aber mit Blicken und Gesten, so sorgfältig gewählt und vorsichtig eingesetzt sind, dass es leicht fällt, als Zuschauer sich oft in ihrem Teil der Geschichte zu verlieren. Vortex ist ein Film voller Momentaufnahmen. Das screen splitting ist wohl sehr bedacht gewählt, zeigt es einerseits, wie das Leben jedem Menschen individuell widerfährt und jemand anderes nicht einfach aufhört zu existieren, nur weil die Kamera gerade nicht auf denjenigen gerichtet ist. Und andererseits sorgt es – wie @Bavarian das schon anmerkte – für unglaublich starke Symbolik, die kräftiger wirkt, weil sie auf diese Art Bild-neben-Bild präsentiert wird. Ich weiß nicht, ob es mehr ein interessanter, als ein großartiger Film ist. Aber er trifft jedenfalls in den Momenten, wo es wichtig ist, mit einem Schlag in die Magengrube, die nur funktioniert, weil die Schauspieler das liefern und die Regie bewusst knallhart draufhält, ohne etwas zu verschleiern oder zu romantisieren. Die Montage am Ende, die Fotos zeigt, wie die Wohnung des Ehepaares immer leerer wird, zeigt ein Leben voller Erinnerungen und Gegenstände, die nach und nach langsam verschwinden, als wären sie nie da gewesen. Es ist ein bitterer Ausklang, der mit einer Nüchternheit präsentiert wird, die einen fast lachen lässt, so grausam wirkt er. Aber er bringt auch eine gewisse Ehrlichkeit mit, die jeglichen Kitsch vermissen lässt. Vortex ist roh und ungeschönt - unordentlich, wie die Wohnung des Paares, ohne Hoffnung, dass man zu alter Sauberkeit nochmals zurückfindet. Und das macht ihn letztlich zu einem Stück Erfahrung, mehr, als es ihn zu einem Film macht.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase
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