Fabian oder Der Gang vor die Hunde

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    Es gibt 5 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Burning.

      Fabian oder Der Gang vor die Hunde



      Originaltitel: Fabian: Going to the Dogs
      Studio/Verleih: DCM Film Distribution
      Land/Jahr: Deutschland 2021
      Regie: Dominik Graf
      Drehbuch: Dominik Graf, Constantin Lieb, Erich Kästner (Buchvorlage)
      Genre: Drama
      Laufzeit: 174 Minuten
      FSK: ab 12 Jahren
      Release: 5. August 2021
      Darsteller: Tom Schilling, Saskia Rosendahl, Albrecht Schuch, Meret Becker uvm.

      Inhalt:

      Der Werbetexter Jakob Fabian erlebt das Berlin der Dreißigerjahre als eine unruhige, von Veränderungen durchdrungene Zeit, die ihn gleichsam nicht berühren. Wenn er mit seinem rastlosen Freund Labude nachts den Kiez durchstreift, ist er nicht wirklich Teil des Geschehens; selbst die politische Radikalisierung seines Freundes lässt ihn kalt. Doch für die selbstbewusste und eigenständige Cornelia beginnt er zu brennen und als ihre Beziehung scheitert und er zudem seinen Job verliert, geht es mit Fabian unaufhaltsam abwärts....



      Dominik Graf. Der Mann, der sogar aus einem Tatort oder einem Polizeiruf 110-Fernsehfilm Dinge zaubert, die man eigentlich für unmöglich hält.

      Dass dieser besondere Filmemacher bei einem ambitionierten, experimentierfreudigen 3-Stünder so richtig abliefert, ist wenig verwunderlich. Bereits die erste Szene macht uns bewusst, dass die Brücke zur Weimarer Republik nicht so weit entfernt ist, wie es sich vielleicht anfühlen mag und das gewisse gesellschaftliche Prozesse sich wohl nie ändern.

      Fabian ist eine Odyssee durch eine widersprüchliche sowie brodelnde Zeit. Zwischen Anstand und Hedonismus, einer Freiheit und dem aufkeimenden Nazi-Regime sowie Kunst und Etikette. Fabian, dargestellt von Tom Schilling, dessen jugendhaftes Aussehen sowie hohe Stimme so ziemlich jeden seiner Filme irgendwo zum Coming-of-Age-Streifen macht, ist hier wirklich bestens besetzt. Im Berlin der frühen ´30er versucht "Herr Fabian" sich selbst zu finden, in irgendeiner Form zu agieren - doch sein Umfeld ermöglicht es ihm maximal, sich treiben zu lassen. Er sucht nur und reagiert. Und ist Zeitzeuge, wie sein Umfeld lebt und stirbt. Für einen Freigeist auf Identitätssuche wie ihn, ist in diesem Setting kein Platz. Denn er weiß noch nicht einmal, ob er Opti- oder Pessimist ist.

      Graf probiert hier inszenatorisch sehr viel. Und in der Regel ist er dabei sehr erfolgreich. Unorthodoxe, aber intelligente Schnitte, experimentelle Ausleuchtungen, anrüchige Farben, umgeben von einer Zigarettenqualm-Nebelmaschine, Filmkorn, Zoom, Wackler - volle Breitseite. Nostalgisch, und doch stets unvorhersehbar. Doch es fühlt sich nie nach Selbstzweck an.

      In die Dialoge habe ich mich schnell verliebt. Rhetorischer Zucker, smarter Wortwitz, Berliner Schnauze und Poesie am laufenden Band. Jedoch habe ich sicherheitshalber die Untertitel aktiviert, da so manch Satz akustisch recht unverständlich für mich war.

      Das Werk diskutiert zudem über das Patriarchat, aber auch den gesellschaftlichen Wert von Kunst. Ist Schauspiel tatsächlich nur "nutzlose Schönheit" oder aber verarbeiten wir letztendlich in der Kunst das, was uns im Alltag nicht gelingt? Sind die gestellten Tränen einer Schauspielerin gelogen oder vielleicht die ehrlichsten von allen?

      Insbesondere als stark empfand ich die Beziehung zwischen Fabian und Cornelia. Wunderbar geschrieben. Die Szenen zwischen den beiden haben Energie. Machen fröhlich und traurig. Man fühlt es. Hinzu kommt würdevolle sowie ehrliche Erotik, die in Filmen immer seltener wird.

      Ein herrliches Werk. Und nein, nicht nur "für einen deutschen Film". Einfach ein grandioser Film. Stark besetzt, mit einem symbolstarken Ende.






      Den Film hatte ich mal für 0,99€ bei 'Prime' geliehen, dann etwa 30-40 Minuten geguckt und wieder aufgehört, weil ich für diese Art Film überhaupt nicht in der Stimmung war. Konnte die Qualitäten zwar sehen/erahnen, aber das hätte an dem Abend überhaupt nichts gebracht. Liest sich aber ungemein interessant und im Grunde genau nach meinem Geschmack. Werde dem Film wohl nochmal eine Chance geben, nach dem guten Text hier.
      Mein Filmtagebuch



      „I think storytelling is all about children. We human beings love to hear stories being told - and it first happens when you're a kid.“
      - David Chase

      Burning schrieb:

      dann etwa 30-40 Minuten geguckt und wieder aufgehört,


      Zwar ist der gesamte Film inszenatorisch sehr verspielt und mutig, lässt es aber in genau diesen ersten 30 Minuten, die du beschreibst, dahingehend am meisten krachen. Sollte man innerhalb dieser anfänglichen stilistischen Spielerei (irgendwo zwischen Nostalgie und Experimentierfreudigkeit) sich nicht ganz so heimisch fühlen, stehen die Chancen aber gut, dass sich das im weiteren Verlauf bessert. Der Film fokussiert sich im Laufe verstärkt auf die Figuren, während anfänglich noch eher die Bilder regieren. Ein Zweitversuch könnte sich also evtl. lohnen. :)






      Bavarian schrieb:

      Ein Zweitversuch könnte sich also evtl. lohnen.

      Habe ich definitv vor. Wie gesagt, die Qualitäten konnte ich trotz der relativ kurzen Zeit erahnen, aber an dem Abend hatte ich dann doch nicht den Nerv für so einen Film und habe dann lieber ausgeschaltet, bevor ich mich dadurch quälte und dann womöglich einen guten Filme als misslungen betrachte ^^
      Mein Filmtagebuch



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