Was wollen wir von einer Filmkritik?
Diese Frage geht mir seit einiger Zeit nicht mehr aus dem Kopf. Wo der Gedanke seinen Ursprung hat, kann ich nicht sagen. Sicherlich haben die Diskussionen um James Bond und Dune der letzten Wochen ihren Teil dazu beigetragen. Große Filme sorgen für große Meinungen. Und doch läuft es oft auf den altbekannten Schlagabtausch „Das ist halt meine Meinung“ hinaus. Etwas, was eigentlich nicht gesagt werden muss, denn wenn jemand einen Film bewertet, äußert die Person immer ihre Meinung und nie – entgegen der Annahme mancher, dass es so etwas gäbe – eine größere Wahrheit, die wie eine kosmische Konstante nicht begründet werden muss.
Denn Filme sind ja nicht objektiv bewertbar. Man kann nicht auf einer Skala abmessen, wie gut oder schlecht ein Film ist und eine neutrale Wertung oder Empfehlung abgeben. Ein Film ist keine Waschmaschine, die man anhand von Energieverbrauch oder diversen technischen Features besser einstufen kann, als ein ähnliches Produkt einer anderen Firma. Denn Film ist Kunst und Kunst ist subjektiv, egal wie man sich dreht und wendet und wie überspitzt man in der Lage ist, sich auszudrücken. Wie jemand einen Film aufnimmt, ist vom persönlichen Empfinden abhängig, manchmal von äußeren Einflüssen (wie war das Erlebnis im Kinosaal? Wie hat meine Begleitung den Film aufgefasst?), manchmal von der Tagesform (Müdigkeit oder Krankheit spielen mit ein) und manchmal von einer gewissen Erwartungshaltung, die man sich selbst auferlegt oder die man von anderen aufgeschnappt hat (hat mir der erste Teil super gefallen? Ist es ein Remake? Hat der Film eine Tonne an Oscars gewonnen oder ist gar ein „Meisterwerk“?). Ein Film kann einem heute super gefallen und eine Woche später hat man schon erste Abstriche zu machen. Oder andersherum: Vermeintliche Makel werden bei der Zweitsichtung nun doch als Stärke wahrgenommen (mein Kinobesuch von Pans Labyrinth hatte eine Kombination aus mehreren dieser Punkte: Falsche Erwartungshaltung, gepaart mit einer Neuaufstellung meiner Prioritäten und schon hatte ich einen Film vor mir, den ich plötzlich liebte).
Wenn dem so ist, warum schreibe ich dann überhaupt Kritiken? Wenn Meinungen so fragil und Subjekt äußerer Einflüsse sind?
Für mich persönlich hat eine Kritik nichts damit zu tun, Empfehlungen abzugeben. Mark Kermode – ‚the most trusted film critic in the UK‘ – hat dies einmal ganz gut auf den Punkt gebracht: Kein Kinogänger lässt sich beeinflussen von professionellen Filmkritikern, sondern lässt sich Empfehlungen geben von Leuten aus seinem unmittelbaren Umfeld, von Freunden, Familie, Kollegen.
Ich bin kein professioneller Filmkritiker (im Sinne davon, dass ich Kritiken nicht für Geld schreibe und damit nicht meinen Lebensunterhalt verdiene). Ich bin aber jemand, der Folgendes über sich herausgefunden hat: Schreiben hilft mir beim Nachdenken. Beim Filtern und Herausfinden. Oft sehe ich mir Filme an und habe eine grundlegende Ahnung, eine Tendenz, was ich von ihm halte. Das ist ein Bauchgefühl – oft nicht mehr, als das. Wenn ich mir die Mühe mache, dann verwende ich auf einen einfachen Film oftmals bis zu einer Stunde, bis ich eine Kritik fertiggeschrieben habe; für komplexere Filme wie Hereditary sitze ich schon Mal an die drei Stunden vor dem Rechner, bevor ich etwas fertig habe, das für mich selber verständlich ist und bei dem ich das Gefühl habe, meine Gedanken in exakt die Worte gefasst zu haben, nach denen ich lange und verzweifelt gesucht habe. Und mehr als nur ab und zu schaffe ich es überhaupt nicht, eine Kritik zu Ende zu schreiben, sei es wegen Zeit- oder Motivationsmangel.
Was ich damit sagen möchte: Ich mache das nicht, um Geld zu verdienen, um Leute ins Kino zu treiben (wobei das ein schöner Nebeneffekt wäre), um Meinungen umzudrehen oder um dagegen zu schießen. Eine Filmkritik zu schreiben ist für mich vor allem eine Art Selbsttherapie, in der ich mir klar darüber werde, was ich überhaupt denke. Fühlen ist einfach – das ergibt sich von selbst -, aber Gefühle zu deuten, das bedarf bei mir mehr einer größeren Zeitinvestition. Wenn ich Kritiken poste (und das tue ich nicht mit jeder, die ich schreibe), dann habe ich damit vorrangig zwei Intentionen: Zum einen möchte ich aufmerksam auf Filme lenken, die nicht viel diskutiert werden oder ich möchte eine alternative Meinung abgeben, wenn der Konsens zu sehr in eine bestimmte Richtung geht. Zum anderen möchte ich – und letztlich bin ich dafür auch in einem Filmforum unterwegs – intelligente Diskussionen haben. Es geht mir dabei noch nicht mal darum festzustellen, wer bei einer Meinungsverschiedenheit Recht und wer Unrecht hat. Wie bereits beschrieben, die Natur eines Films lässt so eine Feststellung nicht zu. Vielmehr geht es mir darum, zu sehen, warum jemand Anderes denkt, dass ich Unrecht habe, und um festzustellen, wo ich aus dem falschen Blickwinkel auf den Film schaue , denn womöglich finde ich so ja sogar einen anderen Interpretationsansatz, den ich bisher nicht gesehen habe. Das ist für mich der Kern einer interessanten, intelligenten Diskussion über ein Thema, das mir sehr, sehr am Herzen liegt und in das ich mehr Gedanken und Zeit investiere, als das für irgendeinen Menschen gesund sein kann.
Jeder Film ist ein individuelles Erlebnis. Jeder Zuschauer bringt eigene Erfahrungen und somit Erwartungen mit. Einen gewissen Ballast, wenn man so möchte, der am Ende zweifelsohne in die Wertung mit einfließt. Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ist nicht nur normal. Es ist sogar erwünscht. Letztlich ist auch jeder Filmemacher als Zuschauer aufgewachsen, hat eigene Vorlieben entwickelt und das Medium Film ist dadurch umso vielfältiger und reicher geworden. Und der Zuschauer heute profitiert davon mehr denn je. Und das ist es letztlich, was Filme so toll macht.
Seit meiner frühesten Kindheit bin ich überzeugt davon, dass es keinen besseren Zeitvertreib gibt, als zwei Stunden oder so in eine andere Welt einzutauchen und mich in einer Geschichte zu verlieren. (Aus ähnlichen Gründen lese ich gerne Bücher). Die Vielfältigkeit der Genres und die Fähigkeit, wie der Film unsere Sinne nutzen kann, um unsere Emotionen zu manipulieren: Kein andere Medium hat eine solche Reichweite, kann uns zum Lachen und zum Weinen bringen, kann uns Angst einjagen und zum Träumen und Sinnieren anregen. Über die Zeit – zunächst unbewusst, bis man sich irgendwann im Klaren darüber wird -, lernen wir die Regeln dieser Kunstform kennen und können uns auf einer anderen Ebene darüber Gedanken machen und, wenn wir Gleichgesinnte finden, uns auch darüber unterhalten. Aber in erster Linie geht es um Emotionen und wenn mich ein Film zum Fühlen bringt, dann hat er schon einmal 80 % seiner Arbeit erfolgreich erledigt.
Das ist meine Philosophie, wie ich an das Thema herangehe. Zumindest ist es ein Teil davon. Andere Zuschauer mögen andere Prioritäten haben - die ebenfalls völlig legitim sind -, aber ich kann einem Film seine Effektivität nicht absprechen, wenn er mich berührt hat und zum Nachdenken anregt. Die technische Seite ist eine andere – nicht ganz separate – Diskussion, über die ich oftmals nur oberflächlich etwas sagen kann: Ich erkenne gute Schauspielerei, wenn ich sie sehe. Ich kann gute Kameraarbeit und Regie einschätzen, Ausleuchtung loben und sagen, ob das Drehbuch was taugt oder nicht. Aber ich sehe die einzelnen Bauteile eines Filmes als nicht ausgesprochen relevant an. Logiklöcher – wenn ich sie erkenne – stören mich grundsätzlich erstmal nicht. Wenn der Film an einem einzelnen dieser Aspekte scheitert, ist das Okay, wenn er als Gesamtpaket funktioniert. Wichtig ist für mich, herauszufinden, welche Geschichte ein Film erzählen möchte und ob er dieses Ziel am Ende erreichen konnte. Ein Film verdient es, vor Gericht auszusagen, wenn man so möchte. Und ich mag ihm gerne dieses Privileg gestatten und ihn an seinem eigenen Vorhaben messen.
Ich gehe dabei so vor, indem ich die Charaktere beobachte, weswegen Charakterzeichnung für mich unglaublich wichtig ist. Folgt die Narrative des Films seinen Charakteren und deren Entscheidungen? Oder ist es umgekehrt? Dann kann ich feststellen, welche technischen Mittel er benutzt, um diese Geschichte zu erzählen und ob diese effektiv eingesetzt wurden. Und dann kann ich am Ende sagen, ob und wie gut ein Film funktioniert hat und warum. Und dieses Prinzip muss anwendbar sein auf alle Filme – auf die, die für sich allein stehen und auf die, die in einer Reihe existieren, auf direkte Fortsetzungen, auf Neuverfilmungen und auf Filme, die vielleicht gar nicht nach herkömmlichen dramaturgischen Regeln funktionieren. Jeder David Lynch-Fan weiß, wovon ich rede.
Was will ich also nun aus einer Filmkritik herausziehen?
Ich finde den Diskurs wichtiger, als alles Andere. Empfehlungen – besonders, wenn mir Nahe gelegt wird, einen bestimmten Film nicht zu sehen – hole ich mir von professionellen Kritikern genauso wenig, wie von Leuten aus meiner direkten Umgebung. Wie sagt man so schön? Ich hab‘ meinen eigenen Kopf und kann mir meine eigene Meinung bilden. Und es sind immer, immer, immer Meinungen, wenn wir von einer Filmkritik sprechen. Ich habe Roger Ebert geliebt – er und Gene Siskel zusammen, wie sie sich fast an die Gurgel gehen, weil sie sich nicht einig werden konnten, ob Jurassic Park oder Carnosaur der bessere Dinofilm von 1993 war, ist ein Highlight der modernen Filmdebatte -, aber das heißt nicht, dass ich jeder seiner Kritiken zustimmen muss. Was ihn so gut und unverzichtbar machte, war, dass ich immer verstand, woher seine Beweggründe kamen. Wenn ich diese herauslesen kann, weiß ich, was mich bei einem bestimmten thematisierten Film überhaupt erwartet. Und daraus, schließlich, kann eine Diskussion entstehen.
Wenn ihr es bis hierher geschafft habt, dann seid ihr selber Schuld. Aber ja, das ist etwas, worüber ich mir zuletzt vermehrt Gedanken gemacht habe. Ich werde wohl nie die großen philosophischen Fragen unserer Zeit klären können, aber zumindest habe ich etwas Ordnung in meine eigene Gedankenwelt gebracht. Wenn euch das Thema interessiert, würde ich euren Input schätzen, wie ihr zu der Sache steht.
Diese Frage geht mir seit einiger Zeit nicht mehr aus dem Kopf. Wo der Gedanke seinen Ursprung hat, kann ich nicht sagen. Sicherlich haben die Diskussionen um James Bond und Dune der letzten Wochen ihren Teil dazu beigetragen. Große Filme sorgen für große Meinungen. Und doch läuft es oft auf den altbekannten Schlagabtausch „Das ist halt meine Meinung“ hinaus. Etwas, was eigentlich nicht gesagt werden muss, denn wenn jemand einen Film bewertet, äußert die Person immer ihre Meinung und nie – entgegen der Annahme mancher, dass es so etwas gäbe – eine größere Wahrheit, die wie eine kosmische Konstante nicht begründet werden muss.
Denn Filme sind ja nicht objektiv bewertbar. Man kann nicht auf einer Skala abmessen, wie gut oder schlecht ein Film ist und eine neutrale Wertung oder Empfehlung abgeben. Ein Film ist keine Waschmaschine, die man anhand von Energieverbrauch oder diversen technischen Features besser einstufen kann, als ein ähnliches Produkt einer anderen Firma. Denn Film ist Kunst und Kunst ist subjektiv, egal wie man sich dreht und wendet und wie überspitzt man in der Lage ist, sich auszudrücken. Wie jemand einen Film aufnimmt, ist vom persönlichen Empfinden abhängig, manchmal von äußeren Einflüssen (wie war das Erlebnis im Kinosaal? Wie hat meine Begleitung den Film aufgefasst?), manchmal von der Tagesform (Müdigkeit oder Krankheit spielen mit ein) und manchmal von einer gewissen Erwartungshaltung, die man sich selbst auferlegt oder die man von anderen aufgeschnappt hat (hat mir der erste Teil super gefallen? Ist es ein Remake? Hat der Film eine Tonne an Oscars gewonnen oder ist gar ein „Meisterwerk“?). Ein Film kann einem heute super gefallen und eine Woche später hat man schon erste Abstriche zu machen. Oder andersherum: Vermeintliche Makel werden bei der Zweitsichtung nun doch als Stärke wahrgenommen (mein Kinobesuch von Pans Labyrinth hatte eine Kombination aus mehreren dieser Punkte: Falsche Erwartungshaltung, gepaart mit einer Neuaufstellung meiner Prioritäten und schon hatte ich einen Film vor mir, den ich plötzlich liebte).
Wenn dem so ist, warum schreibe ich dann überhaupt Kritiken? Wenn Meinungen so fragil und Subjekt äußerer Einflüsse sind?
Für mich persönlich hat eine Kritik nichts damit zu tun, Empfehlungen abzugeben. Mark Kermode – ‚the most trusted film critic in the UK‘ – hat dies einmal ganz gut auf den Punkt gebracht: Kein Kinogänger lässt sich beeinflussen von professionellen Filmkritikern, sondern lässt sich Empfehlungen geben von Leuten aus seinem unmittelbaren Umfeld, von Freunden, Familie, Kollegen.
Ich bin kein professioneller Filmkritiker (im Sinne davon, dass ich Kritiken nicht für Geld schreibe und damit nicht meinen Lebensunterhalt verdiene). Ich bin aber jemand, der Folgendes über sich herausgefunden hat: Schreiben hilft mir beim Nachdenken. Beim Filtern und Herausfinden. Oft sehe ich mir Filme an und habe eine grundlegende Ahnung, eine Tendenz, was ich von ihm halte. Das ist ein Bauchgefühl – oft nicht mehr, als das. Wenn ich mir die Mühe mache, dann verwende ich auf einen einfachen Film oftmals bis zu einer Stunde, bis ich eine Kritik fertiggeschrieben habe; für komplexere Filme wie Hereditary sitze ich schon Mal an die drei Stunden vor dem Rechner, bevor ich etwas fertig habe, das für mich selber verständlich ist und bei dem ich das Gefühl habe, meine Gedanken in exakt die Worte gefasst zu haben, nach denen ich lange und verzweifelt gesucht habe. Und mehr als nur ab und zu schaffe ich es überhaupt nicht, eine Kritik zu Ende zu schreiben, sei es wegen Zeit- oder Motivationsmangel.
Was ich damit sagen möchte: Ich mache das nicht, um Geld zu verdienen, um Leute ins Kino zu treiben (wobei das ein schöner Nebeneffekt wäre), um Meinungen umzudrehen oder um dagegen zu schießen. Eine Filmkritik zu schreiben ist für mich vor allem eine Art Selbsttherapie, in der ich mir klar darüber werde, was ich überhaupt denke. Fühlen ist einfach – das ergibt sich von selbst -, aber Gefühle zu deuten, das bedarf bei mir mehr einer größeren Zeitinvestition. Wenn ich Kritiken poste (und das tue ich nicht mit jeder, die ich schreibe), dann habe ich damit vorrangig zwei Intentionen: Zum einen möchte ich aufmerksam auf Filme lenken, die nicht viel diskutiert werden oder ich möchte eine alternative Meinung abgeben, wenn der Konsens zu sehr in eine bestimmte Richtung geht. Zum anderen möchte ich – und letztlich bin ich dafür auch in einem Filmforum unterwegs – intelligente Diskussionen haben. Es geht mir dabei noch nicht mal darum festzustellen, wer bei einer Meinungsverschiedenheit Recht und wer Unrecht hat. Wie bereits beschrieben, die Natur eines Films lässt so eine Feststellung nicht zu. Vielmehr geht es mir darum, zu sehen, warum jemand Anderes denkt, dass ich Unrecht habe, und um festzustellen, wo ich aus dem falschen Blickwinkel auf den Film schaue , denn womöglich finde ich so ja sogar einen anderen Interpretationsansatz, den ich bisher nicht gesehen habe. Das ist für mich der Kern einer interessanten, intelligenten Diskussion über ein Thema, das mir sehr, sehr am Herzen liegt und in das ich mehr Gedanken und Zeit investiere, als das für irgendeinen Menschen gesund sein kann.
Jeder Film ist ein individuelles Erlebnis. Jeder Zuschauer bringt eigene Erfahrungen und somit Erwartungen mit. Einen gewissen Ballast, wenn man so möchte, der am Ende zweifelsohne in die Wertung mit einfließt. Dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ist nicht nur normal. Es ist sogar erwünscht. Letztlich ist auch jeder Filmemacher als Zuschauer aufgewachsen, hat eigene Vorlieben entwickelt und das Medium Film ist dadurch umso vielfältiger und reicher geworden. Und der Zuschauer heute profitiert davon mehr denn je. Und das ist es letztlich, was Filme so toll macht.
Seit meiner frühesten Kindheit bin ich überzeugt davon, dass es keinen besseren Zeitvertreib gibt, als zwei Stunden oder so in eine andere Welt einzutauchen und mich in einer Geschichte zu verlieren. (Aus ähnlichen Gründen lese ich gerne Bücher). Die Vielfältigkeit der Genres und die Fähigkeit, wie der Film unsere Sinne nutzen kann, um unsere Emotionen zu manipulieren: Kein andere Medium hat eine solche Reichweite, kann uns zum Lachen und zum Weinen bringen, kann uns Angst einjagen und zum Träumen und Sinnieren anregen. Über die Zeit – zunächst unbewusst, bis man sich irgendwann im Klaren darüber wird -, lernen wir die Regeln dieser Kunstform kennen und können uns auf einer anderen Ebene darüber Gedanken machen und, wenn wir Gleichgesinnte finden, uns auch darüber unterhalten. Aber in erster Linie geht es um Emotionen und wenn mich ein Film zum Fühlen bringt, dann hat er schon einmal 80 % seiner Arbeit erfolgreich erledigt.
Das ist meine Philosophie, wie ich an das Thema herangehe. Zumindest ist es ein Teil davon. Andere Zuschauer mögen andere Prioritäten haben - die ebenfalls völlig legitim sind -, aber ich kann einem Film seine Effektivität nicht absprechen, wenn er mich berührt hat und zum Nachdenken anregt. Die technische Seite ist eine andere – nicht ganz separate – Diskussion, über die ich oftmals nur oberflächlich etwas sagen kann: Ich erkenne gute Schauspielerei, wenn ich sie sehe. Ich kann gute Kameraarbeit und Regie einschätzen, Ausleuchtung loben und sagen, ob das Drehbuch was taugt oder nicht. Aber ich sehe die einzelnen Bauteile eines Filmes als nicht ausgesprochen relevant an. Logiklöcher – wenn ich sie erkenne – stören mich grundsätzlich erstmal nicht. Wenn der Film an einem einzelnen dieser Aspekte scheitert, ist das Okay, wenn er als Gesamtpaket funktioniert. Wichtig ist für mich, herauszufinden, welche Geschichte ein Film erzählen möchte und ob er dieses Ziel am Ende erreichen konnte. Ein Film verdient es, vor Gericht auszusagen, wenn man so möchte. Und ich mag ihm gerne dieses Privileg gestatten und ihn an seinem eigenen Vorhaben messen.
Ich gehe dabei so vor, indem ich die Charaktere beobachte, weswegen Charakterzeichnung für mich unglaublich wichtig ist. Folgt die Narrative des Films seinen Charakteren und deren Entscheidungen? Oder ist es umgekehrt? Dann kann ich feststellen, welche technischen Mittel er benutzt, um diese Geschichte zu erzählen und ob diese effektiv eingesetzt wurden. Und dann kann ich am Ende sagen, ob und wie gut ein Film funktioniert hat und warum. Und dieses Prinzip muss anwendbar sein auf alle Filme – auf die, die für sich allein stehen und auf die, die in einer Reihe existieren, auf direkte Fortsetzungen, auf Neuverfilmungen und auf Filme, die vielleicht gar nicht nach herkömmlichen dramaturgischen Regeln funktionieren. Jeder David Lynch-Fan weiß, wovon ich rede.
Was will ich also nun aus einer Filmkritik herausziehen?
Ich finde den Diskurs wichtiger, als alles Andere. Empfehlungen – besonders, wenn mir Nahe gelegt wird, einen bestimmten Film nicht zu sehen – hole ich mir von professionellen Kritikern genauso wenig, wie von Leuten aus meiner direkten Umgebung. Wie sagt man so schön? Ich hab‘ meinen eigenen Kopf und kann mir meine eigene Meinung bilden. Und es sind immer, immer, immer Meinungen, wenn wir von einer Filmkritik sprechen. Ich habe Roger Ebert geliebt – er und Gene Siskel zusammen, wie sie sich fast an die Gurgel gehen, weil sie sich nicht einig werden konnten, ob Jurassic Park oder Carnosaur der bessere Dinofilm von 1993 war, ist ein Highlight der modernen Filmdebatte -, aber das heißt nicht, dass ich jeder seiner Kritiken zustimmen muss. Was ihn so gut und unverzichtbar machte, war, dass ich immer verstand, woher seine Beweggründe kamen. Wenn ich diese herauslesen kann, weiß ich, was mich bei einem bestimmten thematisierten Film überhaupt erwartet. Und daraus, schließlich, kann eine Diskussion entstehen.
Wenn ihr es bis hierher geschafft habt, dann seid ihr selber Schuld. Aber ja, das ist etwas, worüber ich mir zuletzt vermehrt Gedanken gemacht habe. Ich werde wohl nie die großen philosophischen Fragen unserer Zeit klären können, aber zumindest habe ich etwas Ordnung in meine eigene Gedankenwelt gebracht. Wenn euch das Thema interessiert, würde ich euren Input schätzen, wie ihr zu der Sache steht.
"I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase