Die Schlange von Essex (Tom Hiddleston, Claire Danes)

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    Es gibt 2 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Bavarian.

      Die Schlange von Essex (Tom Hiddleston, Claire Danes)

      Es geht um die Witwe Cora Seasborne die nach Essex zieht, um eine mysteriöse Schlange zu suchen...

      Cast: Tom Hiddleston, Claire Danes



      Erstmal das, was ich durchweg gut fand: Ausstattung, Kostüme und Schauspiel. Hiddleston und Danes sind super. Aufmerksam geworden bin ich hier auf Frank Dillane. Hat in einem der "Harry Potter"-Filme wohl mal den jungen Voldemort gespielt. Hier stiehlt er oft den anderen die Show, er hat was unangenehm-arrogant-interessant-charmantes an sich.

      Von der Story her hatte mich die Serie in den ersten 2, 3 Folgen. Ausgangslage ist spannend. Witwe, die an Paläontologie interessiert ist, reist wegen Gerüchten über ein Schlangenmonster aufs Land. Sie glaubt an eine wissenschaftliche Erklärung, geht von einem Meeressaurier aus. Die Dorfbewohner sehen den Teufel am Werk. Der Pfarrer ist skeptisch, hält das für Aberglauben und glaubt an keine Schlange. Er und die Witwe gehen der Sache nach, reden über Glauben und Wissenschaft, gleichzeitig mehren sich eigenartige Zwischenfälle und es wird zunehmend angespannter. Soweit hat es mir gefallen.

      Der Mystery-Anteil geriet dann aber in den Hintergrund. Dafür bekam der Nebenplot einer Kommunistin, die Sozialwohnungen in London bauen will, zu viel Raum. Schwerpunktmäßig wurde es eine Liebesgeschichte. Nicht nur eine Dreiecks-, sondern eher eine Fünfecks- oder gar eine Sechsecksbeziehung. Im Prinzip war jeder an jedem interessiert. Das war ermüdend und eine enttäuschende Entwicklung. Die eigentlich clevere Auflösung der Schlangengeschichte wirkte zum Schluss nur noch wie drangeklatscht, gefühlt ging es die letzten drei Folgen um ganz anderes.

      6/10
      Eine insgesamt sehr sehenswerte Serie in meinen Augen, die jedoch stark mit den (Genre-)Erwartungen spielt, was enttäuschen kann - worin aber zeitgleich die Intelligenz der Show steckt. Etwas verzwickt und sehr subjektiv. Kann aber durchaus nachvollziehen, was mein Vorredner @TheKillingJoke da sagt. Sehe diese Entwicklung aber auch mit vielen Stärken verbunden. Darauf gehe ich aber erst später ein, da dies fast schon ein indirekter Spoiler in meinen Augen ist (Warnung kommt).

      Zunächst überwiegt eine mystische und unheilvoll-melancholische Stimmung. Die nebligen und verwunschenen Bilder wirken. Jedoch stellt die Show stets Perspektiven gegenüber und man merkt, wie verschieden die Charaktere auf gewisse Umstände blicken. Im Mittelpunkt ist da gewiss die ewige aber stets interessante Debatte bzgl. des Weltlichen/Profanen/Wissenschaftlichen und der Religion, dem Glauben und Mythen/Sagen/Riten. Natürlich gibt es da auch den typischen tobenden Religionsfanatiker, der auf alles schimpft, was bei 3 nicht im Beichtstuhl sitzt (der damalige Wesenszüge bestimmt treffend abbildet), womit die Show die Weltauffassungen recht klassisch aufeinanderprallen lässt. Jedoch gibt es da auch ganz andere, versöhnliche und konstruktive Dialoge zu diesen zwei Auffassungen, die ich unheimlich bereichernd und sympathisch fand. Und das trifft auch genau meine Denkweise von zwei Spielfeldern, die unterschiedlichen Regeln unterliegen und somit überhaupt nicht im Kontrast stehen.

      Die Show bietet starkes Schauspiel, interessante historische Entwicklungen (Stärkung von Sozialpolitik, neue medizinische Methoden) und feine Statements, die manchmal offensichtlich, hier und da aber auch versteckt sind. Die Serie weiß recht gut, was sie offensichtlich darstellen und was sie bewusst unausgesprochen lassen will. Die Schlange von Essex widmet sich gesellschaftlichen Fragen und gleichbedeutend philosophischen. Es geht um die Vielfalt von Liebe oder aber wie sich Glauben und Denken voneinander nähren. Viel Stoff für nur sechs Folgen, der aber bei der unerschütterlichen Bierruhe der Serie dennoch nicht so gedrängt wirkt, wie er es eigentlich müsste.

      Recht schnell habe ich einen Draht zu den Figuren aufgebaut. Die Konstellationen und Dynamiken machten Spaß. Frank Dillange als Luke bereitete mir viel Freude und brachte so ziemlich in jede Szene Feuer. Claire Danes als Cora machte ihren Job ebenfalls gut, wobei mich die Frau im gleichen Moment auch anstrengen kann. Ihre großen Augen, ihr großer Mund - jede Mimik wirkt heftig. Das fand ich bei Homeland teilweise schon sehr anstrengend und das war hier nicht viel anders. Dennoch will ich ihr ein gutes Schauspiel keinesfalls absprechen. Herzzerreißend empfand ich die Storyline rundum Stella. Und das nicht einmal unbedingt wegen
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      ihrer Krankheit bzw. ihres Todes, sondern vielmehr, weil sie ihrem Gatten eine andere Frau vergönnt und dies selbst vor ihrem Ableben in die Wege leiten will.
      Diese Selbstlosigkeit und Stärke hat mir imponiert.

      Das Ende verlief mir dann aber, obwohl mir die inhaltliche Entwicklung inkl. ihrer Botschaften sehr gefiel, etwas zu besonnen und zeitgleich plotmäßig gehetzt ab. Zuvor gab es richtig intensive Passagen, eindrucksvolle Momentaufnahmen, emotional und mysteriös - und am Ende war es dann, gemessen am bereits Gezeigten, zu wenig intensiv.

      Vor allem
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      der Zeitsprung war zu viel auf einmal. Nach dem Zeitsprung hätte es noch mindestens 30 Minuten gebraucht, um das alles adäquat und stimmig aufzubereiten. Am besten eine ganze Episode und nicht nur zehn Minuten.
      Das wirkte gehetzt, fast unwürdig hingeklatscht und zu beliebig. Das war leider unstimmig und trübt das Gesamtbild.

      In den folgenden Zeilen geht es um den Wechsel des Genre-Fokus der Serie. Das ist an sich kein astreiner Spoiler, ist für einige vielleicht sogar hilfreich, was die Erwartungen angeht, nimmt jedoch einen entscheidenden Punkt, den die Serie inhaltlich macht, aber so ziemlich vorweg. Ich packe es nicht in Spoilern, mache aber an dieser Stelle eine kleine Warnung, da man so die Intention der Serie nicht ganz so erleben wird, wie es sich die Macher gedacht haben könnten.

      Von dieser mystisch-beklemmenden Stimmung ausgehend entwickelt sich die Serie eher hin zu einer historischen Liebesgeschichte, deren Ausmaß - zugegeben - etwas zu groß war für nur sechs Folgen ist, die ich aber dennoch als reizvoll und dynamisch erlebt habe. Mit dieser Entwicklung, weg von den geweckten Erwartungen, kann und darf man enttäuscht sein, das war ich in gewisser Weise auch, doch damit kommen wir eigentlich zum Punkt, den die Serie macht:

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      Die Schlange. Die zu jedem Zeitpunkt existiert und auch nicht existiert.


      Ein Mythos, der die Konflikte der Menschen widerspiegelt, der dadurch real wird, dessen eigentliche Form aber funktionalisiert wird. Die zum Leben erweckte Allegorie. Ich fand das sehr intelligent und auf seine Weise spannend, auch wenn dadurch die generelle Intensität der Show auf Entertainment-Ebene nachgelassen hast. Das anfängliche Horror-/Mysterygewand dient hier als reine Darstellung von subjektiven Empfindungen der Figuren.

      Zudem interessant, wie vielfältig die Schlange interpretiert wird.
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      Für Will ist sie ein Hirngespinst. Für das Dorf der Teufel. Für Cora eine reale, zu erforschende Sache. Für Stella etwas Tröstliches.


      Zwar finde ich es generell positiv, dass die Show manche Dinge unausgesprochen lässt, doch was die Naomi- bzw. Gracie-Story angeht, hätten vielleicht noch ein oder zwei Hinweise kommen können. Aber mich stört die Ungewissheit wohl weniger als die meisten.

      Insgesamt eine absolut sehenswerte Mini-Serie, vollgeladen an relevantem Input und starken Stimmungen. Ihre vermeintliche Schwäche kann im Gesamtbild sogar als große Stärke ausgelegt werden, aber das ist sehr subjektiv. Aber genau mit dieser Subjektivität spielt die Show.

      Abschließend noch ein Zitat von dem Apple-Serien-Kollegen Severance, das man auch hier recht treffend anwenden kann. Genauer Wortlaut ist mir entfallen, aber sinngemäß: "Die Hölle entspringt der morbiden Vorstellungskraft der Menschen. Doch der Mensch war schon immer gut darin, seine Vorstellungen wahr zu machen."