Triangle of Sadness
Originaltitel Sans Filtre [Franz.]
Studios Imperative Entertainment, Film i Väst, BBC Film, 30West, Plattform Produktion, Essential Films, Coproduction Office, Sveriges Television, ZDF/Arte, Arte France Cinéma, TRT Sinema, Svenska Filminstitut, Eurimages - Council of Europe, Medienboard Berlin-Brandenburg, The Danish Film Institute, MOIN - Film Fund Hamburg Schleswig-Holstein, BFI, Nordisk Film & TV Fond, Arte France, DR, Canal+, Ciné+, Heretic, Bord Cadre Films, Sovereign Films, Piano
Vertrieb SF Studios (Schweden), Deutscher Filmverleih (Deutschland), BAC Films (Frankreich), Lionsgate UK, Curzon Artificial Eye (United Kingdom)
Veröffentlichung 21. Mai 2022 (Cannes), 28. September 2022 (Frankreich), 07. Oktober 2022 (Schweden), 13. Oktober 2022 (Deutschland), 28. Oktober 2022 (United Kingdom)
Laufzeit 147 Minunten
Länder Schweden, Deutschland, Frankreich, United Kingdom
Sprache Englisch
Regie Ruben Östlund
Drehbuch Ruben Östlund
Produzenten Erik Hemmendorff, Philippe Bober
Kamera Fredrik Wenzel
Schnitt Ruben Östlund, Mikel Cee Karlsson
Musik Mikkel Maltha, Leslie Ming
Besetzung
Harris Dickinson -- als -- Carl
Charlbi Dean -- als -- Yaya
Dolly de Leon -- als -- Abigail
Zlatko Buric-- als -- Dimitry
Iris Berben -- als -- Therese
Vicki Berlin -- als -- Paula
Henrik Dorsin -- als -- Jarmo
Jean-Christophe Folly -- als -- Nelson
Amanda Walker -- als -- Clementine
Oliver Ford Davies -- als -- Winston
Sunnyi Melles -- als -- Vera
Woody Harrelson -- als -- The Captain
Inhalt und Kritik
Jeder mag es, einer weltfremden high society dabei zuzusehen, wie sie von ihrem Thron stürzt und krachend auf dem Boden der Tatsachen aufkommt. Die Unfähigkeit, im Alltag zu überleben, hat schon die Familie Bluth in Arrested Development zum größten Hingucker gemacht, den das Fernsehen damals zu bieten hatte. Die Passagiere einer Luxusjacht, die zuerst von einer Lebensmittelvergiftung geplagt, kurz bevor sie von Piraten überfallen werden, haben es noch etwas schlimmer erwischt: Sie stranden auf einer verlassenen Insel und haben lediglich ein paar Flaschen Wasser und ein paar Tüten Chips und Salzstrangen, um zu überleben. Keiner von ihnen hat eine Ahnung, wie man einen Fisch fängt, ein Feuer macht oder gar nach Frischwasser sucht. Keiner von ihnen – bis auf Abigail, die Putzkraft der Jacht, die fortan das Kommando unter den Überlebenden übernimmt.
Der Film borgt sich story beats von Lord of the Flies und Animal Farm und mischt das Ganze auf, indem der Satirefaktor um ein Vielfaches nach oben gedreht wurde. Wer Ruben Östlunds letzten Film, The Square, gesehen hat, weiß, was auf ihn zukommt. Die Charaktere agieren auf eine Art natürlich, das im völligen Kontrast steht zu den absurden Situationen, die um sie herum geschehen. Es ist für die eine Dame völlig normal, dass sie vom Kapitän verlangt, dass die Segel gereinigt werden, obgleich dieser ihr vermitteln möchte, dass es sich um ein motorisiertes Boot handelt und man keine Segel an Bord hat, die sauber gemacht werden können. Jeder der Charaktere ist auf so eine Art überspitzt geschrieben und jeder der Schauspieler benimmt sich in diesen Szenen völlig unbewusst der Tatsache, dass sie in einer Komödie sind. Es ist eine andere Realität, die Östlund hier erschafft, in der die Absurdität straight gespielt wird und in der jeder der Charaktere ignorant dem gegenüber, wie weltfremd er oder sie sich benimmt. Das kreiert eine fast schon surreale Atmosphäre, in der man als Zuschauer erwartet, dass jeden Moment einer von hinter der Kamera „Schnitt“ rufen muss, dass die Lichter angehen und dass offenbart wird, dass wir uns in einem Film innerhalb eines Filmdrehs befinden. Und das ist wohl, wie Östlund die Schönen und Reichen sieht, die denken, dass es ein Beruf ist, wenn man sich ein Essen bestellt, das man nicht verzehren kann, nur um ein Foto damit zu machen und es auf eine Plattform sozialer Medien zu stellen.
Ich muss sagen, dieser Stil hat hier für mich wesentlich besser funktioniert, als das noch bei The Square der Fall war. Viel davon hat mit der Thematik zu tun – und dass der Film gradliniger, weniger idiosynkratisch erzählt war. Wir haben zwei zentrale Protagonisten – Yaya und Carl, sie eine Influenzerin; er ein Model – die zwar nicht weniger weltfremd sind, als die restlichen Charaktere, die aber einen schlüssigen Arc haben, dem man folgen kann. Der Film hat Momente von satirischer Genialität. Ich habe in meinem Lebtag noch keine Kreuzfahrt gemacht, aber der Film bestätigt alle Vorurteile, die ich gegen diesen falschen und dekadenten Luxus so habe. Die Lebensmittelvergiftung – das Herzstück und das erste große Setpiece des Filmes, wenn man so möchte – ist an widerwärtiger Brillanz nicht zu überbieten. Ich war hin und hergerissen, mir gleichzeitig den Pullover über’s Gesicht zu ziehen vor Ekel und mich kaputt zu lachen. Da gab es eine fast schon grausame Einstellung, als die Frau des reichen Russen auf dem im Sturm wankenden Schiff in ihrem Badezimmer von einer Wand an die andere rutscht, zu geschwächt um sich irgendwo festzuhalten, aber immer noch von einer solchen Übelkeit geplagt, dass sie auf dem Weg zurück an der Toilette vorbei nochmal über die Schüssel muss. Ich hab mich ja schon schlecht gefühlt, als mich das trotzdem zum Lachen brachte.
Der Film funktioniert auf diese Art über einen gewissen Zeitraum hervorragend – bis dann irgendwann den Punkt erreicht wird, an dem er sein Willkommensdasein überschritten hat. Triangle of Sadness hat eine beachtliche Laufzeit von 147 Minuten und während ich nicht mit dem Finger genau drauf zeigen kann, ab wann genau der Film zu lang geworden ist, kann ich dennoch sagen, dass das Gefühl gegen Ende immer stärker wrude, dass es langsam mal zu Ende gehen könnte. Der Film schießt in seiner Satire auf so viele Ziele, dass es ihm zunehmend schwieriger fällt, eine kohärente Message zu formulieren. Da darf man offen die Frage stellen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Östlund nicht jedem Thema – der Modebranche, Machtverhältnissen in Unternehmen, Diskussionen um bevorzugte Staatsformen, dem Sinn und Unsinn neuartiger Jobs wie dem Influenzer – so viel Zeit gewidmet hätte, sondern wenn er sich mehr auf eine oder zwei Sachen konzentriert hätte, um zu einem Fazit zu kommen. Es gab irgendwann den Punkt, an dem einfach alles gesagt und getan war und es kommt einem fast so vor, als wäre Östlund derselbe Gedanke ebenfalls, aber urplötzlich gekommen. Der Twist am Schluss wirkte somit eher wie etwas merkwürdig eingeschoben und war obendrauf noch nicht mal sehr originell. Der Film endete mitten in einer Szene, was manchmal ja der Versuch ist, ominös oder vielsagend zu wirken, was hier aber mehr den Eindruck erweckte, als wüsste man auch nicht mehr so recht, wie jetzt weiter und wohin denn eigentlich noch. Ich dem Film nicht überdrüssig geworden, aber man muss schon so ehrlich sein und sagen, dass ihm irgendwann einfach das Gesprächsmaterial ausgegangen ist.
Triangle of Sadness startete in den deutschen Kinos, kurz nachdem ich meinen großen Jahresurlaub antrat. Da hatte ich mir schon die mentale Notiz gemacht, diesen auf jeden Fall für die Streaming-Auswertung auf dem Schirm zu behalten, denn der würde mit Sicherheit nicht mehr in den Lichtspielhäusern laufen, wenn ich aus Brasilien zurück bin. Aber siehe da, mein Arthaus-Kino zeigte den immer noch. Zu dem Zeitpunkt sind dann aber schon so viele andere Filme angelaufen, dass ich den hier nochmals auf die lange Bank schob. Und nun haben wir das Jahr 2023 und der Film scheint sich nach wie vor guten Besucherzahlen zu erfreuen. Und weil ich langsam das Gefühl bekomme, dass mein Kino den erst dann aus dem Programm nehmen wird, wenn ich ihn gesehen habe, habe ich mich am Samstagnachmittag (war eine gute Uhrzeit) zu einem spontanen Besuch entschlossen. Der Film war auf jeden Fall enorm witzig - wenn man sich auf diese spezielle Art von Humor und Darstellung einlässt -, ist aber etwas durcheinander in seinem Fokus und seiner Aussage. Das tut dem Ganzen tatsächlich sehr wenig Abbruch, denn der Szenenwechsel und die fast schon prozedurale Natur des storytellings behält einen durchaus an der Stange. Und auch wenn ich denke, dass eine Kürzung hier und dort mit Sicherheit nicht verkehrt gewesen wäre, waren das wohl investierte 2 1/2 Stunden.
Abschließend möchte ich noch zwei Dinge loswerden: Der Trailer - obgleich super zusammengeschnitten und musikalisch genial unterlegt - verrät aus meiner Sicht bereits ziemlich viele der besten Gags und ich würde empfehlen, den Film eher unberührt davon zu sehen. Ich habe daher in meiner Kritik versucht, in etwa das Gefühl zu vermitteln, das man erwarten kann, ohne zu viel vorwegzunehmen.
Zum anderen möchte ich kurz noch ein paar Worte zu Charlbi Dean verlieren, die kurz vor der internationalen Veröffentlichung von Triangle of Sadness an einer Blutvergiftung starb. Das habe ich beim anschließenden Stöbern auf wikipedia erfahren und war dann doch sehr schockiert darüber. Sie war nur 32 Jahre alt und wenn ihre Leistung in diesem Film irgendwas ist, dann ein Versprechen dafür, was sie für eine großartige Karriere noch vor sich gehabt hätte. Es gab da zwei Szenen relativ zu Beginn des Films, als sie sich mit Harris Dickinson zuerst über Geld und die Restaurantrechnung gestritten hat, in der ich dem Charakter nur mit Augenrollen entgegentreten konnte, nur um sie dann in der nächsten Szene im Hotelzimmer voll und ganz zu verstehen, was in ihrem Kopf so vor sich geht. Sie hat da ganz viel nur mit einem Lächeln und ihren Augen gemacht und hat die Szenen dominiert, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Das war schon ein sehr cleveres, wohl bedachtes Schauspiel. Wenn überhaupt etwas, dann macht der Film deutlich, dass ihr Verlust auf cineastischer Ebene ein ziemlich derber war. R.I.P.
"I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase
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