Twin Peaks-Bücher

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    Es gibt 9 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Bavarian.

      Twin Peaks-Bücher

      Es existieren zahlreiche Bücher von und über Twin Peaks. Bei Gelegenheit werde ich diesen Startpost hier mal editieren und alles, was so herumschwirrt, bündeln, doch für den Moment will ich nur meine Meinungen zu zwei Büchern raushauen. :D


      The Secret Diary of Laura Palmer (Jennifer Lynch)

      Nette, kleine Ergänzung zu Serie? Denkste. Ich bin extrem überrascht, wie relevant dieses Buch doch ist. Zwar ist es nicht zwingend notwendig, es zu kennen, wer jedoch ein tieferes Verständnis für den gesamten Twin Peaks-Kosmos generieren will, kommt um dieses Tagebuch keinesfalls umher. Das Werk erzeugt eine nachdrückliche Charakterisierung der Laura Palmer, die in der Serie selbst natürlich irgendwo omnipräsent ist, über die man im eigentlichen Sinne aber nur wenig erfährt. Aus dem einen oder anderen Audio-Tape, Gesprächen ihrer Freunde und Familie nach ihrem Tod oder auf surrealer Ebene ergibt sich natürlich ein gewisses Charakterbild, doch dieses Büchlein haucht der Figur eine Präsenz ein, die sich sehr gut auf das weitere Seherlebnis auswirkt. Ich war überrascht, dass dieses Tagebuch bereits mit ihrem zwölften Lebensjahr beginnt und somit eine gesamte Jugend zur Schau stellt. Eine der wohl abgründigsten und düstersten Coming-of-Age-Storys überhaupt, wenn man so will. Ein Mädchen, das vom Abgrund heimgesucht wird und sich wehrt, indem es selbst zum Abgrund wird. Auf feministischer Ebene wird viel aufgearbeitet. Aber auch die widersprüchlichen USA, zwischen Prüderie und Sexualisierung, bekommen zwischen den Zeilen ihr Fett weg.

      Ebenso erzeugt das Buch ein tieferes Verständnis für einige Szenen der ersten beiden Twin Peaks-Staffeln und erklärt gewisse Charakterdynamiken näher, was jetzt alles nicht unbedingt hyperessenziell ist, dem interessierten Twin Peaks-Fan aber durchaus ordentlich was preisgibt. Neben der Darstellung der kurzen und tragischen Lebensgeschichte von Laura und der Annäherung an ihr komplexes Wesen, ist es ganz bestimmt Bob, dessen schleierhaftes, boshaftes Treiben hier sehr lesenswert dargestellt wird. Stets im richtigen Gang, der nie auf Entmystifizierung schält. Darüber hinaus gibt es, wie in lynchesquen Gefilden üblich, viel Psychosexuelles und natürlich zahlreiche feministische Aspekte, deren Symbolik oft in Bezug auf Judy Garland/Oz stehen.

      Sicherlich ist das Buch The Autobiography of F.B.I. Special Agent Dale Cooper, auf das ich gleich noch zu sprechen komme, das unterhaltsamere, gewitztere und facettenreichere Buch von den beiden, doch dem großen Twin Peaks-Mysterium gibt definitiv dieses Buch hier mehr mit auf den Weg.



      The Autobiography of F.B.I. Special Agent Dale Cooper (Scott Frost)

      Wie auch das Laura Palmer-Tagebuch, spielt die hier erzählte Geschichte, wie man anhand des Titels bereits erahnen kann, chronologisch vor den Ereignissen der ersten Twin Peak-Staffel. Meiner Meinung nach sind die beiden Bücher aber zwischen S1 und S2 in dramaturgischer Hinsicht eindeutig am besten aufgehoben, da ein Bezug zur Geschichte sie erst interessant macht und beide losgelöst von der Show eigentlich nicht funktionieren. Die Coop-Bio punktet gerade in den ersten Kapiteln mit viel Witz. Dem jungen Dale beim Entwickeln seiner allseits bekannten Charakterzüge zu folgen, macht ungemein viel Spaß. Doch auch hier merkt man schnell: Wir sind hier immer noch im Twin Peaks-Universum, weswegen das Werk dann schon recht bald seine surrealen, düsteren und tragischen Facetten aufbereitet. Der Wortwitz geht dabei aber nie verloren. FBI Agent Dale Cooper. Der wahrscheinlich coolste und spirituellste Spießer der Welt. Nach meinem Verständnis eine der grandiosesten Figuren der Film- und Seriengeschichte, die diese Autobiographie-Fiktion zu 100% verdient.

      Wir erhalten Einblick in sein Seelenleben. In seine Gedanken. In seinen Werdegang, der sein Wesen in der Serie erklärt und nahbarer macht. Auf metaphorischer und mythologischer Ebene war er wohl schon sein leben lang in Twin Peaks. Und ist dann schließlich dort gelandet, wo er hin sollte. Wir erfahren zudem viel über die Windom Earle-Storyline und über viele weitere reizvolle Aspekte. Ebenfalls sind Themen vorhanden, die auch die Serie vorsichtig behandelt, wie Kriegsnachwirkungen oder die Kolonialisierung Amerikas. Ebenso surreale Twin Peaks-Ebenen werden bereits berührt - wie beim Buch weiter oben - ergo "Black Lodge" und "Bob" - bis hin zu angedeuteten S3-Inhalten.

      Wie auch beim Laura Palmer-Tagebuch spreche ich eine eindeutige Empfehlung für Twin Peaks-Fans aus, die noch mehr in die Tiefe gehen wollen. Beides sind keine literarischen Feuerwerke, bei denen man gebannt an den Seiten klebt und kontextlos funktionieren sie sowieso überhaupt nicht, doch Anhänger der Serie bekommen hier reichlich integrales Wissen serviert.






      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat. Gibt es ja auch endlos Material zu Star Trek - da weiß ich dann schon wieder nicht, wo anfangen und wo aufhören und hab wenig Lust, mit da einzuarbeiten. Gibt genug richtige Literatur, derer ich mich mit meiner Zeit ehrlich gesagt lieber widmen möchte.

      Aber freut mich, dass dir die Bücher so viel Spaß bereiten. Trotz allem habe ich das Tagebuch von Laura Palmer ja schon länger im Einkaufswagen liegen - dem Klappentext nach klingt das schon wie eine interessante Ergänzung zur Serie, wobei ich jetzt, nach dem, was du so schreibst, denke, dass ich das inhaltlich auch schon so aus Fire Walk With Me mitgenommen habe.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat.


      Das stimmt allerdings. In den beiden Fällen scheint aber alles sehr harmonisch und relevant zu sein. Nehme alles zu 100% in das Story-Verständnis mit auf. Ist ja schließlich auch aus dem direkten Dunstkreis von Lynch und Mark Frost ( einmal Tochter, einmal Bruder). The Secret History of Twin Peaks und The Final Dossier stammen ja sogar direkt aus der Feder von Mark Frost. An Access Guide to Town wurde sogar vom Gespann Frost+Lynch verfasst. Da kann man quasi nichts falsch machen. :)






      Bavarian schrieb:

      Data schrieb:

      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat.


      The Secret History of Twin Peaks und The Final Dossier stammen ja sogar direkt aus der Feder von Mark Frost.


      Wobei ich mal eine Aussage von Lynch gelesen habe, dass er mit dem Final Dossier nichts am Hut hatte ... ich kann die Aussage gerade nicht mehr finden, aber das ging schon in die Richtung, dass er das vielleicht gar nicht als "sein" Twin Peaks sieht und dass das ausschließlich Mark Frosts Ding sei.

      Aber ja, point taken. Das Twin Peaks-Material kommt schon nochmal eher aus der Quelle gesprudelt, als das bei Star Trek o.ä. der Fall ist.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Aber ja, point taken. Das Twin Peaks-Material kommt schon nochmal eher aus der Quelle gesprudelt, als das bei Star Trek o.ä. der Fall ist.


      Jip, genau, darauf wollte ich ich hinaus. :thumbup:

      Data schrieb:

      Wobei ich mal eine Aussage von Lynch gelesen habe, dass er mit dem Final Dossier nichts am Hut hatte ... ich kann die Aussage gerade nicht mehr finden, aber das ging schon in die Richtung, dass er das vielleicht gar nicht als "sein" Twin Peaks sieht und dass das ausschließlich Mark Frosts Ding sei.


      Guter Punkt. Meine auch, dazu mal was gelesen zu haben. Wiederum müsste man diese Fragestellung dann aber auch bei Fire Walk With Me anbringen, da hier Mark Frost nicht beteiligt war. Und zumindest was die Story und die gesamte Mythologie angeht, nehme ich die beiden durchaus als ebenbürtig wahr. Aber dieses facettenreiche und irgendwie auch flexible Twin Peaks-Universum lässt sowieso zu, dass jeder das für sich mitnimmt, was ihm gefällt. :D

      Kleines Edit: Gut, dadurch, dass S3 inhaltlich auf FWWM aufbaut - wo beide ja wieder zusammen arbeiteten - ist Lynchs Film natürlich auch darüber hinaus zu 101% Kanon, Nichtsdestotrotz nehme ich Frosts Solo-Bücher sehr ernst.

      Kiddo schrieb:

      Ich bin mir mittlerweile sicher, dass ich nicht lange genug Leben werde, um alle Bücher zu lesen, die ich gerne lesen würde... Wie soll ich meine Prioritäten sortieren? :D


      Hehe. Eine bedeutende Erkenntnis, die ich auch irgendwann mal hatte. Nahm ein wenig Last von mir. :D Ich wähle mittlerweile viel spontaner, nach Bauchgefühl, ohne großer Planung. Bin davon überzeugt, dass man mit bester Dale Cooper-Intuition schon die richtigen Sachen für sich priorisieren wird. ^^






      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Bavarian“ ()

      Bavarian schrieb:


      Hehe. Eine bedeutende Erkenntnis, die ich auch irgendwann mal hatte. Nahm ein wenig Last von mir. :D Ich wähle mittlerweile viel spontaner, nach Bauchgefühl, ohne großer Planung. Bin davon überzeugt, dass man mit bester Dale Cooper-Intuition schon die richtigen Sachen für sich priorisieren wird. ^^

      ach, auf die Idee diese Tatsache zu akzeptieren, bin ich noch gar nicht gekommen :D bisher hatte ich nur Stress damit, wie viele Bücher mir im Leben noch entgehen werden. Dank dir bin ich gerade eben auch einsichtig geworden :D
      Every life comes with a death sentence.
      Welcome to Twin Peaks: Access Guide to the Town (Richard Saul Wurman, David Lynch, Mark Frost)

      Eines der beiden Bücher, die sich zwischen S2 und S3 ansiedeln, ist der Access Guide to the Town und den habe ich vergangene Woche gelesen. Eine penible Ergänzung für die absoluten Twin Peaks-Cracks. Inhaltlich aber nicht unbedingt notwendig. Hier geht´s absolut ins Detail. Anekdoten aus der Twin Peaks College Football-Historie, Infos zur Flora und Fauna, das Kirschkuchen-Rezept, der Werdegang bedeutender Familien (Horne, Packard, Martell...) und zig Informationen zum Sägewerk. In Nebensätzen verbergen sich durchaus mal coole Anspielungen, die das große Mysterium betreffen, aber das ist nicht wirklich der Rede wert. Ein wenig wird auch die reale Historie mit Twin Peaks verwebt, was ganz cool ist. Bei all dem Spaß geht es eigentlich weniger um die Infos selbst, sondern um eine Art geschaffene Illusion, dass Twin Peaks wirklich existiert, was man dann gefühlsmäßig auch ein wenig mit in das weitere Seherlebnis transportiert. Nette Idee, die sich in manchen Kapiteln aber auch mal gezogen hat.

      Damit ihr euch das Sammlerstück nicht für 100 Ocken kaufen oder auf dubiosen PDF-Download-Seiten gegen Urheberrechte verstoßen müsst, verrate ich euch einfach direkt die relevanteste Info, lieb wie ich bin:

      Spoiler anzeigen
      Hochgerechnet isst der durchschnittliche Twin Peaks-Bewohner knapp über 300 Donuts pro Jahr




      @Data noch als Info hinterher: Die Thematik rundum künstlerische Freiheit des Laura Palmer-Tagebuchs wurde in einem Interview mit der Autorin und Lynch-Tochter Jennifer aufgegriffen. Sie hat von ihrem Vater und Mark Frost zwar Anweisungen erhalten, was die groben Eckpunkte sein sollen und welche Figuren vorkommen müssen, doch insbesondere bei der Charakterisierung der jungen Laura hat sie einen größeren kreativen Freiraum erhalten. Ob man diese künstlerische Freiheit und die daraus entstandene Story dann als TP-Kanon irgendwo anzweifelt oder sagt, es wurde von den Schöpfern so beauftragt/delegiert und ist somit zu 100% ernst zu nehmen, liegt dann wohl im Auge des Betrachters. Jedenfalls wurden in Fire Walk With Me wiederum ein paar kleine Elemente des Tagebuchs wieder aufgegriffen.






      The Secret History of Twin Peaks (Mark Frost)

      Mark Frost liefert mit diesem Buch ganz gewaltig ab. Die Cooper-Biografie und das Laura-Tagebuch waren soweit ganz gute Charakter- und Storyergänzungen - nicht mehr und nicht weniger. Der Access Guide to the Town war wiederum arg trivial, vielmehr existent, um das Gefühl einer Scheinrealität zu pushen - und damit nicht wirklich notwendig. Ein kleines Leckerli für Hardcore-Fans. Doch The Secret History of Twin Peaks ist ein 100%iges Must-Read. das man eigentlich zwischen S2 und S3 einbauen muss. Nicht nur, weil es sich grandios liest und all die fiktiven Dokumente, Protokolle und Artikel sehr aufwändig visualisiert sind, sondern weil das Werk extrem relevante Informationen bereithält. Nach und nach wird man ganz geschickt mit Infos gefüttert und hat stets das Gefühl, großen Mysterien und deren Wahrheiten auf der Schliche zu sein. Der Inhalt reicht über komplett neue Infos, bis hin zu erklärenden Elementen oder Verbindungen von bereits bestehenden Plots. Wer tiefer in die Mythologie der Serie einsteigen will, kommt um dieses Buch keinesfalls herum. Aha-Momente, herrlicher Fan-Service und sehr relevante Storyaspekte - alles drin hier. Neben dem Final Dossier das essentiellste und zeitgleich unterhaltsamste Buch zu Twin Peaks.

      Pro-Tipps: Dazu den Original Score oder fanmade Musik auf Youtube laufen lassen + sich Twin Peaks-typisch mit süßem Gebäck eindecken. Am besten noch abends/nachts lesen. Und dann steht dem Genuss und der Gänsehaut nichts im Wege.

      Während ich mir in einem der Vorposts weiter oben einen kleinen Joke in den Spoilern erlaubt habe, will ich hier tatsächlich umreißen, was inhaltlich geboten ist. Immense Story-Spoiler:

      Spoiler anzeigen

      Dieses fiktive Buch ist ein Dossier, das von "Major Briggs" zusammengestellt wurde. Untersucht wird es von "Tammy Preston", die wir in Season 3 kennenlernen. Im Buch hinterlässt sie uns regelmäßig Randnotizen zu den Inhalten des Dossiers. Thematisch geht es der Twin Peaks-Mythologie sehr intensiv auf den Grund. Es erzählt von den ersten Expeditionen in diese Region und das erste Aufeinandertreffen mit den indigenen Bewohnern von Twin Peaks. Bereits diese hatten Erlebnisse mit der White und Black Lodge. Mit dem Ring. Und vielem mehr.

      Die reale Zeitgeschichte wird hier herrlich mit der Story verwebt. Das Buch mutiert zu einem wahren Verschwörungs-Festival. JFK, Freimaurer, Scientology, schwarze Magie und Roswell. Ja, sogar die Illuminaten finden thematisch Einzug, was meine Geburts- und Heimatstadt irgendwie dem Twin Peaks-Kosmos hinzufügt. Was ich unglaublich cool finde. Das klingt im ersten Moment nach einem wirren Mystery-Potpourrie. Gut, das ist es irgendwo auch, jedoch erzählt Frost das Ganze dermaßen charmant und spannend, dass es einfach nicht stören will und ebenso wenig verwässert. Und den Twin Peaks-Flow keineswegs stört, sondern das ganze Ding noch viel größer macht.

      Wir lernen ganz viel über wichtige Figuren oder Themen der Serie. Integraler Input über unsere beste Log Lady z. B. Oder aber Kerninfos über Project Blue Book und dessen Vorphasen. Einen Douglas Milford, den man aus der Serie nur aus ein oder zwei Folgen kennt, in denen er einen recht klamaukigen und sketchigen Auftritt im Streit mit seinem Bruder Dwayne (dem Bürgermeister) auf´s Parkett legt, macht das Buch mal eben zu einen der drei/vier interessantesten Figuren der gesamten Twin Peaks-Lore. Geiler Scheiß.

      Auch fand ich es ganz gut, dass Frost hier den gesamten Packard/Eckhardt/Josie-Plot nochmal aufrollt, der in der Serie hier und da ein wenig schwammig erzählt wird.

      Frost trifft hier genau den richtigen Ton. Denn genau wie in der Serie sind es nicht nur die Geheimnisse, die hier eine Rolle spielen, sondern auch die Menschen selbst, die stets im Mittelpunkt stehen. Daher zieht auch hier, inmitten des mysteriösen Abgrunds, die nötige Menschlichkeit ein, die Twin Peaks, trotz all der Themen und Stimmungen, so wohlig und heimisch wirken lässt.






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      The Final Dossier (Mark Frost)

      Der letzte Twin Peaks-Akt für mich. Das Final Dossier von Mark Frost, der bereits hauptverantwortlich für das großartige Werk The Secret History of Twin Peaks war. Das Buch und seine Aufmache wirken ein wenig schlichter als das andere Erwähnte und so verhält es sich auch mit dem Inhalt. Das Buch ist kleiner und bedeutsam dünner. Und während die Secret History nur so vor engagiertem Mythologie-Input und Spannung strotzt, bleibt das Final Dossier eher gemächlich und sortiert die Ereignisse der drittel Staffel ein wenig. Sicher, es gibt durchaus sehr relevante Infos, auf Drama- wie auch auf Mysteryebene, jedoch alles eine Spur kleinlauter.

      Das ist aber gar nicht weiter schlimm, sondern sogar ganz angenehm. Wir bekommen ein paar weitere Charakterinfos serviert, die hier und da ein Bild abrunden. Das Dossier berichtet über die Schicksale und Entwicklungen der Figuren binnen der 25-jährigen Pause, wodurch ein paar Storyinhalte und Szenen der dritten Staffel retrospektiv noch etwas harmonischer und verständlicher wirken. Zum Ende zieht die Spannung ein bisschen an, da es dann doch noch ein wenig mehr um die übernatürlichen und surrealen Elemente geht, während zuvor eher die Figuren und ihr reales Leben im Vordergrund standen. Während mir Frosts anderes Buch teilweise die Kinnlade runterfallen ließ, sorgt dieses hier eher für ein sachtes, zufriedenes Nicken.

      Nichtsdestotrotz verfehlt dieses Buch hier keinesfalls seinen Zweck: Ein paar ergänzende Infos, eine Sortierung der Ereignisse und ein harmonischer Nachhall, der mich, nach den unglaublich intensiven letzten vier Folgen der dritten Staffel, mit einem leisen, aber feinen Schwung aus der Twin Peaks-Welt verabschiedet.

      Im Spoiler greife ich noch ein paar Inhalte auf, die mir besonders gefallen haben.

      Spoiler anzeigen

      Das Cover mit dem FBI-Symbol und die erste Seite mit dem Blue-Rose-Artwork deuten schon an, wie das Büchlein strukturiert sein könnte: FBI-Fallakten und Berichte. Doch selbst hier sind es dennoch wieder die Menschen und ihre Schicksale, die aufgearbeitet werden. Wenn sich das Federal Bureau of Investigation brennend für das Liebesglück einer freundlichen Diner-Besitzerin interessiert - einfach nur, weil man es ihr gönnt und nicht wegen einer Verbindung zu einem Kriminalfall - ja, dann befindet man sich vermutlich mitten in der Welt von Twin Peaks.

      Das Dossier berichtet darüber, dass Shelly und Bobby in der Zwischenzeit doch wieder zusammengefunden haben, während wir sie in S3 bereits wieder getrennt sehen. Und ihre Tochter, Rebecca, scheint ähnlich falsche Entscheidungen zu treffen wie ihre Eltern damals. Shelly befand sich in einer gewaltsamen Beziehung mit Leo, während Bobby sich in die heimgesuchte Laura Palmer verliebt hatte, die sein Leben auf düstere Pfade lenkte. Bis hin zur Beschaffungskriminalität, die Bobby zu einem Mord veranlasste. Rebecca/Becky hat sich, wie wir in S3 sehen, auch für einen eher schwierigen Partner entschieden...

      Ganz krasse Info: Einige Aussagen im Dossier implizieren, dass der Bad Coop bzw. Mr. C. Audrey Horne, die nach der Explosion im S2-Staffelfinale in ein Koma fiel, im komatösen Zustand vergewaltigt hat. Dies führte zur Schwangerschaft von Audrey. Geschlüpft ist der urböse Richard Horne. Dabei stellt sich dann jedoch die Frage, wieso Mr. C. seinen eigenen Sohn am Ende von S3 zum Bauernopfer macht, um die Falle zu testen. Dabei wäre natürlich auch die Info relevant, was es mit dieser Falle auf sich hat. Sperrt sie ihre Opfer zurück in die Black Lodge?

      Über Audrey selbst erfahren wir, dass sie scheinbar nach einigen Monaten wieder aus dem Koma erwacht ist, was wiederum bedeuten müsste, dass die surrealen Szenen mit ihr in S3 im Roadhouse sowie die Gespräche mit dem kleinen Herren kein Koma-Traum ist, sondern vielmehr ein Einblick in ihre Psyche oder Träume. Ist ihr Wunsch "in das Roadhouse zu gehen" und dort zu tanzen also ihr eigener Weg zur Wahrheit? Die Erkenntnis, wer ihr Sohn wirklich ist? Oder sind das alles Fantasien, während sie sich in einer geschlossenen Psycho-Klinik befindet? Vermutlich all das zusammen. Jedenfalls deutet das Buch an, dass der Mann, mit dem sie die Gespräche führt, tatsächlich ihr Ehemann ist und keine surreale Gestalt. Man weiß es in Twin Peaks ja nie.

      Als ziemlich cool empfand ich zudem all den Input über Major Briggs. Hat er seinen Tod in der geheimen Wald-Abhörstation nur vorgetäuscht, um sich selbst und all die Daten der Station vor Mr. C. zu schützen? Ist er in die White Lodge geflüchtet? Hat er die Koordinationen selbst in die Datenbank eingepflegt, damit sie von Hastings und Ruth gefunden werden konnten?

      Auch, wieso wir Doc. Hayward an einem abgelegenen Platz vorfinden in Staffel 3, als er mit dem "anderen" Truman-Bruder in einem Videocall quatscht, wird durch das Buch mehr oder weniger erklärt. Seine Ehe ging nach einem Besuch von Ben Horne endgültig in die Brüche. Auch Donna ist geflüchtet. Kam endlich endgültig zum Vorschein, was Season 2 bereits angedeutet hat? Dass Ben Horne der Vater von Donna ist? Hat der Doc das alles nicht mehr ertragen? Wahrscheinlich.

      Und auch zu Norma & Ed gibt es noch ein paar Worte. Sie haben also wirklich geheiratet! <3 Folge 15 war also keine heiße Luft. Man erfährt im Dossier noch einiges über Normas familiäre Verhältnisse, die durchaus tragisch sind, weswegen ich ihr dieses Happy End noch mehr gönne als eh schon.

      Ebenso greift das Dossier noch eine meiner Lieblingsspekulationen aus Frosts anderem Buch auf, dass Lana (die Witwe des Bürgermeisters, der alle Kerle der Stadt hinterher geiern) eine professionelle Mörderin ist. Sie hat das Black Widow-Ding also noch weiter durchgezogen. Die Frage ist nur: Bringt sie einfach nur alte, reiche Männer um ihr Geld oder steckt hinter dem Douglas Milford-Tod, einem der relevantesten Charaktere der Twin Peaks-Lore, doch mehr? Frost versteht es, wie immer, Dinge spannend weiterzuentwickeln, ohne sie zu entmystifizieren.

      Das Werk macht außerdem einige starke Vermutungen endgültig dingfest: Mr. C hat sich ein kriminelles Imperium aufgebaut. Er steckt also auch hinter dem Glaskasten bzw. der "Abfangstation".

      Achja, apropos, und da wär noch "Judy". Das ist das Wesen, das BOB erschaffen hat und auch die Studenten tötet, die den Glaskasten. beobachten sollen. Judy ist, by the way, ein Dämon namens Utukku und höchstwahrscheinlich die Frau des Teufels. Bruh...

      Nebenbei bestätigt das Dossier, dass die Zeitreise von Coop, die er dank dem Bowie-Kessel machen konnte, tatsächlich die Twin Peaks-Realität, die wir kennengelernt haben, verändert hat. In dieser ist Laura nämlich nicht für tot erklärt worden, sondern lediglich verschwunden. Ein ganz krasser Fakt, der hier mal so nebenbei gedroppt wird.

      Wenn ich all die Infos so Revue passieren lasse, erscheint mir das Final Dossier vielleicht doch essenzieller als angenommen.