Lief heute in der Sneak und ärgert mich sehr, dass da niemand mit wollte.

Hab den Trailer in den vergangenen beiden Tagen nun zwei Mal im Kino gesehen. Und ich bin richtig angetan. Ist defintiv ganz oben auf meiner Liste gelandet an Filmen, die ich als nächstes sehen will. Mikey Madison kenne ich noch aus dieser wunderbaren FX-Comedyserie Better Things und bin sehr erfreut, dass ihre Karriere dieser Tage so interessante Bahnen geht.

Hab ich auch Bock drauf. "Red Rocket" fand ich klasse und "Florida Project" ist bis heute was ganz Besonderes für mich. Aber fraglich, ob "Anora" in meinen Kinos läuft.

Ich hoffe inständig, den Film auch im Kino sehen zu können

Habe heute Nachmittag eine kleine Reise in die nächste Großstadt unternehmen und daher "Anora" sehen können - glücklicherweise!

Wie man es von Sean Baker gewohnt ist, präsentiert der Film eine Protagonistin aus der unteren gesellschaftlichen Schicht. Anora ist eine Stripperin, die aufgrund ihrer Herkunft auch ein wenig Russisch kann. Daher wird sie von ihrem Boss an das Söhnchen eines stinkreichen russischen Oligarchen vermittelt, der Anoras Club besucht. Die beiden treffen sich auch außerhalb des Stripclubs für vergnügliche Stunden und es scheint sich zwischen ihnen mehr zu entwickeln, bis es schließlich zu einer Spontanhochzeit in Vegas kommt. Anora genießt augenscheinlich das Leben im Luxus. Den Zuschauer können die vielen Partyszenen und die temporeiche Vögelei aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier im Grunde um eine instabile und ziemlich hohle Beziehung handelt. Und dementsprechend nimmt der Film nach etwa dem ersten Drittel eine für mich unvorhergesehene und äußerst unterhaltsame Wendung. Es folgen leichte Spoiler:



"Anora" hat also weitaus mehr Plot als "Florida Project", was ja im Grunde eine Milieustudie war. Vielleicht hat er auch mehr Plot als "Red Rocket". Doch wie in den Vorgängern hat man auch hier moralisch alles andere als einwandfreie, aber dennoch liebenswerte Charaktere, die von begabten und unverbrauchten Gesichtern dargestellt werden. Auffällig auch hier der tolle Mix aus Komik und Tragik. Bei mir ging die Rechnung vollends auf, ich habe gelacht, nachgedacht und war am Ende auch recht traurig. Als Sahnehäubchen kommt noch eine tolle Optik mit wirklich schönen und einfallsreichen Einstellungen drauf. Kritisch anmerken muss ich allerdings die Lauflänge von 139 Minuten. Hier und da gibt es minimalen Leerlauf. Den ein oder anderen Dialog hätte man wohl kürzen können und am Ende hätten es vermutlich auch sechs statt acht Quickie-Sexszenen getan. Aber das ist Jammern auf ziemlich hohen Niveau. Für mich einer der Höhepunkt des Filmjahrs.

8/10

Falls sich hier jemand für Interviews mit Cast & Crew interessiert - habe kürzlich Hauptdarstellerin Mikey Madison getroffen, um mit ihr über die Themen aus Anora zu plaudern:

Der nächste gelungene Film von Baker. The Florida Project hat sowieso einen ganz besonderen Platz in meinem Filmherzen und auch Red Rocket fand ich zuletzt sehr solide. Anora fühlt sich zwar anders und vielleicht auch präziser an und doch handelt es sich im Kern thematisch um einen typischen Baker.

Was ich dem Film hoch anrechne, ist, dass er in jedem Akt nahezu ein anderes Genre annimmt und dennoch nie unharmonisch oder zu gewollt wirkt. Oder zumindest seine behandelten Themen (u. a. gesellschaftliches Ungleichgewicht, emotionale und körperliche Ausbeutung, alternative Lebensstile, Eintauchen in Milieus) immer wieder anders verarbeitet. Zunächst eine absonderliche Liebesgeschichte. Dann die Odyssee durch die Stadt. Gegen Ende entwickelt sich Anora dann zu einem sensibel und empathisch erzählten Charakterdrama. Zwar hat gerade das zweite Drittel so seine kleinen Schwächen und Längen, doch konzeptionell fand ich das dennoch sehr cool. Amüsant, unterhaltsam, authentisch und zeitgleich bedeutend.

Baker stellt hier zudem verschiedene Männertypen in eine Reihe. Da gibt es den autoritären, übergriffigen und anmaßenden Vatertypen. Den verstrahlten Jüngling, dem jeglicher Bezug zu Verbindlichkeit, Geld oder Liebe fehlt. Und dann ein Typ, der mir im (feministischen) Kino manchmal zu kurz kommt. Der noch grobe und unbeholfene Kerl, der irgendwie auch nur ein Kind seiner Umstände ist, der jedoch das Herz am rechten Fleck hat und lernfähig ist. Umso schöner, dass dieser hier so wunderbar besetzt wurde.

Sehenswert!

Liest sich sehr gut. Würde den auch wahnsinnig gerne im Kino sehen, wird von meinem örtlichen Programmkino aber leider ignoriert

Ich hoffe, dass ich mir den als Blu-ray ins Regal stellen kann. Bei "Red Rocket" gab es meines Wissens nach keinen physischen Release hierzulande.

KBBSNT schrieb:

mein Programmkino hat nun sien Dezember Programm veröffentlicht und da ist endlich auch "Anora" mit bei.

Du Glücklicher.
Meines ignoriert den Film leider immer noch komplett. Ich hoffe ja auf Januar, da holen sie manchmal ein paar Filme an ein oder zwei Tagen nach, die sie sonst nicht gezeigt haben. Ansonsten warte ich halt aufs Heimkino, ist ja jetzt auch nicht schlimm - auch wenn ich den Film gerne finanziell unterstützt hätte.