Kritik
Diesmal habe wir unsere Waffe geladen und legen sofort los. Eines vorweg: Crimson Peak macht in der ersten Hälfte vieles richtig, lässt dafür aber ab der Mitte nach. Bis zur Halbzeit passt eigentlich so ziemlich alles: Der Film besticht durch seine Atmosphäre, was nicht nur der Zeit liegt, in der der Film spielt, sondern der Gruselfaktor hier noch eine gewisse Rolle spielt. Das Tempo ist ordentlich, die Geschichte wird mystisch aufgebaut und der immer mal wieder auftauchende Geist ist ziemlich unheimlich. Und das schafft Regisseur Guillermo del Toro sogar dann, wenn er fast ausnahmslos auf Jump Scares verzichtet. Zudem sind die Dialoge gut geschrieben, bringen Tempo mit sich und wissen durch die nötige Prise Humor zu gefallen. Die Romanze zwischen Tom Hiddleston, dessen kurz aufblitzender nackter Po bei den Damen für einen Aufschreien sorgen wird, und Mia Wasikowska ist dabei selbst für die männlichen Zuschauer mehr als nur erträglich, da man die genauen Hintergründe von allem eben nicht kennt.
Doch ab der Mitte des Films zeigt die Kurve nach unten, wenn auch nur leicht. Das Mysterium um den Geist ist schnell gelöst und auch ein klein wenig vorhersehbar und das Ende ist ebenso wenig überraschend. Dazwischen jedoch geht irgendwo das Tempo verloren, das die erste Hälfte noch so toll ausgenutzt hat. Dadurch, dass der Film ab der Mitte fast ausschließlich auf Crimson Peak spielt, könnte sich beim einen oder anderen Zuschauer durchaus Langeweile einstellen. Denn auch atmosphärisch baut der Film hier etwas ab. Der Grusel ist längst nicht mehr vorhanden und irgendwie hat man das Gefühl, dass del Toro nicht so genau wusste, wo er mit seinem Geist hin wollte. Der Mythos schwindet nach und nach, die Spannung geht verloren und so richtig düster ist Crimson Peak nun auch nicht. Zwar gibt es am Ende nochmal einen coolen Fight, allerdings hätte der ruhig noch etwas intensiver sein können. Immerhin bekommt man ab und zu eine Gewaltspitze zu sehen, die teilweise wirklich nichts für zarte Gemüter sind. Zu viel Härte sollte man allerdings auch hier nicht erwarten.
Doch so sehr man einer besseren zweiten Hälfte hinterher trauert, so gibt es auch hier noch genug Freude zu verbreiten: Handwerklich ist der Film mehr als gelungen und für Fans eine echte Augenweide. Die Effekte sind klasse und auch die Schauspieler sind allesamt gut. Lediglich Charlie Hunnam spielt jetzt nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Die Kostüme sowie das Setting fangen die Zeit, in der Crimson Peak spielen soll, zudem wunderbar ein und wissen - genauso wie der Soundtrack - sehr zu gefallen. Als Problem lässt sich aber vor allem feststellen, dass der Trailer vielleicht auch etwas völlig falsches suggeriert. Einen echten Geisterfilm, bei dem man sich immer mal wieder erschreckt, bekommen wir hier nicht zu sehen. Anfangs ist das Gespenst zwar noch präsent und gruselig, aber das nutzt sich ziemlich schnell ab, da der Mittelpunkt der Geschichte einfach ein anderer ist.
Fazit
Das Potenzial war enorm, nur hat Guillermo del Toro es nicht ausschöpfen können. In der ersten Hälfte stimmen Tempo, Witz, Dialoge und Atmosphäre noch, der Geist ist gruselig und der Mythos undurchschaubar. Doch sobald man in Crimson Peak angekommen ist, verschwindet nicht nur der Schwung, sondern auch nach und nach der Geist des Film - und das in beiderlei Hinsicht. Genrefans kommen trotzdem auf ihre Kosten, da zumindest Auge und Ohr bestens vergnügt werden. Ein echter Hit ist Crimson Peak aber leider nicht geworden.
Bewertung: 7/10
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