Übersicht
Einleitung
Marvel versucht mit der neuen Phase auch neue Wege einzuschlagen, um für etwas Abwechslung zu sorgen. Dafür wurde als erster neuer Held jemand gewählt mit für das MCU neuen prägnanten ethnischen Wurzeln. Dieses Mal steht mit Shang-Chi nämlich ein Chinese im Fokus, dessen Hauptteil der Geschichte sich auch im fernen Osten abspielt. Dafür wurde ein Cast zusammengestellt aus vornehmlich chinesischen Darstellern oder aber welchen mit chinesischen Wurzeln. Den Titelhelden in Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings verkörpert dabei Simu Liu (Kim’s Convenience). Darüber hinaus sind unter anderem Awkwafina (The Farewell), Michelle Yeoh (Police Story 3) und Tony Leung (The Grandmaster) zu sehen sein.
Im Zentrum der Comicverfilmung steht Shang-Chi, der eigentlich ein ganz normales Leben führt, bis ihn seine Vergangenheit wieder einholt. Denn aufgewachsen ist er abgeschirmt von der Außenwelt und wurde hart in unter anderem Martial Arts ausgebildet. Als er jedoch erkannte, dass sein Vater, der ihn so akribisch aufzog, nicht für das Gute kämpft, floh er aus dem Einfluss seines Vaters. Doch nun tritt dieser unverhofft wieder in sein Leben und bringt sein neues Leben ins Wanken.
Die Regie bei Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings übernahm Destin Daniel Cretton (Just Mercy).
© 2021 Disney
Kritik
Auch wenn man es den Trailern nicht unbedingt angesehen hat, so gelingt es Shang-Chi and the Legend oft the Ten Rings tatsächlich neue Impulse im MCU zu setzen. Ganz besonders die Action hat daran einen großen Anteil. Regisseur Destin Daniel Cretton orientiert sich dabei ganz an dem fernöstlichen Kino - ganz besonders an dem chinesischen. Visuelle Umsetzung wie die Choreografien können somit frische Akzente in der Welt des Marvel Cinematic Universe setzen. Gerade die Kampfchoreografien machen unglaublich viel Spaß, bei denen der Einfluss eines Jackie Chans nicht zu verkennen ist. Bradley James Allan, der vornehmlich für die Gestaltung dieser Szenen verantwortlich war, arbeitete viele Jahre an der Seite des chinesischen Actionstars und stand ihm auch in Under Control als Darsteller gegenüber, wo die beiden eine der unterhaltsamsten Kampfszenen der Filmgeschichte darboten.Der leider erst im August dieses Jahres verstorbene Allan setzt nach anderen Hollywood-Produktionen wie den ersten beiden Kingsman-Filmen oder Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt abermals deutliche Ausrufezeichen seines Könnens. Und davon profitiert der Marvel-Film auf ganzer Linie. Ob es die kreative Auseinandersetzung in einem Linienbus, die temporeiche Sequenz auf einem Baugerüst oder aber der an die klassichen Kung Fu-Filme angelehnte Kampf im mysteriösen Wald beziehungsweise die Trainingssequenz im mystischen Heimatdorf von Shang-Chis Mutter, das Werk weiß immer wieder mit starken Choreografien zu überzeugen.
Jedoch wird in diesem Zusammenhang auch eine der Schwächen von Shang-Chi and the Legend oft the Ten Rings deutlich – die schwankende Qualität der Computereffekte. Ganz besonders in den Actionszenen berauben sie diesen einen Teil ihrer Kraft, da sie dadurch häufig an Plastizität verlieren. Die Sequenzen wirken so meist unwirklich, allerdings nicht im positiven Sinne. Wenn beispielsweise Xu Wenwu alias Der Mandarin erstmals auf seine spätere Frau trifft und sie sich vor einer farbenfrohen Kulisse mit dem schönsten Kung-Fu messen, entkräften die sichtbaren Computereffekte diesen wunderschönen Augenblick. Und das wird den beiden tollen Darstellern Tony Leung und Fala Chen einfach nicht gerecht, da sie die Szene ansonsten auf berührende Weise füllen. In vielen Aspekten erinnern solche Augenblicke an Zhang Yimous Meisterwerk Hero, doch wird der fast zwanzig Jahre ältere Film in der visuellen Gestaltung aufgrund der schwächelnden Effekte nie erreicht.
© 2021 Disney
Aber auch solch Szenen wie die Auseinandersetzung auf dem Baugerüst, die deutlich rauer daherkommen, verlieren dadurch ungemein an Wucht, dass dort merklich digital ausgeholfen wurde. Das ist bei der tollen Leistung der Stuntmen, Darsteller und Choreographen besonders schade. Die Actionszenen sind somit am beeindruckendsten, wenn möglichst viel auf die Hilfe des Computers (zumindest in den Kernelementen) verzichtet wird. Als positives Beispiel ist da der Kampf zwischen Shang-Chi und seiner Schwester zu nennen, der fraglos zu den Highlights zählt.
Neben den respektablen physischen Leistungen der Darsteller überzeugen diese aber in großen Zügen auch darüber hinaus. Simu Liu als Titelheld macht eine gute und vor allem sympathische Figur, auch wenn er in den dramatischen Augenblicken nicht unbedingt immer zu überzeugen weiß. Man schließt ihn aber schnell ins Herz und fiebert so ungemein gerne mit ihm mit. Michelle Yeoh ist, wie eigentlich in jedem Film, eine Bereicherung und ist ihr Auftritt noch so klein (was er hier erfreulicherweise nicht ist). Besonders hervorzuheben sind aber Schauspielveteran Tony Leung, Fala Chen und Newcomerin Meng’er Zhang. Chen präsentiert als Shang-Chis Mutter eine dermaßen warmherzige Performance, dass man in jeder Sekunde verstehen kann, dass ein nach Macht gierender Krieger ihr verfällt und sie sein Herz berührt, so tief es auch vergraben mag. Leung hat zwar das Glück, dass er wohl einen der wenigen wirklich gut geschriebenen Bösewichte des derzeitigen MCUs verkörpern darf, aber er macht auch viel aus dieser Grundlage. Angenehm minimalistisch verleiht er vor allem durch seine Blicke seiner Figur eine schöne emotionale Tiefe. Die Überraschung des Films dürfte aber Zhang als die Schwester von Shang-Chi sein, die in ihrer ersten Spielfilmrolle gleich mit einer einnehmenden Ausstrahlung und viel Coolness überzeugt.
Die Macher gehen hier auch den wirklich guten Schritt, dass sie ihrer Figur viel Raum schenken. So steht nicht nur Shang-Chis Einzelschicksal im Mittelpunkt, sondern viel mehr das Familienschicksal. Bei einem Regisseur wie Cretton, der einfühlsame Dramen wie Just Mercy, Short Term 12 oder Schloss aus Glas inszenierte, ist es wenig verwunderlich, dass die dramatischen Facetten von Shang-Chi and the Legend oft the Ten Rings einen wichtigen Platz einnehmen. Und das hebt das Werk nochmals von anderen MCU-Vertretern ab. Cretton rückt tatsächlich seine Figuren und ihre Beziehungen zueinander in den Fokus und beißt sich nicht so sehr an seinem Titelhelden fest. Dadurch bleibt das Werk durchgängig inhaltlich abwechslungsreich. Vor allem versteht es der Regisseur aber reichlich über seine Figuren in kleinen Szenen und Gesten zu erzählen. Shang-Chi profitiert in diesen Momenten (wie auch in den Actionszenen) von dem hervorragenden Score von Joel P West (Just Mercy), der die wohl einprägsamsten Stücke des bisherigen MCUs präsentiert. Gefolgt von einer hervorragenden Songwahl wird der Film musikalisch bestens untermalt.
Allerdings auch durch die phantastischen Elemente, die sich ganz besonders im letzten Drittel stark häufen, beschreitet Shang-Chi and the Legend oft the Ten Rings neue Pfade und öffnet den Horizont für das MCU. Die Wesen, die zum Ende hin in Erscheinung treten, sind toll designt und erzielen ihre Wirkung. Auch wenn der Showdown dann mit einer etwas extremen CGI-Überdosis daherkommt und auch von der farblichen Gestaltung her etwas diesig erscheint. Schauwerte bietet der Endkampf dennoch einige.
Beim Humor bleibt Shang-Chi in großen Zügen seinen Marvel-Wurzeln treu und kann nur selten überraschen. Awkwafina als Sidekick wirkt teilweise etwas deplatziert und auch ihr Humor geht nicht immer auf. Zwar gibt es auch einige humoristische Einlagen, die ihr Ziel makellos treffen, die große Überraschung bleibt aber hier aus. Jedoch gelingt es den Machern mit einer Figur für wahrlich urkomische Augenblicke zu sorgen. Ben Kingsleys Auftritt als Trevor Slattery alias der „Fake-Mandarin“ wirkt zwar dramaturgisch etwas hineingequetscht, kann aber fraglos für die witzigsten Augenblicke sorgen. Ganz besonders seine Erläuterung, warum seine Figur Schauspieler geworden ist, ist einfach nur herrlich.
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Alles in allem ist nicht nur die Figur Shang-Chi eine Bereicherung für das MCU, sondern auch sein erster Film, der sehr von den dramatischen Wurzeln seines Regisseurs profitiert. Trotz einiger nicht zu verleugnender Schwächen darf man sich auf weitere Auftritte des Kung-Fu-Helden freuen.
Fazit
Destin Daniel Cretton ist als Filmemacher eine angenehme Bereicherung für das MCU. Seine Herkunft aus dem dramatischen Film kommt der Geschichte von Shang-Chi and the Legend oft he Ten Rings spürbar zu Gute, was auch einen der besten Bösewichte der bisherigen Marvel-Filme nach sich zieht. Bei der Action leidet der Film lediglich an den sichtbaren und in ihrer Qualität auch schwankenden Computereffekten, die den Sequenzen deutlich an Kraft berauben und das Sehvergnügen unverkennbar schmälern. Ansonsten sind die Actionszenen aber durchweg großartig choreografiert und arrangiert.
7/10
Zweitmeinung
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