Übersicht
Einleitung
Starbesetzt schickt sich Ammonite an, eine ergreifende Liebesgeschichte zu erzählen und kommt mit reichlich Verspätung nun auch in die deutschen Kinos. Regisseur Francis Lee ist auf dem Gebiet des gleichgeschlechtlichen Liebesdramas auch kein Neuling, hat er doch 2017 schon den rauen wie auch berührenden "God's Own Country" gedreht. Theoretisch also beste Voraussetzungen für einen guten Film.
England Mitte des 19. Jahrhunderts: Resigniert von der männlich-dominierten Wissenschaftswelt Londons, hat sich die einst gefeierte Paläontologin Mary (Kate Winslet) in ein Provinznest an der Küste im Südwesten Englands zurückgezogen. Dort hält sie sich und ihre von Krankheit gezeichnete Mutter (Gemma Jones) mühsam mit dem Verkauf von Fossilien an Touristen über Wasser. Deshalb kann Mary auch das lukrative Angebot eines wohlhabenden Kunden keinesfalls ausschlagen, der ihr seine schwermütige junge Ehefrau Charlotte (Saoirse Ronan) zur Erholung in Obhut geben will, um seine Studienreise ungestört fortsetzen zu können. Mary begegnet ihrem ungewollten Gast zunächst kühl und abweisend, bis Charlotte schwer erkrankt und Marys volle Aufmerksamkeit erfordert. Einhergehend mit Charlottes Genesung, gewinnt auch Mary langsam die Lebensfreude zurück, und ihre schroffe Fassade beginnt zu bröckeln. Aus den für beide unerwarteten Glücksgefühlen entwickelt sich bald leidenschaftliche Begierde, die alle gesellschaftlichen Konventionen ins Wanken bringt und den Lebensweg beider Frauen unwiderruflich verändern wird.
Kritik
Wie einsam das Suchen und Säubern von Fossilien sein kann, vermittelt Ammonite in seinen ersten Minuten eindringlich. Auf sich gestellt, mit einer kranken Mutter an der Seite und ganz viel karger Landschaft im Hintergrund, gestaltet sich Marys Leben äußerst langweilig. Die Trostlosigkeit wird durch das Spiel von Kate Winslet unterstrichen, lebt sie doch hauptsächlich in Monotonie. Die Aufhellung ihres Gemüts und eine viel freundlichere Atmosphäre im Film, bringt die Ankunft von Saoirse Ronan mit sich. Was zunächst als etwas seltsame Bekanntschaft beginnt, entwickelt sich über einen steinigen Weg dann zu einer Freundschaft und letztendlich zu einer geheimen Liebesbeziehung. Was Ammonite wirklich großartig gelingt, ist es eine glaubhafte Chemie zwischen beiden Frauen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Der Weg dorthin wirkt authentisch, auch durch die äußeren Einflüsse beider Frauen, und fühlt sich zu keiner Zeit aufgesetzt oder künstlich an. Das ist natürlich der guten Leistung dieser beiden talentierten Darstellerinnen zu verdanken, aber auch die Inszenierung und Bildsprache trägt ihren Teil dazu bei. Fast sämtliche Szenen sind interessant zu verfolgen, als Zuschauer fühlt man sich in ihrer Gegenwart wohl und fast schon heimisch.
Während der komplette Beziehungsaspekt bis zu diesem Punkt äußerst zufriedenstellend ist und einige schöne Momente auf Lager hat, hat Ammonite jedoch ein großes Problem: das Ende. Als der Film zu seinem natürlichen Ende kommt und den Zuschauer mit einer gut erzählten Geschichte zurücklässt, die zwar zu Beginn recht langsam in Schwung kam, erscheint jedoch überraschenderweise nicht der Abspann auf der Leinwand. Stattdessen schafft Ammonite es, irgendwie noch um die 25 Minuten Laufzeit hinten dranzuhängen und den Film somit völlig unnötig aufzublähen. Ab diesem Punkt ist auch die Liebesgeschichte rund um Mary und Charlotte kaum noch interessant, die neuen Aspekte, die hier versucht werden dem gemeinsamen Leben beider Frauen anzuheften, fühlen sich unnatürlich an, scheinen wie aus heiterem Himmel zu kommen und sich vor allem für eine der beiden Frauen untypisch anzufühlen. Es wird zwar klar, was Regisseur und Drehbuchautor Francis Lee hier versucht und vermitteln möchte, doch leider funktioniert dies im Gesamtkontext eher suboptimal und verursacht daher mehr Stirnrunzeln und unnötige Langeweile, die vorher so nicht aufkam.
Das macht Ammonite zu keinem schlechten Film, zieht ihn insgesamt jedoch ein Stück runter, was so nicht hätte sein müssen. So bleibt zwar eine insgesamt immer noch interessante und sehenswerte Geschichte, die jedoch zum Schluss unter einem erheblichen Schluckauf leidet und den Abspann mit einem nicht mehr ganz so positiv energiegeladenen Gefühl einleitet.
Fazit
Langsam gestartet, großartig entwickelt und enttäuschend geendet. Ammonite hatte das Potenzial ein großartiger Film zu werden, verzettelt sich am Ende aber in einem unnötigen Zusatz. Großartig besetzt mit zwei herausragenden Schauspielerinnen, vor einer schönen, aber kargen Natur inszeniert. Sehenswert, aber auch hinter den Möglichkeiten.
6/10
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