Schachnovelle

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  • Einleitung


    Stefan Zweigs Werk Schachnovelle gehört zu den Klassikern der Literatur und beschäftigt sich mit den psychischen Abgründen einer Seele, die mit Isolationshaft durch die Gestapo gefoltert wird.

    Es gibt bereits einen Verfilmung des Stoffs von Zweig, bei der Gerd Oswald Regie führte und Curd Jürgens und Mario Adorf in den Hauptrollen zeigte. Oswalds Interpretation feierte 1960 Premiere, vergangenes Jahr kam dann eine neue Adaption von Philipp Stölzl in die Kinos, die einige Dinge dann doch nochmal ganz anders angeht. Dies ist gleichzeitig Fluch und Segen für den Film.






    Kritik


    Stölzls Schachnovelle beginnt im Wien des Jahres 1938: Österreich wird vom Nazi-Regime besetzt. Der Anwalt Bartok möchte mit seiner Frau Anna in die USA fliehen, wird jedoch kurz zuvor verhaftet und in das Hauptquartier der Gestapo im Hotel Metropol gebracht. Als Vermögensverwalter soll Bartok dem Gestapo-Leiter Böhm Zugang zu den Konten seiner Kunden ermöglichen, doch er weigert sich zu kooperieren. Eine Isolationshaft soll seinen Willen brechen, und er verliert auch zunehmend den Verstand. Per Zufall gelangt er an ein Schachbuch und mit aus Brotresten geformten Figuren verfeinert er sein Schachspiel.

    Im Kern der Novelle und auch des Films geht es allerdings nicht primär um Schach, dies sollte man sich bei der Sichtung bewusst sein. Vielmehr ist Schach hier ein Mittel zum Zweck, und viele Literaturwissenschaftler rätseln immer noch, ob es Zweig um die Methoden der Gestapo oder dem Untergang des Intellekts im Europa während des Faschismus' ging, also synonym zu dem Wahnsinn, der sich in Bartoks Kopf ausbreitet.

    Ist Zweigs Vorlage als Novelle relativ kurz, wird die Neuverfilmung mit 112 Minuten deutlich umfassender. Der Fokus liegt sehr auf Bartok (der übrigens nicht nur Dr. B. wie in der Vorlage heißt), der zunehmend seinen Verstand verliert. Hiermit setzt man durchaus schon einen Akzent, denn diese Entscheidung beeinflusst auch die Interpretation des Films. Das Schachspiel ist hier der Anker für Bartok, nicht vollkommen durchzudrehen. Damit hat sich Stölzl direkt positioniert, indem der Intellekt, wofür Schach steht, das ist, womit der Folter der Gestapo, die für den Faschismus steht, getrotzt werden kann.

    Schachnovelle wirkt sehr ambitioniert, das kulturelle Wien und der auch sehr kulturelle Bartok stehen im direkten Gegensatz zu der trostlosen Isolationshaft im Hotel Metropol. Das Wien vor der Festnahme ist zufrieden, glücklich und hübsch anzusehen. Die Ausstattung untermauert die heimelige Atmosphäre, allerdings ist es draußen in den Straßen Wiens schon düster, während die Nazis sich dort ausbreiten.

    Schachnovelle ist nicht nur thematisch ein düsterer Film, sondern greift der Film das Thema auch visuell gut auf. Hier muss sich der Film vor den großen internationalen Konkurrenten definitiv nicht verstecken, auch wenn die CGI bei dem Schiff auf See sehr erkennbar ist und nicht immer überzeugen kann. Aber auf dem Schiff selbst hält die Trostlosigkeit erneut Einkehr, teilweise fühlt man sich wie auf einer Reise ins Grauen.

    Im Gegensatz zu Zweigs Werk hat man sich bei der Verfilmung für eine parallele Erzählung zwischen Isolationshaft und Schiff entschieden. Das funktioniert dahingehend ganz gut, weil das Schiff stets Spiegel des Geisteszustands von Bartok in der Haft ist. Allerdings fällt es einem als Zuschauer sehr schwer, hier noch zwischen Wahn und Wirklichkeit zu unterscheiden, insbesondere die letzte Szene in den USA wirft mehr Fragen als Antworten auf. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies absichtlich so umgesetzt wurde, allerdings wird die Vorlage damit in ein ganz anderes Licht gesetzt, während der Zuschauer aber eventuell irgendwann nicht mehr hinterher kommt. All zu große Verwirrung kann bestimmte Aussagen nicht unterstützen. Dies ist tatsächlich ein großes Problem von Schachnovelle, denn es kommt der Eindruck auf, dass man hier zu viel wollte, sich dann aber selbst ein wenig verzettelt hat. Denn letztlich geht es hier nur noch um den Wahnsinn eines Mannes, der das Thema des Faschismus damit leider auch ein wenig verdrängt, auch wenn dieser dafür verantwortlich ist. Gleichzeitig ist der Film mit seinen 112 Minuten auch ein wenig lang geworden, und angesichts der dann doch wenigen Handlung um Bartoks Abwärtsspirale, wird dies teilweise etwas anstrengend und eintönig.

    Positiv hingegen ist, dass die Schwerpunktlegung auf den Wahnsinn nicht an seinem Hauptdarsteller Oliver Masucci scheitert. Dieser brilliert in jeder Sekunde; den gebrochenen Mann, der sich an jeden Strohhalm festhält, während er aber standhaft bleibt, kauft man ihm einfach ab. Schachnovelle hätte es sich nicht leisten können, mit seinem Hauptdarsteller zu scheitern, denn dann hätte hier gar nichts mehr funktioniert. Aber Masucci ist großartig.





    Fazit


    Die Neuverfilmung Schachnovelle gibt dem Thema von Stefan Zweigs gleichnamiger Vorlage neue Impulse. Teilweise funktioniert dies, da sie den Stoff interessant machen, teilweise kann dies den Zuschauer allerdings auch schnell überfordern. Der Fokus auf die Psyche Bartoks verdrängt leider auch ein wenig die anderen Themen des Buchs, zudem kommen hier einige Längen auf.


    6/10

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    Infos
    Originaltitel:
    Schachnovelle
    Land:
    Deutschland, Österreich
    Jahr:
    2021
    Studio/Verleih:
    Studiocanal
    Regie:
    Philipp Stölzl
    Produzent(en):
    Tobias Walker, Philipp Worm, Danny Krausz
    Drehbuch:
    Eldar Grigorian
    Kamera:
    Thomas W. Kiennast
    Genre:
    Drama
    Darsteller:
    Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Samuel Finzi, Rolf Lassgård
    Inhalt:
    Wien, 1938: Österreich wird vom Nazi-Regime besetzt. Kurz bevor der Anwalt Bartok mit seiner Frau Anna in die USA fliehen kann, wird er verhaftet und in das Hotel Metropol, Hauptquartier der Gestapo, gebracht. Als Vermögensverwalter des Adels soll er dem dortigen Gestapo-Leiter Böhm Zugang zu Konten ermöglichen. Da Bartok sich weigert zu kooperieren, kommt er in Isolationshaft. Über Wochen und Monate bleibt Bartok standhaft, verzweifelt jedoch zusehends – bis er durch Zufall an ein Schachbuch gerät.
    Start (DE):
    10.03.2022 (DVD & Blu-ray)
    Laufzeit:
    112 Minuten
    FSK:
    ab 12 Jahren

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