Limbo

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  • Einleitung


    Wenn es um abgründiges Thriller-Kino geht, bieten ganz besonders die Länder China, Japan und Südkorea immer wieder ebenso kreative wie abgründige Machwerke, die in ihrer Faszination von westlichen Filmen kaum erreicht werden. Auch wenn ganz besonders Südkorea in der Hinsicht führend ist, hat mit Limbo auch ein Werk aus China in letzter Zeit auf vielen Festivals für Aufsehen gesorgt. Der in schwarz-weißen Bildern gehaltene Film wurde ganz besonders für seine visuelle Kraft immer wieder gelobt.

    Hongkong wird von einer Serie brutaler Morde erschüttert: Ein skrupelloser Killer macht Jagd auf Frauen und hinterlässt die abgetrennten Hände seiner Opfer überall in der Stadt. Als den Ermittlern die junge To über den Weg läuft, kommt die Welt von Detective Cham gehörig ins wanken. Das Mädchen ist verantwortlich für einen schrecklichen Zwischenfall, der einst Chams Leben ruiniert hat. Getrieben von seinem Hass auf To durch die schweren Folgen ihrer gemeinsamen Vergangenheit, verliert der Polizist allmählich das Ziel aus den Augen. Doch er muss bald erkennen, dass er größer sein muss, als sein Hass, um die grausamen Morde zu stoppen.

    Als Darsteller sind unter anderem Ka-Tung Lam (Paradox), Yase Liu (Sakra), Mason Lee (Hangover 2) und Hiroyuki Ikeuchi (Ip Man) zu sehen.
    Die Regie verantwortete Soi Cheang (Dog Bite Dog).

    © 2023 Capelight Pictures

    Kritik


    Regisseur Soi Cheang verlagerte im Gegensatz zur Buchvorlage "Wisdom Tooth" von Lei Mi den Fokus der Geschichte auf die Beziehung zwischen Polizist Cham Lau und der Kleinkriminellen Wong To, um der Handlung mehr Dramatik zu verleihen. Tatsächlich ist aber auch diese Beziehung das wohl spannendste Element der Geschichte, da die Konstellation zwischen den beiden ungemeine Reibungspunkte bietet. Wong, die einst die Frau von Cham überfuhr, und so nicht nur seine Frau zu einem Pflegefall machte, sondern auch noch Chams ungeborenes Kind tötete, sucht händeringend bei Cham nach einer Form der Vergebung. Wohingegen dieser auf Rache sinnt. So erniedrigt sich Wong zunehmend, indem Cham die Quälerei von Wong sichtlich genießt. Auch wenn diese Ausgangssituation außerordentlich emotionales Potential bietet, zeigt sich bei Regisseur Cheang, dass er genau damit nicht umzugehen weiß. Ein emotionales Feingefühl lässt der Filmemacher gänzlich vermissen, sodass die Erniedrigungen von Wong nicht nur schwer zu ertragen sind, sie werden merklich ausgekostet. Zu misogyn gibt sich der Regisseur dieser Grundsituation hin und verpasst es so, dass Chams Wandel im Hinblick auf Wong nachvollziehbar wird. Ergänzend wird der Polizist dadurch zunehmend unsympathischer, was den Zugang zum Protagonisten erheblich erschwert. Ja, am Ende kommt man sogar soweit, dass es eine Frechheit ist, zu glauben, dass Cham noch in der Position ist, Wong etwas wie Vergebung zuzusprechen. Denn längst hat sich die Situation gewandelt und der amoralische Polizist hätte bei Wong um Vergebung flehen müssen. Doch auch diese Wandlung erkennt Cheang in seiner eigenen Geschichte nicht.

    Generell ist der Leidensweg von Wong ungemein herablassend. Cheangs Darstellung dessen kann man zwar als durchaus unverschönt bezeichnen, einen gewissen Voyeurismus ist dem allerdings nicht abzusprechen. Das zeigt sich besonders an einer unnötig langen Missbrauchsszene, die weder etwas zur Handlung noch zu den Figuren beiträgt. Folglich ist sie gänzlich ihrer selbst wegen vorhanden, wodurch ein fader Beigeschmack entsteht, den man, wenn überhaupt, nur schwer wieder loswird. Auch hier merkt man wieder sehr stark, dass Regisseur Cheang ein gewisses Feingefühl nicht zu eigen ist.
    Einzig Yase Lius uneitle und intensive Darstellung bleibt bei all den Sequenzen positiv im Kopf. Denn im Gegensatz zu der chauvinistisch wirkenden Inszenierung spielt die Darstellerin all ihre männlichen Kollegen eindrucksvoll an die Wand. Und das ist bei weitem nicht einfach, denn nicht nur liefern die beiden Schauspielkollegen Ka-Tung Lam und Mason Lee als ungleiches Polizistenduo ebenfalls eine starke Performance ab, Liu bewegt sich in ihrer Darbietung jenseits von jeglicher Komfortzone. Umso trauriger ist es, dass Cheang es nicht gelingt, mit mehr emotionalem Fingerspitzengefühl an die emotional aufgeladene Geschichte heranzugehen.

    Der Serienkiller mutiert in der Handlung lediglich zum Mittel zum Zweck. Er ist nur da, um die eigentliche Geschichte voranzutreiben und ihr einen erhöhten Spannungsfaktor zu verleihen. Profil erhält dieser nahezu gar nicht, was ihn lediglich zu einem blassen Monster verkommen lässt.

    © 2023 Capelight Pictures


    Auch wenn Regisseur Cheang die nötige emotionale Intelligenz für solch ein dramatisches Werk fehlt, so kann man der visuellen Bildgestaltung absolut keinen Vorwurf machen. Hier hat der Filmemacher teilweise überwältigende Bilder geschaffen, die sich im regelmäßigen Takt ins Gedächtnis brennen. Phänomenale Kulissen werden mit ebenso einnehmenden Kameraeinstellungen eingefangen und zeichnen ein fast schon dystopisch anmutendes Bild Hongkongs. Die Metropole zeichnet Cheang als ein dauerberegnetes Moloch, das stets eine beängstigende Atmosphäre ausstrahlt. Die schwarzweiße Gestaltung lässt die Konturen ineinander verschwimmen, wodurch der allgegenwärtig erscheinende Müll mit den Linien der Schauspieler sich zu vermischen scheint. Häufig ist es schwer den Müll von den Menschen zu trennen, was wiederum gut zu den meist verabscheuungswerten Figuren passt. Die Tristes der Abwesenheit der Farben unterstreicht darüber hinaus die ausladende Wirkung der Stadt, was einen nicht zu verkennenden Beitrag zur Atmosphäre leistet.

    Aufgrund der einnehmenden visuellen Wucht von Limbo sowie der starken Darsteller übt der Film trotz der oben genannten Schwächen eine nicht zu verkennende Faszination aus. Einen faden Beigeschmack hinterlässt der Film allerdings dennoch.

    Fazit


    Viel zu selten gelingt es Filmen aus der lediglich in schwarz-weiß gehaltenen Bildersprache einen tatsächlichen Mehrwert zu schlagen. Limbo hingegen hebt das Stilmittel visuell auf eine ganz andere Ebene. Generell ist das Werk von Regisseur Soi Cheang von der Bildgestaltung eine einzige Wucht. Leider kommt dem Filmemacher bei Handlung, Figurenzeichnung sowie der emotionalen Ebene dieses Können nahezu gänzlich abhanden, sodass der Film aufgrund seiner abgründigen Thematik einen abstoßenden Beigeschmack innehat.


    5/10

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    Infos
    Originaltitel:
    智齿 / Limbo (engl. Titel)
    Land:
    China
    Jahr:
    2021
    Studio/Verleih:
    Capelight Pictures
    Regie:
    Soi Cheang
    Drehbuch:
    Kin-Yee Au, Kwan-Sin Shum, Lei Mi (Buchvorlage)
    Kamera:
    Siu-Keung Cheng
    Musik:
    Kenji Kawai
    Genre:
    Thriller
    Darsteller:
    Ka-Tung Lam, Yase Liu, Mason Lee, Hiroyuki Ikeuchi
    Start (DE):
    30.06.2023 (Heimkino) / 15.06.2023 (digital)
    Laufzeit:
    118 Minuten
    FSK:
    keine Jugendfreigabe
    Bilder
    • Limbo-03.jpg

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