Poor Things

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  • Einleitung


    Bei den Academy Awards war Yorgos Lanthimos’ Film Poor Things ganze elfmal nominiert. In vier Kategorien konnte das Werk als Gewinner hervorgehen und spielte darüber hinaus weltweit 116 Millionen US-Dollar ein. Somit ist Poor Things das bisher erfolgreichste Machwerk des griechischen Regisseurs und Drehbuchautors. Längst hatte sich der Filmemacher aber mit seinen unkonventionellen Stoffen und der damit einhergehenden ebenso ungewohnten Inszenierung dieser einen Namen gemacht, sodass er mittlerweile für seine Produktionen auch zahlreiche namenhafte Darsteller versammeln kann. Standen für Titel wie The Favourite, The Lobster oder The Killing of a Sacred Deer gestandene Schauspieler wie Rachel Weisz, Olivia Colman, Nicholas Hoult, Colin Farrell, Emma Stone oder Nicole Kidman vor der Kamera, mit denen er auch nicht selten bereits mehrfach zusammenarbeitete, so konnte er für Poor Things abermals einen illustren Cast zusammenstellen. Angeführt von Emma Stone, die für ihre Darbietung in The Favourite bereits oscarnominiert war und für ihre Leistung in Poor Things nun den Goldjungen sogar mit nach Hause nehmen konnte, gaben sich darüber hinaus noch unter anderem Willem Dafoe (Der Leuchtturm), Mark Ruffalo (The Avengers) und Margaret Qualley (Once Upon a Time In… Hollywood) die Ehre.

    Im Zentrum von Poor Things steht Bella Baxter, die von dem unorthodoxen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter wieder zurück ins Leben geholt wird und mithilfe des eingepflanzten Gehirns eines ebenfalls verstorbenen Kindes die Welt neu entdeckt. Dabei erforscht sie mit dem Verständnis, der Naivität und der ungemeinen Empathie eine Kleinkindes die Natur des Menschen, wodurch sie die kulturellen Normen gehörig auf den Kopf stellt.

    Lanthimos inszenierte Poor Things nach einem Drehbuch von Tony McNamara (The Favourite), der wiederum den Roman von Alasdair Gray adaptierte.

    © 2023 Disney

    Kritik


    Poor Things bietet eine besondere Art einer Frankenstein-Geschichte, in der zunächst der Wissenschaftler wie Dr. Frankenstein und Frankensteins Monster in einer Figur wirkt. Doch ist es natürlich Bella Baxter, die zum sinnähnlichen Wesen des wieder zum Leben erweckten Monsters Frankensteins wird. Lediglich ohne den großen Hass wie der Gewalt und vornehmlich getrieben von Wissensdrang befreit sich Bella von den Ketten ihres Erschaffers, um in die reale Welt zu erforschen. Dabei ist das Wort „real“ mit ein wenig Sensibilität zu betrachten, denn Regisseur Yorgos Lanthimos überhöht seine visuelle Gestaltung dermaßen, dass hier alles wie eine Phantasiewelt daherkommt. An allen Ecken wird man von Absurditäten überrannt. Und das ist die große Qualität und zugleich die große Schwäche von Poor Things. Zwar werden ganz bestimmt zahlreiche Zuschauer ihre helle Freude an den unkonventionellen Bildern sowie den abstrusen Situationen haben, allerdings wirkt vieles im Gegenzug auch ungemein konstruiert, als ob die Absurditäten nur der Absurditäten wegen da sind. Das gestaltet das Zuschauen häufig etwas schwierig und wirkt gemeinhin auch teils abstoßend. Dieses Gefühl kommt besonders dann auf, wenn manche Ideen wie perverse Phantasien daherkommen, da ihnen dann doch die Doppelbödigkeit fehlt. Zu sehr entsteht in diesen Augenblicken die Wirkung der bloßen Unterhaltung. Dies wird einem lediglich im Gewand des künstlerisch Wertvollen versucht zu verkaufen. Dabei bietet die Geschichte wahrlich ungemein starke Ansätze über Selbstfindung und besonders über Selbstbestimmung. Im letzten Akt bekommt das Werk dann auch genau diesen Drall, den es allerdings schon deutlich früher gebraucht hätte – den Willen die Figur der Bella ernst zu nehmen und auch die volle tragische Bandbreite dieses Charakters zu erfassen. Stattdessen geht man bei der Erzählung der Geschichte fast so naiv und leichtfüßig vor, wie sich die Protagonistin in ihre Abenteuer stürzt.
    Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung Bellas durch Emma Stone. Zugegeben, man merkt Stone die Spielfreude durchgängig an und auch begibt sie sich für ihre Rolle regelmäßig aus ihrer Komfortzone, doch ändert es nichts daran, dass ihre Art sich fortzubewegen sowie ihre Handlungen im Allgemeinen teilweise überstrapaziert werden, sodass es irgendwann anstrengend ist, ihr zuzuschauen. Technisch ist das definitiv sauber gespielt, jedoch hätte die Regie hier früher die Brüche anweisen müssen. Denn in dem bereits erwähnten Schlussakt zeigt sich, was in der Richtung noch möglich gewesen wäre. Stone nimmt ihren Habitus ungemein zurück und konzentriert sich nuanciert auf ihre emotionale Kraft. Dieser Wandel hätte schleichender und vor allem früher stattfinden müssen, damit ihre Figur auch auf emotionaler Ebene greifbarer wird. So fühlt man sich zu oft einfach nicht involviert.

    Auch wenn man zugeben muss, dass Lanthimos einige visuell beeindruckende Aufnahmen präsentiert, die man so auch auf eine Ölleinwand bringen könnte, funktionieren viele inszenatorische Spielereien auch einfach nicht. Ganz vorne dabei ist die immer wieder genutzte „Fischaugenlinse“, die jede Aufnahme ungemein hässlich erscheinen lässt. Gleichzeitig erhöht es die Distanz zum Gesehenen, was einen den Zugang zu Geschichte und Figuren zusätzlich erschwert. So entsteht nie ein wirklich ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Schönheit und Abscheulichem. Als Folge schwebt über die ganze Laufzeit ein unangenehmes Gefühl beim Zuschauen, ohne dass man dessen Herkunft stets lokalisieren kann. Dies steht im deutlichen Kontrast zu der leichtfüßigen und häufig folgenlosen Reise Bellas.

    Wie weiter oben bereits erwähnt, bietet Poor Things inhaltlich ungemein starke Ansätze, die immer wieder angerissen werden und zumindest zum Schluss auch in eine deutliche und respektable Aussage münden, doch gestaltet sich der Weg dorthin künstlerisch viel zu verspielt, sodass man das eigentliche Ziel immer wieder aus den Augen verliert. Am Ende wirkt das Werk irgendwie auf unangenehme Weise unausgeglichen.


    © 2023 Disney

    Fazit


    Yorgos Lanthimos lässt mit Poor Things seiner Kreativität freien Lauf, was in Hinblick auf die starken dramaturgischen Ansätze jedoch nicht immer positiv ist. So suhlt sich der Filmemacher in Absurditäten, die bestimmt dem ein oder anderen Zuschauer Freude bereiten, andere hingegen eher abstoßen, da sie im Kontext meist unorganisch wirken. Der emotionale Kern der Geschichte geht in dessen Folge auf Kosten der kreativen visuellen Gestaltung des künstlerischen Leiters.


    4/10

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    BurningPoor Things erzählt eine wunderbare Geschichte über die Selbstfindung einer Frau, die ihre eigene Sexualität entdeckt, ihre Unabhängigkeit von Männern, die sie erschaffen haben, und einfach ihr Leben lebt, wie sie es selbst für das Beste hält, ohne sich dabei von Dritten reinreden zu lassen. Eine verrückte Geschichte über die Emanzipation, über das eigene Selbstvertrauen und die Liebe zum eigenen Körper und der Seele. Optisch ist Poor Things womöglich jetzt schon der schönste Film des Jahres. Mit einer bizarren Kreativität, die ihresgleichen sucht und einen nie entscheiden lassen kann, wohin man als erstes schauen soll. Es gibt viel zu entdecken, in jeder einzelnen Szene steckt viel mehr drin, als das Gesprochene vermittelt und begeistert generell mit wunderschönen, fantasievollen Bildern und einem Set- und Kostümdesign, welches nahezu perfekt in diese malerische Welt passt.

    8/10
    Infos
    Originaltitel:
    Poor Things
    Land:
    USA / UK / Irland / Ungarn
    Jahr:
    2023
    Studio/Verleih:
    20th Century Studios
    Regie:
    Yorgos Lanthimos
    Drehbuch:
    Tony McNamara, Alasdair Gray (Roman)
    Kamera:
    Robbie Ryan
    Musik:
    Jerskin Fendrix
    Genre:
    Drama, Fantasy
    Darsteller:
    Emma Stone, Willem Dafoe, Mark Ruffalo, Ramy Youssef
    Start (DE):
    18.01.2024
    Start (USA):
    08.12.2023
    Laufzeit:
    141 Minuten
    FSK:
    ab 16 Jahren
    Bilder
    • Poor-Things-01.jpg

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