Twin Peaks-Bücher

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    Es gibt 7 Antworten in diesem Thema. Der letzte Beitrag () ist von Bavarian.

      Twin Peaks-Bücher

      Es existieren zahlreiche Bücher von und über Twin Peaks. Bei Gelegenheit werde ich diesen Startpost hier mal editieren und alles, was so herumschwirrt, bündeln, doch für den Moment will ich nur meine Meinungen zu zwei Büchern raushauen. :D


      The Secret Diary of Laura Palmer (Jennifer Lynch)

      Nette, kleine Ergänzung zu Serie? Denkste. Ich bin extrem überrascht, wie relevant dieses Buch doch ist. Zwar ist es nicht zwingend notwendig, es zu kennen, wer jedoch ein tieferes Verständnis für den gesamten Twin Peaks-Kosmos generieren will, kommt um dieses Tagebuch keinesfalls umher. Das Werk erzeugt eine nachdrückliche Charakterisierung der Laura Palmer, die in der Serie selbst natürlich irgendwo omnipräsent ist, über die man im eigentlichen Sinne aber nur wenig erfährt. Aus dem einen oder anderen Audio-Tape, Gesprächen ihrer Freunde und Familie nach ihrem Tod oder auf surrealer Ebene ergibt sich natürlich ein gewisses Charakterbild, doch dieses Büchlein haucht der Figur eine Präsenz ein, die sich sehr gut auf das weitere Seherlebnis auswirkt. Ich war überrascht, dass dieses Tagebuch bereits mit ihrem zwölften Lebensjahr beginnt und somit eine gesamte Jugend zur Schau stellt. Eine der wohl abgründigsten und düstersten Coming-of-Age-Storys überhaupt, wenn man so will. Ein Mädchen, das vom Abgrund heimgesucht wird und sich wehrt, indem es selbst zum Abgrund wird. Auf feministischer Ebene wird viel aufgearbeitet. Aber auch die widersprüchlichen USA, zwischen Prüderie und Sexualisierung, bekommen zwischen den Zeilen ihr Fett weg.

      Ebenso erzeugt das Buch ein tieferes Verständnis für einige Szenen der ersten beiden Twin Peaks-Staffeln und erklärt gewisse Charakterdynamiken näher, was jetzt alles nicht unbedingt hyperessenziell ist, dem interessierten Twin Peaks-Fan aber durchaus ordentlich was preisgibt. Neben der Darstellung der kurzen und tragischen Lebensgeschichte von Laura und der Annäherung an ihr komplexes Wesen, ist es ganz bestimmt Bob, dessen schleierhaftes, boshaftes Treiben hier sehr lesenswert dargestellt wird. Stets im richtigen Gang, der nie auf Entmystifizierung schält. Darüber hinaus gibt es, wie in lynchesquen Gefilden üblich, viel Psychosexuelles und natürlich zahlreiche feministische Aspekte, deren Symbolik oft in Bezug auf Judy Garland/Oz stehen.

      Sicherlich ist das Buch The Autobiography of F.B.I. Special Agent Dale Cooper, auf das ich gleich noch zu sprechen komme, das unterhaltsamere, gewitztere und facettenreichere Buch von den beiden, doch dem großen Twin Peaks-Mysterium gibt definitiv dieses Buch hier mehr mit auf den Weg.



      The Autobiography of F.B.I. Special Agent Dale Cooper (Scott Frost)

      Wie auch das Laura Palmer-Tagebuch, spielt die hier erzählte Geschichte, wie man anhand des Titels bereits erahnen kann, chronologisch vor den Ereignissen der ersten Twin Peak-Staffel. Meiner Meinung nach sind die beiden Bücher aber zwischen S1 und S2 in dramaturgischer Hinsicht eindeutig am besten aufgehoben, da ein Bezug zur Geschichte sie erst interessant macht und beide losgelöst von der Show eigentlich nicht funktionieren. Die Coop-Bio punktet gerade in den ersten Kapiteln mit viel Witz. Dem jungen Dale beim Entwickeln seiner allseits bekannten Charakterzüge zu folgen, macht ungemein viel Spaß. Doch auch hier merkt man schnell: Wir sind hier immer noch im Twin Peaks-Universum, weswegen das Werk dann schon recht bald seine surrealen, düsteren und tragischen Facetten aufbereitet. Der Wortwitz geht dabei aber nie verloren. FBI Agent Dale Cooper. Der wahrscheinlich coolste und spirituellste Spießer der Welt. Nach meinem Verständnis eine der grandiosesten Figuren der Film- und Seriengeschichte, die diese Autobiographie-Fiktion zu 100% verdient.

      Wir erhalten Einblick in sein Seelenleben. In seine Gedanken. In seinen Werdegang, der sein Wesen in der Serie erklärt und nahbarer macht. Auf metaphorischer und mythologischer Ebene war er wohl schon sein leben lang in Twin Peaks. Und ist dann schließlich dort gelandet, wo er hin sollte. Wir erfahren zudem viel über die Windom Earle-Storyline und über viele weitere reizvolle Aspekte. Ebenfalls sind Themen vorhanden, die auch die Serie vorsichtig behandelt, wie Kriegsnachwirkungen oder die Kolonialisierung Amerikas. Ebenso surreale Twin Peaks-Ebenen werden bereits berührt - wie beim Buch weiter oben - ergo "Black Lodge" und "Bob" - bis hin zu angedeuteten S3-Inhalten.

      Wie auch beim Laura Palmer-Tagebuch spreche ich eine eindeutige Empfehlung für Twin Peaks-Fans aus, die noch mehr in die Tiefe gehen wollen. Beides sind keine literarischen Feuerwerke, bei denen man gebannt an den Seiten klebt und kontextlos funktionieren sie sowieso überhaupt nicht, doch Anhänger der Serie bekommen hier reichlich integrales Wissen serviert.






      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat. Gibt es ja auch endlos Material zu Star Trek - da weiß ich dann schon wieder nicht, wo anfangen und wo aufhören und hab wenig Lust, mit da einzuarbeiten. Gibt genug richtige Literatur, derer ich mich mit meiner Zeit ehrlich gesagt lieber widmen möchte.

      Aber freut mich, dass dir die Bücher so viel Spaß bereiten. Trotz allem habe ich das Tagebuch von Laura Palmer ja schon länger im Einkaufswagen liegen - dem Klappentext nach klingt das schon wie eine interessante Ergänzung zur Serie, wobei ich jetzt, nach dem, was du so schreibst, denke, dass ich das inhaltlich auch schon so aus Fire Walk With Me mitgenommen habe.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat.


      Das stimmt allerdings. In den beiden Fällen scheint aber alles sehr harmonisch und relevant zu sein. Nehme alles zu 100% in das Story-Verständnis mit auf. Ist ja schließlich auch aus dem direkten Dunstkreis von Lynch und Mark Frost ( einmal Tochter, einmal Bruder). The Secret History of Twin Peaks und The Final Dossier stammen ja sogar direkt aus der Feder von Mark Frost. An Access Guide to Town wurde sogar vom Gespann Frost+Lynch verfasst. Da kann man quasi nichts falsch machen. :)






      Bavarian schrieb:

      Data schrieb:

      Bin ja eigentlich kein Fan von dieser Art ergänzender Literatur, weil es halt doch irgendwie Fan Fiction ist, bei der man oftmals nicht weiß, was ignoriert werden kann, weil es für den Kanon ohnehin keine Relevanz hat.


      The Secret History of Twin Peaks und The Final Dossier stammen ja sogar direkt aus der Feder von Mark Frost.


      Wobei ich mal eine Aussage von Lynch gelesen habe, dass er mit dem Final Dossier nichts am Hut hatte ... ich kann die Aussage gerade nicht mehr finden, aber das ging schon in die Richtung, dass er das vielleicht gar nicht als "sein" Twin Peaks sieht und dass das ausschließlich Mark Frosts Ding sei.

      Aber ja, point taken. Das Twin Peaks-Material kommt schon nochmal eher aus der Quelle gesprudelt, als das bei Star Trek o.ä. der Fall ist.
      "I think there should be visuals on a show, some sense of mystery to it, connections that don't add up. I think there should be dreams and music and dead air and stuff that goes nowhere. There should be, God forgive me, a little bit of poetry." - David Chase

      Data schrieb:

      Aber ja, point taken. Das Twin Peaks-Material kommt schon nochmal eher aus der Quelle gesprudelt, als das bei Star Trek o.ä. der Fall ist.


      Jip, genau, darauf wollte ich ich hinaus. :thumbup:

      Data schrieb:

      Wobei ich mal eine Aussage von Lynch gelesen habe, dass er mit dem Final Dossier nichts am Hut hatte ... ich kann die Aussage gerade nicht mehr finden, aber das ging schon in die Richtung, dass er das vielleicht gar nicht als "sein" Twin Peaks sieht und dass das ausschließlich Mark Frosts Ding sei.


      Guter Punkt. Meine auch, dazu mal was gelesen zu haben. Wiederum müsste man diese Fragestellung dann aber auch bei Fire Walk With Me anbringen, da hier Mark Frost nicht beteiligt war. Und zumindest was die Story und die gesamte Mythologie angeht, nehme ich die beiden durchaus als ebenbürtig wahr. Aber dieses facettenreiche und irgendwie auch flexible Twin Peaks-Universum lässt sowieso zu, dass jeder das für sich mitnimmt, was ihm gefällt. :D

      Kleines Edit: Gut, dadurch, dass S3 inhaltlich auf FWWM aufbaut - wo beide ja wieder zusammen arbeiteten - ist Lynchs Film natürlich auch darüber hinaus zu 101% Kanon, Nichtsdestotrotz nehme ich Frosts Solo-Bücher sehr ernst.

      Kiddo schrieb:

      Ich bin mir mittlerweile sicher, dass ich nicht lange genug Leben werde, um alle Bücher zu lesen, die ich gerne lesen würde... Wie soll ich meine Prioritäten sortieren? :D


      Hehe. Eine bedeutende Erkenntnis, die ich auch irgendwann mal hatte. Nahm ein wenig Last von mir. :D Ich wähle mittlerweile viel spontaner, nach Bauchgefühl, ohne großer Planung. Bin davon überzeugt, dass man mit bester Dale Cooper-Intuition schon die richtigen Sachen für sich priorisieren wird. ^^






      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Bavarian“ ()

      Bavarian schrieb:


      Hehe. Eine bedeutende Erkenntnis, die ich auch irgendwann mal hatte. Nahm ein wenig Last von mir. :D Ich wähle mittlerweile viel spontaner, nach Bauchgefühl, ohne großer Planung. Bin davon überzeugt, dass man mit bester Dale Cooper-Intuition schon die richtigen Sachen für sich priorisieren wird. ^^

      ach, auf die Idee diese Tatsache zu akzeptieren, bin ich noch gar nicht gekommen :D bisher hatte ich nur Stress damit, wie viele Bücher mir im Leben noch entgehen werden. Dank dir bin ich gerade eben auch einsichtig geworden :D
      Every life comes with a death sentence.
      Welcome to Twin Peaks: Access Guide to the Town (Richard Saul Wurman, David Lynch, Mark Frost)

      Eines der beiden Bücher, die sich zwischen S2 und S3 ansiedeln, ist der Access Guide to the Town und den habe ich vergangene Woche gelesen. Eine penible Ergänzung für die absoluten Twin Peaks-Cracks. Inhaltlich aber nicht unbedingt notwendig. Hier geht´s absolut ins Detail. Anekdoten aus der Twin Peaks College Football-Historie, Infos zur Flora und Fauna, das Kirschkuchen-Rezept, der Werdegang bedeutender Familien (Horne, Packard, Martell...) und zig Informationen zum Sägewerk. In Nebensätzen verbergen sich durchaus mal coole Anspielungen, die das große Mysterium betreffen, aber das ist nicht wirklich der Rede wert. Ein wenig wird auch die reale Historie mit Twin Peaks verwebt, was ganz cool ist. Bei all dem Spaß geht es eigentlich weniger um die Infos selbst, sondern um eine Art geschaffene Illusion, dass Twin Peaks wirklich existiert, was man dann gefühlsmäßig auch ein wenig mit in das weitere Seherlebnis transportiert. Nette Idee, die sich in manchen Kapiteln aber auch mal gezogen hat.

      Damit ihr euch das Sammlerstück nicht für 100 Ocken kaufen oder auf dubiosen PDF-Download-Seiten gegen Urheberrechte verstoßen müsst, verrate ich euch einfach direkt die relevanteste Info, lieb wie ich bin:

      Spoiler anzeigen
      Hochgerechnet isst der durchschnittliche Twin Peaks-Bewohner knapp über 300 Donuts pro Jahr




      @Data noch als Info hinterher: Die Thematik rundum künstlerische Freiheit des Laura Palmer-Tagebuchs wurde in einem Interview mit der Autorin und Lynch-Tochter Jennifer aufgegriffen. Sie hat von ihrem Vater und Mark Frost zwar Anweisungen erhalten, was die groben Eckpunkte sein sollen und welche Figuren vorkommen müssen, doch insbesondere bei der Charakterisierung der jungen Laura hat sie einen größeren kreativen Freiraum erhalten. Ob man diese künstlerische Freiheit und die daraus entstandene Story dann als TP-Kanon irgendwo anzweifelt oder sagt, es wurde von den Schöpfern so beauftragt/delegiert und ist somit zu 100% ernst zu nehmen, liegt dann wohl im Auge des Betrachters. Jedenfalls wurden in Fire Walk With Me wiederum ein paar kleine Elemente des Tagebuchs wieder aufgegriffen.