Übersicht
Einleitung
Verfilmungen rund um das britische Königshaus sind seit jeher beliebt und wurden vor allem in letzter Zeit durch die hochwertige Dramaserie "The Crown" auf 'Netflix' stark befeuert. Diese pausiert jedoch aktuell, um die finalen Staffeln fünf und sechs zu drehen und wieder einen Zeitsprung in der Timeline zu vollführen. Da kommt mit Spencer ein Lückenfüller ins Kino, der weit mehr ist, als dieser Begriff annehmen lässt.
Dezember 1991: In der Ehe zwischen dem Prinzen und der Prinzessin von Wales herrscht seit Langem Eiszeit. Trotz der wilden Gerüchte über Affären und eine Scheidung wird für die Weihnachtsfeierlichkeiten auf dem königlichen Landsitz Sandringham ein Frieden verhängt. Es wird gegessen und getrunken, geschossen und gejagt. Diana kennt das Spiel. Dieses Jahr wird es eine ganz andere Wendung nehmen.
Kritik
Das Glanzstück von Spencer ist ganz klar und eindeutig Kristen Stewart, die als Prinzessin Diana von der ersten Sekunde an zu verzaubern weiß. Nicht nur, dass sie für den Film ein beinahe perfektes Make-Up verpasst bekommen hat, sieht sie dem Original doch zum Verwechseln ähnlich, sie legt auch eine darstellerische Leistung an den Tag, wie in ihrer ganzen Karriere bisher nicht. Sie kombiniert das äußere, toughe Auftreten der von Papparazzi verfolgten Berühmtheit mehr als gekonnt mit der inneren Zerbrechlichkeit, der Angst und dem großen Abscheu vor dem britischen Adel. In mehreren Szenen ist der Übergang fließend und somit mehr als beeindruckend. Egal mit wem sie interagiert, sie hat stets eine Fassade aufgebaut und gibt sich nur in sehr seltenen Momenten ganz als sie selbst – nämlich dann, wenn sie mit ihren beiden Söhnen allein ist.
Dieses Biopic konzentriert sich vor allem auf ein kaltes, verschneites Winterwochenende und somit komplett auf Dianas innere Gefühlswelt, die hier kräftig durchgeschüttelt wird. Als Zuschauer weiß man nie so ganz, woran man ist, und leidet in jeder Sekunde mit ihr, schöpft gemeinsam Kraft und erfreut sich an den kleinsten Glücksmomenten, wenn Diana etwas zur Ruhe kommt, wenn sie bei Harry und William ist, wenn sie frei von jeglicher Beobachtung ist. Hier kommen Glücksgefühle auf, Freude und sogar mal ein Lächeln.
Spencer will gar nicht eine umfassende Analyse von Dianas Leben sein und besteht aus vielen kleinen einzelnen Momenten, die zum großen Ganzen beitragen. Ein Fototermin, vorbestimmte Kleidung, Sitzplatzordnung, immer Angestellte, die irgendwo um sie herumtanzen, niemals von irgendwem die ehrliche Meinung direkt mitgeteilt bekommen. Je weiter Spencer voranschreitet, desto unangenehmer wird es, sich diese abgehobene Gesellschaft anzusehen. Diana als menschlicher Ankerpunkt in der Mitte des Geschehens funktioniert wunderbar, jeder versuchte Ausbruch ihrerseits ist komplett nachvollziehbar. So gesehen, ist Spencer natürlich alles andere als subtil. Dianas tiefste Gefühle werden direkt auf dem Silbertablet präsentiert, vor allem eine Szene zu Beginn des letzten Drittels macht dies mehr als deutlich. Doch nichtsdestotrotz gibt es auch zwischen den Zeilen einiges zu entdecken, Regisseur Pablo Larraín und Drehbuchautor Steven Knight haben hier ganze Arbeit geleistet und den idealen Spagat geschafft, um möglichst viel abzudecken.
Inszeniert wurde der Film vor einer wunderschönen Kulisse und ist darüber hinaus wunderbar ausgestattet. Gerade fürs Auge wird hier jede Menge geboten. An den vielen hochwertigen Kostümen, den schön dekorierten und in Szene gesetzten Sets kann sich fast nicht sattgesehen werden. Auch auf die Ohren gibt’s was, der Score ist niemals (zu) aufdringlich, passt aber nahezu perfekt zu jeder Szene und vermittelt immer das passende Gefühl.
Fazit
Spencer ist nicht das tiefgründigste Biopic, erfüllt die Aufgabe eines solchen Films aber dennoch mit Bravour und überzeugt vor allem mit einer nuanciert spielenden Kristen Stewart, die dieser großen Rolle mehr als gewachsen ist. Wunderschön fotografiert und fantastisch ausgestattet, ist Spencer einer der schönsten Filme, die man dieses Jahr auf der Leinwand sehen wird.
8/10
Zweitmeinung
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